# taz.de -- Die Wahrheit: Meine Freunde, die Mafiosi | |
> Bonk! Über eine große Fiesta in der Bodega Don Ramon in Sevilla und eine | |
> komplizierte Primzahlformel, die bei Lotterien hilft. | |
Seit sieben Jahren lebte Klara in Sevilla, und seit sechseinhalb Jahren | |
schworen wir ihr, sie endlich zu besuchen. Jetzt heiratete sie, und wir | |
wussten, dass es das Ende dieser wunderbaren Freundschaft wäre, wenn wir | |
auf der großen Fiesta in der Bodega Don Ramon nicht auftauchen würden. | |
Allein, uns fehlten mal wieder die für die Tickets nötigen Kröten, und weil | |
wir niemanden mehr fanden, den wir anpumpen konnten, trafen wir uns zum | |
fälligen Krisengespräch im Café Gum. | |
„Vertraut mir“, sagte Raimund. Er hatte sich bei einem obskuren | |
Internetgaukler eine komplizierte Primzahlformel besorgt, mit der man | |
ausrechnen konnte, bei welcher Lotterie man zu welchem Zeitpunkt welche | |
Zahlen tippen musste, um todsicher zu gewinnen, und herausgekommen war | |
dabei ein Tipp für ein aserbaidschanisches Bergwerkslotto, den er über | |
denselben Gaukler abgegeben und bezahlt hatte. | |
„Vergiss es“, raunzte Theo, „du wirst keine müde aserbaidschanische Penu… | |
– oder wie immer die Währung dort heißt – bei diesem hanebüchenen Zock | |
gewinnen. Wahrscheinlich gibt es diese Lotterie nicht mal.“ | |
„Phh!“, machte Raimund beleidigt: „Habt ihr vielleicht eine bessere Idee? | |
Was sollen wir tun: Mehmets Döner überfallen? Hunderter fotokopieren? Oder | |
Trixi entführen, den geliebten Kläffer von Gräfin Donnersdorff-Schlabrenz?“ | |
Ich wollte nachdenken und stand auf, um draußen eine Runde zu machen. Kaum | |
allerdings hatte ich mich erhoben, vernahm ich ein Geräusch, dass wie | |
„Bonk!“ klang, und schon wurde es dunkel in der Wohnstube meines | |
Bewusstseins. | |
## „Meine Freunde! Das sind meine besten Freunde!“ | |
Als ich wieder zu mir kam, hörte ich Raimunds Stimme. „Unde jetzz“, sagte | |
er mit italienischem Akzent, „werde ich seine Mamma anrufen.“ Ich blinzelte | |
vorsichtig zu ihm hinüber und sah, dass er plötzlich einen Anzug trug, sich | |
die Wangen hamsterhaft ausgestopft hatte und einen kleinen Knüppel, mit dem | |
er mich offenbar bewusstlos geschlagen hatte, verschwinden ließ. | |
„Aber die hat doch auch kein Geld, Don Vito“, sagte Theo, der ebenfalls | |
einen Anzug anhatte. „Nun, für drei Tickets nach Sevilla wird’s schon | |
reichen.“ – „Und wie willst du verhindern, dass sie ihm alles erzählt?�… | |
„Ich werde“, sagte Raimund und lachte dreckig, „ihr ein Angebot machen, d… | |
sie nicht ablehnen kann!“ Und ich dachte: „Meine Freunde! Das sind meine | |
besten Freunde!“, und wurde vor Entsetzen wieder bewusstlos. | |
Als ich das nächste Mal zu mir kam, sahen die beiden wieder aus wie immer. | |
Theo legte mir einen Eisbeutel auf den Kopf. „Ich habe schon hundert Mal | |
prophezeit, das sich jemand an diesem Ding noch mal den Schädel einschlagen | |
wird“, sagte er und zeigte auf ein Regalbrett an der Wand, mit dem ich beim | |
Aufstehen wohl kollidiert war. „Aber immerhin“, sagte Raimund strahlend und | |
hielt sein Telefon hoch, „habe ich während deiner Abwesenheit gute | |
Nachrichten gekriegt: Fünf Richtige im Bergwerkslotto, der Flug ist | |
gebongt!“ Das einzige, was mich irritierte, war dieser leichte italienische | |
Akzent, der in seiner Stimme mitschwang. | |
13 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Joachim Schulz | |
## TAGS | |
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