# taz.de -- Pressekonferenz von Pussy Riot: So funktioniert Russland heute | |
> Der letzte Auftritt von Pussy Riot in Sotschi endet mit einer | |
> Pressekonferenz im Freien. Die beiden Frauen reisen nach Moskau, um | |
> Regimekritiker zu unterstützen. | |
Bild: Politische Aktionskunst als Programm: Pussy-Riot-PK in Sotschi | |
Es ist eine merkwürdige Demonstration. Sie wird von vier Frauen angeführt, | |
die von 30 Journalisten begleitet werden. Nadeschda Tolokonnikowa und | |
Marija Aljochina marschieren, eskortiert von zwei mit wollenen Sturmhauben | |
vermummten Aktivistinnen, durch einen Kurpark in Adler. | |
Pussy Riot ist unterwegs. Vier junge Männer grölen: „Ich bin gegen Sex mit | |
Hühnern!“ Gegendemonstranten. Aus den Souvenirläden, die den Park säumen, | |
wird das Spektakel beäugt. Verkäuferinnen kichern. Ein Begleiter hält den | |
Aktivistinnen ein Taxi an und steigt mit den vier Frauen ein. Der | |
Taxifahrer schlägt wenig begeistert die Hände vor dem Gesicht zusammen. | |
Kurz darauf sind die vier Frauen am Flughafen. Sie sind auf dem Weg nach | |
Moskau. Der Kurpark leert sich. Als die Kamerateams weg sind, stehen in | |
Grüppchen dunkel gekleidete Männer rund um den Ort des Geschehenen und | |
beraten. Man kann sich denken, für wen sie arbeiten. Der letzte Auftritt | |
von Pussy Riot in Sotschi ist zu Ende. Begonnen hatte er mit der | |
Veröffentlichung des Videos zu dem Song „Putin lehrt dich, deine Heimat zu | |
lieben“ im Netz. Eigentlich waren die Frauen angereist, um ihren | |
Protestsong gegen die Korruption, die ausufernden Kosten, die Zerstörung | |
der Natur für die Spiele vor den olympischen Symbolen in der Stadt zu | |
performen. | |
Nun sind die Sicherheitsbeamten, die die Aktionskünstlerinnen dreimal | |
festgenommen und malträtiert haben, zu den Hauptdarstellern des Clips | |
geworden. Auch die Kosaken, die mit ihren Peitschen auf die Band | |
losgegangen waren, werden in dem Filmchen in all ihrer Brutalität | |
vorgeführt. | |
Der IOC-Sprecher und Chefabwiegler Mark Adams nennt derweil auf der | |
täglichen Pressekonferenz die Bilder der auf die Aktionskünstlerinnen | |
einpeitschenden Kosaken „überaus erschütternd“. Der Gouverneur von | |
Krasnodar habe sich bereits dafür entschuldigt. Mit Olympia habe das nichts | |
zu tun. Doch dann: „Es ist eine Schande, wie die Olympischen Spiele als | |
politische Bühne missbraucht werden.“ | |
## Über Tage drangsaliert | |
Bevor das Video im Netz steht, lädt Nadeschda Tolokonnikowa via | |
[1][Twitter] zu einer Pressekonferenz ein. In 20 Minuten solle man sich im | |
touristischen Zentrum von Adler einfinden. Eine Pressekonferenz im Freien. | |
So stehen sie bald im Hof vor dem Hotel „Goldener Delfin“, umringt von den | |
Journalisten. Sie berichten, wie sie drangsaliert worden sind in den | |
vergangenen Tagen. Trotz einer Übersetzung sind die Frauen kaum zu | |
verstehen. Vier junge Männer halten ein gerupftes Suppenhuhn in die Höhe | |
und schreien unaufhörlich. „Ich bin gegen Sex mit Kindern.“ | |
Eine „Punk-Pressekonferenz“ sei das gewesen, twitterte Tolokonnikowa | |
später. Begleitet werden die vier Störer von einem Mann in einem | |
Hühnchenkostüm. Die fünf mimen eine spontane Gegendemonstration. Die | |
Medienvertreter werden immer wieder von ihnen abgelenkt. Sie gehören zu den | |
organisierten Gegnern von Pussy Riot, die mit dem Ziel unterwegs sind, den | |
Aktivistinnen Pornografie vorzuwerfen. | |
Sie kritisieren eine Kunstaktion, an der vor Jahren auch | |
Pussy-Riot-Mitglieder beteiligt waren. Die Aktionskünstler waren damals in | |
einen Supermarkt eingedrungen und hatten ein Hähnchen aus dem Verkaufsregal | |
genommen. Das schob sich eine der beteiligten Frauen in den Schoß, stülpte | |
ihren Rock darüber und schlich sich so an der Kasse vorbei. | |
Doch wer an diesem Morgen die dumm-dreisten Jungs sieht, erkennt, dass ihre | |
Empörung gespielt ist. Sie wollen nur stören. Dafür hält sich die Polizei | |
zurück. Auch die Krakeeler bleiben unbehelligt, so als gäbe es das von der | |
Regierung erlassene Demonstrationsverbot in Sotschi nicht. | |
## Ein einziges Straflager | |
Die vier Frauen, die zur Pressekonferenz geladen haben, reagieren nicht auf | |
die Störenfriede und berichten von ihrer politischen Agenda. Zu den | |
Peitschenhieben der Kosaken sagt Tolokonnikowa: „Das zeigt sehr gut, wie | |
Russland heute funktioniert.“ Besser hätten sie das selbst nicht darstellen | |
können. „Nur wer nichts gegen die Regierung hat, darf die Olympischen | |
Spiele besuchen“, sagt sie. Mit Freiheit habe das nichts zu tun. Mit | |
Olympia sehr wohl. | |
Seit Tolokonnikowa und Aljochina im Dezember nach einem Amnestieerlass von | |
Staatspräsident Putin nach zweijähriger Lagerhaft freigekommen waren, | |
bezeichnen sie Russland als ein einziges Straflager. Man kann nun spüren, | |
wie existentiell ihr Kampf in Russland ist. „Unser Programm bleibt die | |
politische Aktionskunst“, sagte Aljochina. Am Freitag wollen die Frauen in | |
Moskau Regimekritiker unterstützen, denen dort der Prozess gemacht wird. | |
20 Feb 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://twitter.com/tolokno | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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