| # taz.de -- HSV im Abstiegskampf: Wiedergeburt aus der Defensive | |
| > Der von vielen bereits abgeschriebene Hamburger SV schlägt im ersten | |
| > Spiel unter Trainer Mirko Slomka die Spitzenmannschaft von Borussia | |
| > Dortmund mit 3:0. | |
| Bild: Huldigung per Banner: Die HSV-Fans gedenken des verstorbenen Ex-Masseurs … | |
| HAMBURG taz | Beim HSV war in den letzten Wochen viel vom Tod die Rede. | |
| Eigentlich müsste es „vergangene“ Wochen heißen, aber es fühlte sich | |
| tatsächlich eher an, als seien es die letzten Wochen: Der drohende Abstieg | |
| aus der Fußball-Bundesliga wurde häufig mit dem sportlichen Sterben | |
| gleichgesetzt – und manchmal mit dem wirtschaftlichen. | |
| Und dann starb auch noch Hermann Rieger, als langjähriger Masseur die | |
| letzte Brücke in die goldenen Zeiten des Vereins und nicht nur deshalb die | |
| interfraktionelle Identifikationsfigur. Ein Menetekel schien es, dass er | |
| ausgerechnet jetzt den Kampf gegen den Krebs verlor. Das Spiel gegen | |
| Dortmund begannen die HSV-Fans mit einer Huldigung, wie sie wohl keinem | |
| Spieler je zuteil geworden ist: „Für immer unser bester Mann, den niemand | |
| je ersetzen kann“, war auf ihrem Banner über die ganze Kurve zu lesen. Das | |
| Schweigen der 57.000 im ausverkauften Stadion störte nur ein einsamer „Sieg | |
| Heil“-Ruf aus dem Dortmunder Block. | |
| Die Geschichte dieses auch in sportlicher Hinsicht denkwürdigen | |
| Fußballspiels erzählte Hakan Çalhanoğlu mit einem einzigen Schuss: Die | |
| Partie war fast vorbei, gelaufen war sie allemal. Der HSV hatte gegen jede | |
| Erwartung Borussia Dortmund geschlagen. Da bekam Çalhanoğlu noch einen | |
| Freistoß, kurz vor dem Mittelkreis. Die Dortmunder stellten gar keine | |
| Mauer, zu groß schien die Torentfernung. Aber Çalhanoglu legte sich den | |
| Ball hin und schlug ihn kackfrech aufs Tor. Der Ball senkte sich in einem | |
| 41 Meter langen Bogen, flatterte am Ende ein bisschen nach links, vorbei am | |
| verdutzten Dortmunder Torwart Roman Weidenfeller, ins Netz. | |
| „Das dritte Tor hat wahrscheinlich ganz Hamburg für die letzten Wochen und | |
| Monate entschädigt“, vermutete Gäste-Trainer Jürgen Klopp. Çalhanoğlu ha… | |
| in diesen Schuss all das Selbstbewusstsein gelegt, das man sich innerhalb | |
| von 90 Minuten holen kann. Denn zu Beginn des Spiels hatte man ihm noch | |
| deutlich jene Verunsicherung angesehen, die den HSV an den Abgrund gebracht | |
| hatte. | |
| Vielleicht muss man nach dem Dortmund-Spiel doch eher von einer | |
| Wiedergeburt sprechen als von einer Auferstehung. Denn das Auferstehen | |
| stellt man sich ja irgendwie personenidentisch vor, die Wiedergeburt hingen | |
| kann in Gestalt eines völlig anderen Wesens geschehen. Und dem neuen | |
| Trainer Mirko Slomka war es gelungen, einen völlig anderen Hamburger SV auf | |
| den Platz zu schicken als zuletzt: kompakt, aggressiv, leidenschaftlich. | |
| Ob er Wunderdinge vollbringen kann? „Ich halte nicht viel von Eingebungen | |
| und Wundern“, sagte Slomka. Er hatte vor allem das getan, wovon sein | |
| Vorgänger Bert van Marwijk zuletzt nur gesprochen hatte: „Vielleicht müssen | |
| wir defensiver denken“, hatte der vor zwei Wochen gesagt. Slomka stellte | |
| tatsächlich zwei Viererketten auf, mit den eher defensiv veranlagten Petr | |
| Jiráček und Tomás Rincón auf den Außenpositionen. | |
| Und Slomka erinnerte sich einer Personalreserve, auf die seine Vorgänger | |
| glaubten, verzichten zu können: Slobodan Raijković ist nicht der ganz große | |
| Spieleröffner, aber für den Abstiegskampf ist der rustikale | |
| Innenverteidiger wie gemacht, wie er mit seinem glänzenden Saisondebüt | |
| zeigte. Slomkas Verdienst ist, das A-Wort nicht nur in den Mund genommen zu | |
| haben, sondern auch danach zu handeln. | |
| Taktisch setzt Slomka auf ein Rezept, das er bei Hannover 96 erprobt hatte: | |
| den Gegner kommen lassen, Balleroberung aus einer massiven Deckung heraus, | |
| blitzschnelles Umschalten und dann mit vertikalen Pässen die Stürmer | |
| einsetzen. | |
| Gegen Dortmund führte das zu zwei Toren. Vor dem 1:0 hatte Pierre-Michel | |
| Lasogga den Ball an der Grundlinie gegen zwei Mann behauptet und noch auf | |
| den Kopf von Petr Jiráček gebracht. Zum 2:0 traf Lasogga selbst, nach | |
| Traumpass von Tolgay Arslan, den Pierre-Emerick Aubameyang Minuten vorher | |
| durch einem Tritt an den Hals niedergestreckt hatte. | |
| „Da habe ich ihm gesagt: Tolgay, wir brauchen dich, schüttel dich und mach‘ | |
| weiter“, berichtete Slomka. Arslan sagte: „Bei 1:0 willst du natürlich | |
| wieder rein und der Mannschaft helfen.“ Jeder sei für den anderen gerannt, | |
| beschrieb er den Unterschied zu den vorherigen Spielen. „Und wenn du einen | |
| Fehler gemacht hast“ – was nicht eben selten passierte – „scheißegal, … | |
| waren immer drei, die ihn wieder ausbügeln wollten.“ Wenn das Hermann | |
| Rieger noch erlebt hätte! | |
| 23 Feb 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Kahlcke | |
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