# taz.de -- Der sonntaz-Streit: Ist die deutsche Literatur zu brav? | |
> Rechtzeitig vor der Buchmesse in Leipzig stieß ein Essay in der „Zeit“ | |
> eine Debatte über die deutsche Literatur an. Ist sie wirklich so | |
> langweilig? | |
Bild: Jungautorin bei der Arbeit | |
Florian Kessler ist gelangweilt. Vom deutschen Literaturbetrieb – und ein | |
wenig von sich selbst. Ende Januar veröffentlichte der junge Autor und | |
Literaturkritiker [1][einen Essay in der Wochenzeitung Zeit], in dem er | |
seinen KollegInnen vorwarf, brav und konformistisch zu sein. Mit seinem | |
Artikel stieß er eine Debatte an, die seitdem in den Feuilletons der großen | |
deutschen Tageszeitungen geführt wird. | |
Kessler, der Sohn eines Neurologieprofessors und einer Gymnasiallehrerin, | |
hat an der Uni Heidelberg Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus | |
studiert, die meisten seiner KommilitonInnen dort waren ebenfalls Ärzte- | |
und Lehrerkinder. Die neue Autorengeneration stamme fast ausschließlich aus | |
demselben bildungsbürgerlichen Mileu, kritisiert Kessler. | |
Statt einen eigenen Stil zu entwickeln, lernten sie alle an denselben | |
Literaturinstituten bei denselben DozentInnen. Was dabei herauskomme, seien | |
ein konformistischer Einheitsbrei und junge Autoren, die lieber über den | |
Literaturbetrieb schrieben, als nachts über eigenen Texten zu brüten. | |
[2][In einer Replik] hielt ihm die Jungautorin Nora Bossong Borniertheit | |
vor. Schließlich versinnbildliche er genau den Autorentypus, den er selbst | |
kritisiere – einen jungen Menschen, „der lieber über den Betrieb redet, als | |
sich relevanteren Themen zuzuwenden, und der nur sein unmittelbares Umfeld | |
wahrnimmt, ohne nach links oder rechts zu schauen“. | |
## „Süße, naive Gastarbeitergeschichten“ | |
Auch der Autor Maxim Biller findet die deutsche Literatur „unglaublich | |
langweilig“, ihm fehlen die „lebendigen literarischen Stimmen“ von | |
MigrantInnen. Er schreibt [3][in einem Essay], dass sich selbst AutorInnen | |
mit ausländischer Herkunft der in Deutschland „herrschenden Ästhetik und | |
Themenwahl anpassen“. Texte, in denen das Fremde thematisiert werde, seien | |
meist „süße, naive Gastarbeitergeschichten“. | |
Der Literaturkritiker Ijoma Mangold warf Biller im Gegenzug positive | |
Diskriminierung vor, weil er die AutorInnen nur auf ihre Herkunft | |
reduziere. [4][In der Zeit schrieb Mangold]: „Der Autor mit | |
Migrationshintergrund ist nämlich nicht mehr frei, den Stoff aufzugreifen, | |
der seinen Formvorstellungen den größten Spielraum eröffnet, stattdessen | |
ist seine Herkunft sein literarisches Schicksal!“ | |
Was ist also los mit der deutschen Literatur? Haben deutsche AutorInnen | |
keine spannenden und außergewöhnlichen Geschichten zu erzählen? Fehlt es an | |
kultureller Vielfalt? Ist die deutsche Literatur zu brav? | |
Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten | |
Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der sonntaz vom | |
15./16. März 2014. Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit | |
dem Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des | |
Autors versehen sein. Schicken Sie gerne bis Mittwoch, 12. Februar, eine | |
Mail an: [5][[email protected]] | |
11 Mar 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.zeit.de/2014/04/deutsche-gegenwartsliteratur-brav-konformistisch | |
[2] http://www.zeit.de/2014/06/literaturdebatte-replik-kessler-nora-bossong | |
[3] http://www.zeit.de/2014/09/deutsche-gegenwartsliteratur-maxim-biller | |
[4] http://www.zeit.de/2014/10/erwiderung-maxim-biller-deutsche-gegenwartsliter… | |
[5] /[email protected] | |
## AUTOREN | |
Markus Hensel | |
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Sasa Stanisic | |
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