# taz.de -- Russlands erster Freizeitpark: In Putins Märchenland | |
> Im Sommer soll in Sotschi ein Freizeitpark eröffnet werden. Das Projekt, | |
> das 270 Millionen Euro kostet, hat auch einen nationalen Bildungsauftrag. | |
Bild: Die Baustelle des „Sochi Parks“ im Dezember | |
SOTSCHI taz | Paul Beck hat ein Motto für seine Arbeit: „Ich glaube nicht | |
an Märchen, ich verkaufe sie.“ Paul Beck trägt immer eine lustige rote | |
Fliege. Und an diesem sonnigen Wintertag in Sotschi trägt der Niederländer | |
auch noch ein hellblaues Jackett. Der große, grauhaarige Mann ist eine | |
Mischung aus Harry Wijnvoord und Direktor Tierlieb aus Benjamin Blümchens | |
Zoo. | |
Paul Beck ist Geschäftsführer des Sochi Parks, eines Freizeitparks direkt | |
neben dem Olympiagelände in Adler: 20 Hektar groß, Achterbahn, ein | |
Schlosshotel, vier Sterne, 478 Zimmer, insgesamt 1.200 Plätze in Cafés und | |
Restaurants, macht zusammen: 270 Millionen Euro. „Private-Equity-Geld“, | |
sagt Paul Beck. Der Auftrag sei von einem reichen Russen aus Krasnodar | |
gekommen, der wiederum Weisung von noch weiter oben erhalten habe. Mehr | |
weiß Beck nicht. Oder mehr will er nicht wissen. Oder nicht sagen. | |
Eigentlich sollte der Park zu den Spielen fertig sein. Ist er aber nicht. | |
Es gibt während Olympia nur eine Art Pre-Opening. Wer will, kann schon mal | |
reinschauen. Die Eröffnung ist aber auf den Sommer verschoben. | |
Weil Paul Beck nun mal nur wie ein Märchenonkel aussieht, aber an eben jene | |
nicht glaubt, schickt er seine Assistentin Anastasia Chwatowa vor, um zu | |
erklären, welch tiefere Mission sein Park verfolgt. Und Anastasia, kaum 30 | |
Jahre alt, legt los: „Die junge Generation in Russland weiß, wer Micky Maus | |
ist, wer Donald Duck ist, wer Cinderella ist“, man merkt schon, dass sie | |
das empörend findet, so hastig presst sie die Beispiele aus ihrem Mund, | |
„aber die jungen Leute kennen nicht die Helden aus den russischen Märchen.“ | |
## Echte russische Ritter | |
Ein Freizeitpark als nationaler Auftrag – es scheint gute Gründe zu geben, | |
warum der Sochi Park auch „Putin World“ genannt wird. Und so geht der | |
bildungsdurstige Russe am besten gleich durch das Feuertor hinein, die | |
Feuerstraße entlang, lässt das „Eco Village“ (grün, Pflanzen, | |
Teletubbie-Land für die Älteren) da hinten in der letzten Ecke „Eco | |
Village“ sein und steuert direkt das „Bogatyr’s Land“ an. | |
Echte russische Ritter, russische Mythen und russisches Kräftemessen im | |
„Kraftspiel-Pavillon“. Dahinter, im Zauberwald, wartet der Drache Smey | |
Gorynych, der ganz oben auf der 38 Meter hohen und mehr als einen Kilometer | |
langen Achterbahn thront. Mitfahren? Mindestalter: 12 Jahre. So groß musst | |
du sein: 1,30 Meter. | |
Doch wen interessieren diese gigantischen Fahrgeschäfte, wenn man sich nur | |
etwas links halten muss, um im Wissenschaftsland alles über die | |
Errungenschaften der russischen Raumfahrt zu erfahren? Zugegeben, hinter | |
der Wissenschau kommt mit dem Quantum Leap (Mindestalter: 12, Mindestgröße: | |
1,40) der höchste und schnellste Rollercoaster Russlands – aber was kann | |
man da lernen? | |
„Wir erfüllen die Herzen der russischen Bürger mit Nationalstolz“, sagt | |
Anastasia. An diesem Nationalstolz auf 20 Hektar werkeln fünf Niederländer, | |
zwei US-Amerikaner und ein Deutscher, die den Bau leiten. In Russland hat | |
niemand Erfahrung mit dem Bau von modernen Freizeitparks. Es ist der erste | |
dieser Art in dem riesigen Land. | |
## Die Märchen verkaufen | |
Auch Paul Beck hatte keine Erfahrung mit Russland, bevor er vor einem Jahr | |
nach Sotschi kam. Obwohl, er überlegt, er hatte in Efteling, einem | |
Freizeitpark mit jährlich gut vier Millionen Besuchern in den Niederlanden, | |
den er einst leitete, mal russische Artisten. Aber Beck muss die russischen | |
Märchen ja eh nicht glauben, er will sie verkaufen. Und da er sowieso kaum | |
auswärtige Besucher erwartet – „95 Prozent unserer Gäste werden aus | |
Russland kommen“ –, sagt er Sätze wie: „Wir wollen keine Coca-Cola-Kultur | |
exportieren.“ Das kommt an. Zumindest bei Anastasia. | |
Sein Vorbild ist der Europa-Park im baden-württembergischen Rust, „der | |
schönste Park in Europa, schöner als Disneyland“. Paul Beck kennt sich aus | |
mit Erlebnisparks. Nach [1][Efteling] hat er die Autostadt in Wolfsburg | |
aufgebaut und die Floriade, eine Art Weltgartenschau, in Venlo geleitet. | |
Nun Sotschi nach dem Vorbild Europa-Park, der nach eigenen Angaben mehr als | |
4,5 Millionen Besucher pro Jahr hat. So viele werden es im Sochi Park nicht | |
werden: 1,5 Millionen Menschen muss Beck anziehen, das sei der | |
Break-even-Point, sagt er. Damit der Park schwarze Zahlen schreibt. | |
1.500 Rubel, umgerechnet 35 Euro, muss hinlegen, wer reinwill. Der | |
Durchschnittsverdienst in Russland liegt laut Industrie- und Handelskammer | |
bei knapp 600 Euro. Wie sollen da 1,5 Millionen Besucher erreicht werden? | |
In einer Region, in der nur knapp 400.000 Menschen leben. | |
## Wer ist das Publikum? | |
Die zwar einen modernen Flughafen, aber keine Direktverbindungen aus Europa | |
hat. Deren nächste große Stadt sieben Zugstunden entfernt ist? „Wenn man | |
von Russland redet, ist nichts wirklich nah“, sagt Anastasia. Und Paul Beck | |
ergänzt: „Die Russen sparen auch viel.“ | |
Dieses Ersparte müssen demnächst möglichst viele Russen in den Sochi Park | |
tragen. Denn mittelfristig soll der Park noch erweitert werden. Schließlich | |
bräuchte man hier dringend einen Freizeitpark wie diesen, sagt Paul Beck. | |
„Wie sollen wir sonst die Hotels nach Olympia füllen?“ | |
Zu Paul Becks Dauerproblem wird diese Frage nicht werden. Ende 2015 sind | |
seine drei Jahre in Sotschi vorbei. Dann will Paul Beck wieder gehen. „Ich | |
bin hier nicht integriert“, sagt er. Vergangenen Samstag habe habe er | |
dennoch eine Party gegeben. „Mit Kroketten und Frikadellen.“ | |
21 Feb 2014 | |
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## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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