# taz.de -- Dopingforscher über Xenon-Manipulation: „Das ist schon eine ganz… | |
> Mario Thevis über die Möglichkeiten des Edelgases Xenon zur Steigerung | |
> der Epo-Produktion, Gefahren für die Sportler und mögliche | |
> Nachweisverfahren. | |
Bild: In Sotschi wurde nicht auf Xenon getestet. Muss man ja auch erstmal drauf… | |
Kaum sind die Olympischen Spiele vorbei, hat der Wintersport seinen | |
Dopingskandal. Laut dem WDR-Magazin „sport inside“ sollen russische | |
Sportler seit Jahren die körpereigene Produktion des Hormons Epo durch | |
Einatmen des Edelgases Xenon angekurbelt haben. Epo hilft beim Aufbau von | |
roten Blutkörperchen und dadurch bei der Sauerstoffaufnahmefähigkeit des | |
Bluts. Es ist von der Weltantidopingagentur (Wada) ausdrücklich verboten. | |
Xenon, dessen Einsatz durch Dokumente des russischen Forschungsinstituts | |
Atom Med Center seit mindestens 2003 belegt ist, steht hingegen nicht auf | |
der Wada-Verbotsliste. | |
taz: Herr Thevis, ist die Behandlung von Sportlern mit einem Gasgemisch aus | |
Xenon und Sauerstoff nun Doping? | |
Mario Thevis: Das kann ich nicht sagen, und diese Einschätzung möchte ich | |
auch der Wada überlassen. Aus der Dokumentenlage geht aber eindeutig die | |
Intention der Gabe hervor. Man wollte etwas zur Regeneration beitragen, | |
ohne das Risiko einzugehen, die Wada-Regeln zu verletzen. | |
Die Forschungen zu Xenon, eigentlich ja ein beliebtes Narkosemittel, sind | |
umfangreich. Da geht es um Verbesserungen der Gedächtnisleistungen nach | |
Operationen. Das Atom Med Center hat auch ein Patent zum Drogenentzug mit | |
Xenon beantragt. Geben die medizinischen Daten tatsächlich ein | |
signifikantes Potenzial zur Leistungssteigerung her? | |
Bislang ist das vor allem eine Hypothese. Wie ich das übersehe, gibt es nur | |
eine Studie, die eine Steigerung der Epo-Produktion nachweist. Diese | |
Erhöhung geht allerdings bis zu einem Faktor 1,6. Und das ist das Ergebnis | |
einer Einmalbehandlung der Testtiere. Das ist schon eine ganze Menge. | |
Gibt es Hinweise auf Gefahren wie vielleicht Krebsentwicklung oder | |
Mutationen? Immerhin wirkt Xenon in diesem Zusammenhang ja auf den | |
Regulierungsfaktor HIF-1, der neben der Sauerstoffzufuhr der Zelle auch die | |
Aktivität von etwa 200 Genen beeinflussen soll. | |
Hierzu gibt es vergleichsweise wenige Informationen; die meisten | |
resultieren aus Studien zum Einsatz von Xenon als Narkosegas, wo | |
anzunehmenderweise andere Dosierungen und therapeutische Maßnahmen | |
vorgelegen haben werden. Inwiefern die Xenon-Gaben, die in den russischen | |
Dokumenten erwähnt wurden, kurz- oder langfristig gesundheitsgefährdend | |
sind, ist sicher von Anästhesisten besser einzuschätzen, in Anlehnung an | |
Erfahrungen aus dem klinischem Einsatz. | |
Wenn die Wada zu dem Schluss kommt, die Xenon-Behandlung sei tatsächlich | |
Doping, hätten Sie dann Ansatzpunkte zu einem Nachweis der Methode? | |
Xenon dürfte keine größeren Herausforderungen darstellen. Man müsste die | |
Probenahme und die Analytik etwas anpassen, aber das sollte möglich sein. | |
Würde Xenon dann vornehmlich im Blut oder im Urin nachgewiesen werden | |
können? | |
Ich denke, man sollte Blutproben bevorzugen. Es gibt aber auch ältere | |
Studien mit Daten zu messbaren Mengen im Urin. | |
Nun sind die Olympischen Spiele vorbei, und die von 2004 und 2006, bei | |
denen die Sportler laut russischer Behörden mit der Behandlung begonnen | |
haben sollen, erst recht. Lässt sich nachträglich über eine Auswertung des | |
Blutpasses, den einige Sportarten ja haben, ein Einfluss von Xenon | |
nachweisen? | |
Dieser Gedanke liegt nahe, und der Nutzen des Blutpasses sollte in diesem | |
Zusammenhang sicherlich überprüft werden. Es sind Veränderungen im Blutbild | |
durch eine Xenongabe zu erwarten. Man müsste diesen Einfluss durch Studien | |
genauer ermitteln, um daraus gegebenenfalls Indikatoren für | |
Xenon-Missbrauch im Sport zu definieren. | |
27 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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