# taz.de -- Hamburgs Polizei eröffnet ein Museum: Dreiklang mit Serienmörder | |
> Das Hamburger Polizeimuseum will unterhalten, informieren und für den | |
> Beruf des Polizisten werben. Seine Ziele erreicht es dank einer schlauen | |
> Konzeption. | |
Bild: Der Leiter des Polizeimuseums, Ernst Auch, erläutert an einem Tresor die… | |
HAMBURG taz | Museen, die wahrgenommen werden wollen, bemühen sich um eine | |
möglichst gute Erreichbarkeit. Beim neuen [1][Hamburger Polizeimuseum] ist | |
das anders: Kein Schild weist den Weg, kein Parkplatz wartet auf Autofahrer | |
und die nächste U-Bahn-Station ist zehn Minuten Fußweg entfernt. Die | |
Station heißt „Alsterdorf“ und wer von dort zum Hauptbahnhof will, braucht | |
18 Minuten und ein Ticket aus der Kategorie „Großbereich“. | |
Dem Museum vorgelagert ist ein eisernes Tor und ein Pförtnerhäuschen, an | |
dem die Besucher ihren Personalausweis zeigen müssen. Danach geht es an | |
einem Hubschrauberlandeplatz vorbei in eine ehemalige Wehrmachtskaserne aus | |
dem Jahr 1936. Wir befinden uns auf dem Gelände der Landespolizeischule und | |
wenn es der Zufall will, sind das erste, was man hier sieht, Wasserwerfer | |
bei der Einsatzübung. Sympathisch, mag sich mancher Besucher denken, geht | |
anders. | |
Im Foyer des Museums steht Ernst Auch, der Leiter, weißt nach draußen und | |
sagt: „Wir haben die Fenster bewusst offen gelassen. Wir verstehen das als | |
Live-Vitrine.“ Die Schließfächer im Foyer sind an diesem Tag alle belegt, | |
es ist der erste Ansturm nach der Eröffnung des Hauses. | |
Auf jeweils einer Etage werden die drei Themenkomplexe „Polizeigeschichte“, | |
„Kriminaltechnik“ und „Spektakuläre Kriminalfälle“ abgehandelt. Vor a… | |
die „Spektakulären Kriminalfälle“ haben es in die Zeitungen und | |
Fernsehbeiträge geschafft: Zu sehen gibt es beispielsweise die Säge des | |
Serienmörders Fritz Honka, einen Tresor, den der Lord von Barmbeck | |
gesprengt hat, die gefälschten Hitler-Tagebücher oder das Ölfass, in dem | |
1984 die einzementierte Leiche eines Lottogewinners gefunden wurde. | |
Interessanter als die Gruselabteilung ist der Bereich, in dem die | |
Geschichte der Hamburger Polizei von 1814 bis 2001 aufbereitet wird. Im | |
Dezember 2010, als das Polizeimuseum noch in Planung war, führte eine | |
Äußerung des Vorsitzenden des Polizeivereins Dirk Reimers zu Irritationen. | |
Dem NDR sagte Reimers, das Reserve-Polizeibataillon 101 sei „im | |
Grobkonzept“ des Museums „nicht drin“. | |
## Kein Verschweigen | |
Die Linksfraktion und die Hamburger Geschichtswerkstätten glaubten, nicht | |
richtig zu hören: Die Geschichte der Hamburger Reservepolizisten des | |
Bataillon 101 ist bekannt und zweifelsfrei belegt. Das Bataillon war im | |
Sommer 1942 nach Polen geschickt worden, um in den Dörfern Juden | |
aufzuspüren. Die Reservepolizisten erschossen nachweislich 38.000 Menschen, | |
mindestens 45.200 deportierten sie in das Konzentrationslager Treblinka. | |
Wenn die Hamburger Polizei diesen Teil ihrer Geschichte in ihrem Museum | |
ausblenden würde, wäre das Haus nichts weiter als eine lächerliche | |
PR-Veranstaltung. | |
Aber so ist es nicht gekommen. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und seine | |
Taten sind Teil der Ausstellung, auf deren Tafeln Sätze stehen wie: „Von | |
Anfang an ist die Polizei eine loyale Stütze der NS-Diktatur.“ Auch der | |
