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# taz.de -- Bürgerkrieg in Zentralafrika: Herr Yadakpa ist arm dran
> Nach Putsch und Revolten versuchen die Zentralafrikaner ihre
> Institutionen wieder aufzubauen – in geplünderten Ministerialbüros und
> ohne Geld.
Bild: „Die werden für den Job bezahlt“: Soldaten der Friedensmission der A…
BANGUI taz | Als Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza aus ihrer
Limousine steigt, salutieren die Soldaten ihrer Leibgarde mit Gewehr bei
Fuß. Dann schreitet sie über einen roten Teppich ins schmucke
Parlamentsgebäude von Bangui. Auf den ersten Blick wirkt in der Hauptstadt
Zentralafrikas alles wie in einem normalen Staat.
Doch das neue Staatsoberhaupt des Landes ist heute nicht hier, um in dem
Sitzungssaal unter prächtigen Kronleuchtern eine Rede vor der Legislative
zu halten. Statt dessen verharrt sie schweigend am aufgebahrten Sarg eines
Abgeordneten, der im Februar von Milizen ermordet wurde. Anschließend fährt
der Staatskonvoi zum Zentralfriedhof zur Beerdigung.
In Bangui erschien der Staat schon immer als Schauspiel, in dem die Akteure
eine Regierung mimten. Inzwischen ist selbst die Kulisse des Staates
zusammengebrochen. Jetzt muss das Konstrukt „Zentralafrikanische Republik“
künstlich am Leben gehalten werden. Dafür ist die Friedensmission der
Afrikanischen Union (Misca) im Land.
So kontrolliert ein ruandischer Misca-Soldat vor der Ankunft der
Präsidentin penibel jeden Gewehrlauf der Präsidentengarde, ob nicht doch
einer eine Kugel geladen hat. Burundische Misca-Truppen sichern die
Eingangspforten des Parlaments und der übrigen Staatseinrichtungen entlang
des Unabhängigkeitsboulevards, ja sogar des Verteidigungsministeriums. Im
Parlament werden statt Sitzungen Totenfeiern abgehalten. Und bis vor zwei
Wochen standen die Gefängnispforten offen: Die Häftlinge waren ausgebüxt,
weil die Wächter nach Hause gegangen waren.
## Beamte brachten ihre privaten Computer mit zur Arbeit
Die meisten Ministerien in Bangui stehen leer. Kaum einer der Minister von
Samba-Panzas Übergangsregierung ist bisher in seinem Büro erschienen. In
den meisten Ministerien gibt es kaum mehr einen Tisch, keinen Stuhl, Papier
oder Stifte, geschweige denn Computer.
Die muslimischen Séléka-Rebellen hatten bei ihrem Putsch 2013 sämtliche
Einrichtungen geplündert, sogar Steckdosen und Glühbirnen. Mühsam wurden
Teile der Einrichtung daraufhin ersetzt, viele Beamte brachten ihre
privaten Laptops zur Arbeit mit. Als dann im Dezember die
Anti-Balaka-Jugendbanden revoltierten, zogen erneut Plünderer durch die
Ministerien.
„Wir müssen schon wieder bei null anfangen“, sagt Cyrille Yadakpa,
Staatssekretär im Ministerium für Stadtentwicklung. Seine Bürotür ist
mehrfach aufgebrochen worden. In dem kleinen Raum steht nichts mehr außer
Tisch und Stuhl. „Ich komme täglich, um nach dem Rechten zu sehen, damit
man mir nicht auch noch meinen Schreibtisch klaut“, sagt er. Bald werde er
sich die tägliche Anfahrt nicht mehr leisten können – Zentralafrikas
Staatsdiener haben seit sechs Monaten kein Gehalt bekommen.
## Das größte Problem sind die fehlenden Finanzen
Immerhin, im Parlamentsgebäude geht es geschäftig zu. Unbezahlte
Technokraten werkeln emsig daran, ein Budget für das Haushaltsjahr 2014 zu
entwerfen. Vorher gibt es nämlich auch keine Gehälter. „Das Haupthindernis,
unseren Staat wieder funktionstüchtig zu bekommen, sind die fehlenden
Finanzen“, erklärt Lea Koyassoum Doumta, Vizechefin des Übergangsrates.
Die nette ältere Dame rennt derzeit erschöpft von einer internationalen
Partnerorganisation zur nächsten, um Hilfsgelder aufzutreiben. Auf ihrem
Schreibtisch im Parlamentsgebäude türmen sich Akten. Es klopft an der Tür,
ein älterer Mann tritt ein. „Er ist unser wichtigster Mann im Land: Unser
Schatzmeister“, scherzt sie. Der Mann lacht zurück: „Aber die Kasse ist
leer.“
Im Polizeihauptquartier wuseln Beamte in verschiedenen Uniformen durch die
Gänge. Ein neuer Computer druckt Namenslisten aus. Oberstkommissar Henri
Wanzet-Linguissara hat sich Visitenkarten gedruckt. „Ich habe ein wenig
investiert“, sagt er. Er will die Staatsmacht wieder auf die Straße
schicken. Aber: „Wir haben keine Waffen und keine Munition, um die
Staatsgewalt gegen die Jugendbanden tatsächlich durchzusetzen“. Der
UN-Sicherheitsrat hat ein Waffenembargo verhängt. Selbst wenn Geld da wäre,
könnte die zentralafrikanische Regierung legal keine neuen Waffen kaufen.
## Für Sicherheit sorgt keiner
Jetzt ziehen seine Polizisten also los: ohne Gehalt, aber mit Schlagstock.
Anstatt dort für Sicherheit zu sorgen, wo täglich Menschen mit Macheten in
Stücke gehackt werden, stehen sie an den Hauptstraßen im sicheren
Stadtzentrum und kontrollieren Fahrzeugpapiere. Wer keine dabei hat, muss
gleich Strafe zahlen – auch ein Weg, die Gehälter einzutreiben.
Es gibt auch sonst kein funktionierendes staatliches Sicherheitsorgan. Die
wenigen Soldaten der schon immer schwachen Nationalarmee hocken gelangweilt
und unbewaffnet neben ruandischen und burundischen Misca-Soldaten vor den
Staatsgebäuden.
Vor dem Büro des Parlamentschefs schläft ein zentralafrikanischer Soldat in
einem Plastikstuhl, der andere kauert im Blumenkübel. Daneben stehen
ruandische Soldaten stramm, den Finger am Abzug. Als der Protokollchef
vorbeikommt, zischt er die zentralafrikanischen Uniformierten an, Haltung
anzunehmen: „Nehmt euch ein Beispiel an den ruandischen Kameraden. Die
hatten auch mal eine solche Krise in ihrem Land und haben sie mit Disziplin
überwunden.“ Da raunzt der im Blumenkübel zurück: „Die werden für den J…
bezahlt. Wir nicht.“
8 Mar 2014
## AUTOREN
Simone Schlindwein
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