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# taz.de -- Polizei-Museum: Dunkle Flecken auf der Schutzweste
> Ab 2012 möchte die Hamburger Polizei ihre erfolgreiche Vergangenheit zur
> Schau stellen - in einem eigenen Museum. Dabei sollen weniger vorzeigbare
> Kapitel allerdings unter den Teppich gekehrt werden.
Bild: Ausstellungsreif: Polizisten halten 861 Anti-Atomdemonstranten bis zu 13 …
Kurz vor Weihnachten hat der Innenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft
am morgigen Dienstag ein heikles Thema auf dem Programm: das künftige
Polizeimuseum auf dem Gelände der heutigen Landespolizeischule in
Hamburg-Alsterdorf. Konzipiert hat das Museum bislang im Alleingang der
Hamburger Polizeiverein, ein Zirkel ehemaliger und aktiver Polizeiführer,
früherer Innensenatoren und ihrer Gefolgschaft. Das Heikle: Wichtige
Epochen der Polizeigeschichte sollen in dem 2012 eröffnenden Haus
ausgeblendet werden. Darunter etwa die Gräueltaten der Polizeibataillone
101 bis 104 sowie des Reserve-Polizeibataillon 101 an Juden während des
Nazi-Regimes in Polen, die Rolle der Polizei beim "Altonaer Blutsonntag"
1932, aber auch der "Hamburger Kessel" 1986.
Die Linksfraktion und die 16 Hamburger Geschichtswerkstätten fordern nun
externe Kompetenz hinzuzuziehen: "Für die Auswahl der Exponate sowie deren
organisationsgeschichtliche Kontextualisierung soll ein wissenschaftlicher
Beirat eingerichtet werden, der die Polizei in allen
geschichtswissenschaftlichen Fragen berät", sagt die innenpolitische
Sprecherin der Linken, Christiane Schneider.
Nach Aussagen des Senats soll in Alsterdorf auf mehr als 1.000
Quadratmetern Fläche soll ein einzigartiges Museum entstehen: In die
Sammlung von Uniformen, Artefakten, Mordinstrumenten, Tatort-Requisiten,
Filmen und Videos sowie kriminaltechnischen Instrumenten soll auch die
5.700 Exponate umfassende polizeiinterne kriminalpolizeiliche
Lehrmittelsammlung einfließen, die 1893 gegründet worden ist und in den
1960 Jahren zum Teil Gegenstand der ZDF-Serie "Das Kriminalmuseum" war. Der
Senat nennt die Sammlung die umfangreichste und polizeihistorisch
wertvollste ihrer Art weltweit und spricht von einer erheblichen
wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung mit hohem
kulturgeschichtlichen Wert.
Sie enthält unter anderem Utensilien und Anzüge des "Lords von Barmbeck",
der ab 1904 Kopf einer Einbrecher- und Verbrecherbande war; die
"Honka-Säge" des Frauenmörder Fritz Honka, der in den siebziger Jahren vier
Frauen umbrachte, die Leichen zerteilte und in die Dachboden seines
Wohnhauses einmauerte; die "Weltkriegs MP des 17-jährigen Elternmörders",
das "Todesfass des Lottokönigs", im das die Leiche eines Lottogewinners
einzementiert wurde, ehe die Täter es in der Alster versenkten; oder die
Schusswaffe, die die Rechtsanwältin Isolde Oechsle-Misfeld 1986 ins
Polizeipräsidium schmuggelte, womit ihr Geliebter und Berufskiller Werner
Pinzner den Staatsanwalt Wolfgang Bistry erschoss sowie seine Frau und sich
selbst hinrichtete.