„Altonaer Blutsonntag“ von 1932 wird thematisiert, auf der | |
Ausstellungstafel heißt es: „Bei dem massiven Polizeieinsatz unter | |
Beteiligung der Hamburger Ordnungspolizei sterben weitere 16 Personen – | |
meist unbeteiligte Passanten und Hausbewohner. Viele weitere werden durch | |
Schüsse der Polizei verletzt“. | |
Ebenso taucht der Hamburger Polizeikessel auf, jener so berühmte wie | |
rechtswidrige Polizeieinsatz am 8. Juni 1986, bei dem auf dem | |
Heiligengeistfeld 800 Demonstranten innerhalb polizeilicher Absperrketten | |
festgehalten wurden. Was natürlich auch nicht fehlt, sind Steine, Zwillen | |
und Molotowcocktails als Anschauungsmaterial für jene Gewalt, wegen der die | |
Polizei im Lauf der Jahre aufgerüstet hat: Bei den ersten gewalttätigen | |
Demos der 1960er-Jahre liehen sich die Polizisten ihre Helme noch bei der | |
Werft Blohm und Voss, mittlerweile sieht die Einsatzmontur aus, als handele | |
es sich um eine Armee aus dem Krieg der Sterne. | |
Museumsleiter Ernst Auch war vor seinem Engagement als Museumsleiter als | |
Kriminalhauptkommissar im Bereich Prävention tätig, er trägt Zivil und | |
sagt: „Wir haben uns bewusst kritisch mit der Polizeigeschichte | |
auseinandergesetzt.“ Ebenso offen benennt Auch, welche Zielsetzung das | |
Museum neben der Information verfolgt: „Wir zeigen die Vielfalt des | |
polizeilichen Berufes unter dem Aspekt der Nachwuchswerbung. Das ist klar.“ | |
## Subtile Werbung | |
Noch bevor man den ersten Raum betritt, liegen die Flyer der aktuellen | |
Kampagne "Gesucht! Polizeinachwuchs" am Eingang bereit – das ist die | |
stumpfe Variante der Nachwuchswerbung. Subtiler geht es zu in der Abteilung | |
„Kriminaltechnik“, in der Kinder und Jugendliche erste Berufserfahrungen | |
als Ermittler machen können: Fünf Tatortszenarien gibt es zur Auswahl und | |
die Besucher dürfen spielerisch Kriminaltechniken wie die DNA-Analytik oder | |
die Daktyloskopie durchprobieren, um den jeweiligen Tätern auf die Schliche | |
zu kommen. | |
Nach der selbst durchgeführten Ermittlung haben die Kinder die Möglichkeit, | |
in einem echten Helikopter und einem echten Polizeiauto Platz zu nehmen. | |
Durch die Windschutzscheiben können sie das Original-Video eines | |
Einsatzfluges bzw. einer Einsatzfahrt sehen. Einen Raum weiter gibt es dann | |
Platz für Besucherkommentare. Ein Junge namens Thore hat geschrieben: „ich | |
wärte wider komen / es hat sbass gemacht / ich wiel auch Polizist werden“. | |
Mit dem Dreiklang aus Gruselgeschichten, historischer Information und | |
Mitmachangeboten für Kinder zielt das Polizeimuseum auf Familien als | |
Kernpublikum. Die Konzeption ist schlau, sie stammt von zwei Düsseldorfer | |
Professoren für Kommunikationsdesign und nicht vom Polizeiverein, der das | |
Museum initiiert hat. Dessen Vorsitzender Dirk Reimers sagte zur Eröffnung: | |
„Mehr Geschichtsbewusstsein und mehr Stolz auf die eigene Tradition wären | |
wünschenswert.“ | |
Man rechne mit bis zu 25.000 Besuchern pro Jahr, sagt Museumsleiter Auch. | |
Wenn sich noch ein paar Schilder finden, die den Weg von der U-Bahn aus | |
weisen, werden es vermutlich mehr werden. | |
## Polizeimuseum Hamburg: Dienstag bis Donnerstag sowie Sonntag, 11 bis 17 | |
Uhr, Carl-Cohn-Straße 39 | |
14 Mar 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.hamburg.de/polizeimuseum/ | |
## AUTOREN | |
Klaus Irler | |
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