# taz.de -- Gesetzesänderung in Israel: Orthodoxe gegen Wehrpflicht | |
> Hunderttausende demonstrieren gegen die Reform. Auch Weltliche lehnen sie | |
> ab - weil sie keine Gleichstellung aller Bürger vorsieht. | |
Bild: Orthodoxe Juden tanzen beim Massenprotest | |
JERUSALEM taz | Der Kampf von Israels Ultraorthodoxen gegen die Wehrplicht | |
geht kurz vor Verabschiedung der Gesetzesreform in die letzte Phase. | |
Hunderttausende Männer, fast alle in schwarzen Anzügen und mit Hut, legten | |
am Sonntagabend in mehreren Jerusalemer Wohnvierteln den Verkehr lahm. Auch | |
Frauen nahmen an der Kundgebung teil. Mit geziemendem Abstand zu den | |
Männern versammelten sie sich in der für sie von den Rabbinern vorgesehenen | |
Parallelstraße. | |
Nicht um zu demonstrieren, sondern zum Massengebet waren sie gekommen. „Wir | |
wenden uns an Gott, den Gesegneten“, rief einer der Strenggläubigen, bei | |
denen die Gesetzesänderung zur Wehrpflicht apokalyptische Visionen | |
heraufbeschwört. Düster auch das Motto ihrer Gesänge, die von schrecklicher | |
Zerstörung, Angst und Blut, das „wie Wasser“ fließe, handelten. | |
Bis Mitte des Monats soll das Parlament über die neuen Regeln entscheiden. | |
Die Reform ist lange überfällig. Schon vor zwei Jahren hatte der Oberste | |
Gerichtshof in Jerusalem die seit Staatsgründung gültige Freistellung von | |
Talmudschülern für rechtswidrig erklärt. Mit der wachsenden orthodoxen | |
Bevölkerungsgruppe in Israel stieg auch der Unmut derer, die an der Front | |
ihr Leben riskieren, während sich die Frommen daheim ihrem Studium | |
hingeben. | |
## Sonderregellungen nur für die Orthodoxen | |
Jair Lapid, Finanzminister und Chef der Zukunftspartei, hatte das Thema zu | |
einem der Kernpunkte seines Wahlkampfes gemacht. „Der Zionismus hat | |
gesiegt“, bejubelt er nun die künftige Regelung, die nicht nur bei den | |
Ultraorthodoxen auf harsche Kritik stößt. Zwar droht fortan auch den | |
strengreligiösen Rekruten bei Verweigerung Gefängnis, denn das neue Gesetz | |
sieht vor, dass jeder, der dem Einberufungsbefehl nicht Folge leistet, als | |
Deserteur gilt. Dennoch versprechen auch die geplanten Neuregelungen alles | |
andere als gleiche Rechte für alle Bürger. Nur Ultraorthodoxe können sich | |
für mehrere Jahre zurückstellen lassen und nur für Ultraorthodoxe besteht | |
die Alternative des Zivildienstes. | |
„Im Grunde hätten die Wähler der Zukunftspartei die Straßen von Jerusalem | |
blockieren müssen“, schreibt Jair Ettinger in der Zeitung Ha’aretz. Das | |
„Forum für gleiche Belastungen“ spricht vom „Bluff des Jahrhunderts“. … | |
geplante Reform verschlimmere die Kluft bei den Pflichten zusätzlich, sagt | |
Sahara Berger Zur, Sprecherin der Initiative. | |
## Fromme Juden sollen nicht von frommen Büchern ferngehalten werden | |
Nebeneffekt der Reform sollte sein, die Strenggläubigen über den Umweg der | |
Armee in die Gesellschaft und verstärkt in den Arbeitsmarkt zu integrieren. | |
Jetzt sieht sie vor, dass Talmudstudenten die Jeschiwa verlassen können, | |
sich vom Militärdienst zurückstellen lassen und eine Arbeit aufnehmen. | |
Erschwerend kommt außerdem hinzu, dass die Reform erst ab 2017 volle | |
Gültigkeit haben soll. | |
Trotz all der Hintetürchen, die die Politiker aus Sorge vor Konfrontationen | |
den frommen Rekruten offenließen, zürnt der Ultraorthodoxe Sektor. In | |
diesem Punkt sind sich die verschiedenen Strömungen von national bis | |
antizionistisch einig: Es darf nicht sein, dass ein frommer Jude von den | |
frommen Büchern ferngehalten wird. | |
3 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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