Anders als die Rolle der Polizei in der Kaiserzeit oder während der
Weimarer Republik sollen etwa die Verbrechen des Reserve-Polizeibataillons
101 unberücksichtigt bleiben: "Das Polizeibataillon ist im Grobkonzept
nicht drin", sagte der Vorsitzende des Polizeivereins, Dirk Reimers, selbst
ehemaliger Polizeipräsident und Staatsrat der Innenbehörde, kürzlich dem
NDR. Dabei ist die Geschichte eben dieser Einheit, für die Beamte
rekrutiert wurden, die zu alt waren für Wehrmacht und Polizeidienst,
ausgeleuchtet: Im Sommer 1942 waren die 500 Mann nach Polen geschickt
worden, um in den Dörfern Juden aufzuspüren. Alte, Kranke, Frauen und
Kinder sollten sofort erschossen werden - die Hamburger Reservepolizisten
erschossen nachweislich 38.000 Menschen, mindestens 42.500 weitere führten
sie dem KZ Treblinka zu.
Aber auch der "Hamburger Kessel" von 1986, in dem 861 Atomkraftgegnern 13
Stunden lang durch die Polizei auf dem Heiligengeistfeld festgehalten
wurden - ohne Verpflegung oder Zugang zu Toiletten - soll im
Ausstellungs-Parcours nicht vorkommen. Ebenso wenig der Hamburger
Polizeiskandal im Jahr 1994: Dabei waren mutmaßliche Drogendealer durch das
Besprühen mit Desinfektionsspray, Schein-Hinrichtungen oder schlicht Prügel
misshandelt worden. Am Ende musste SPD-Innensenator Werner Hackmann
zurücktreten, der heutige Polizeivereins-Chef Reimers, damals
Polizeipräsident, wurde Staatsrat in der Finanzbehörde.
1991 gründete Reimers zusammen mit Landespolizeidirektor Heinz Krappen -
als Mitverantwortlicher des Hamburger Kessels wegen 861-facher
Freiheitsberaubung verurteilt - den "Polizeiverein Hamburg - Vereinigung
zur Förderung des Verständnisses zwischen Bürgern und Polizei". Der sollte
offiziell vor allem Träger der alljährlichen Polizeishow sein, aus der sich
der Verein hauptsächlich finanziert. Von Anfang an allerdings stand die
Einrichtung ein Polizeimuseum ganz oben auf der Agenda.
Der Verein ist bis heute deutlich mit Teilen des Hamburger Polizeiapparats
verzahnt. Zeigte der Verein etwa deutliche Genugtuung, als 2001 der
SPD-Innensenator Helmuth Wrocklage zurücktrat und Polizeipräsident Justus
Woydt (SPD) abgesetzt wurde, gehört Woydts derzeitiger Amtsnachfolger
Werner Jantosch seit langem dazu und ist Ehrenmitglied des Vereinsvorstands
- wie satzungsgemäß jeder Polizeipräsident. Und so findet sich bei
Vereinssitzungen gern der Punkt "Aktuelle Entwicklungen in der Hamburger
Polizei" auf der Tagesordnung: Da berichtet Jantosch dann über den
Austausch von Dienstpistolen, den Einsatz von Polizeiausbilder in
Afghanistan, Georgien und Bosnien, den Aufbau einer Reiterstaffel oder auch
die Videoüberwachung. Das belegen Protokolle, die der taz vorliegen.
Gerade Jantosch hat offenbar ein Fable für das Polizeimuseum: Den Aufbau
der Ausstellung hat er polizeiintern zur Chefsache erklärt. Da dürfte es
ihn gefreut haben, als die Hamburgische Bürgerschaft dem Polizeiverein
350.000 Euro zur Grundsanierung eines Museums zu Verfügung stellte.
Polizeiführung und Polizeiverein, sagt die Linken-Abgeordnete Schneider,
"wollen die rechtsstaatsfeindlichen Kapitel der Hamburger Polizeigeschichte
nach 1945 verschweigen". Polizeipräsident Jantosch und der
Vereinsvorsitzende Reimers seien eindeutig befangen, was die historischen
Fakten angehe, beklagt Schneider. "Das Hamburger Polizeimuseum darf kein
Abenteuerspielplatz mit Blaulicht-Action und auch keine PR-Abteilung der
Polizeiführung werden."
19 Dec 2010
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
Polizei
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