# taz.de -- Sachbuch über Ungarns Rechtsextreme: Herrscher ohne Grenzen | |
> „Schöne Grüße aus dem Orbán-Land“: Ernst Gelegs zeichnet akribisch na… | |
> mit welch fragwürdigen Mitteln Ungarns Premierminister regiert. | |
Bild: Hat ständig 'ne Fahne: Viktor Orbán. | |
„Schöne Grüße aus dem Orbán-Land.“ Mit dieser Floskel pflegt Ernst Gele… | |
der Ungarn-Korrespondent des ORF, seine privaten E-Mails zu schließen. Der | |
ungarische Botschafter in Wien, der über wer weiß welche Quelle über den | |
privaten Mailverkehr des Journalisten informiert war, hielt ihm diese | |
flapsige Formulierung vor, um ihm nachzuweisen, dass er gegenüber der | |
Regierung voreingenommen sei. | |
Für Gelegs, der seit dem Jahr 2000 das Büro des ORF in Budapest leitet, ist | |
dieser Vorwurf ein weiterer Beweis für die Wehleidigkeit der | |
Orbán-Regierung gegenüber jeder Art von Kritik. Ungarn hat sich in den | |
vergangenen vier Jahren dramatisch verändert. | |
Seit Premier Viktor Orbán und seine rechtsnationalistische Fidesz durch die | |
Wahlen 2010 an die Macht kamen, überschlagen sich die Ereignisse. Gelegs, | |
unterstützt von Koautor Roland Adrowitzer aus Brüssel, zeichnet faktenreich | |
nach, wie das Land nachhaltig nach den Vorstellungen des ehrgeizigen | |
Regierungschefs umgestaltet wird. | |
Das Mediengesetz, das kritischen Stimmen immer weniger Freiraum gibt; die | |
Verfassung, die Wertvorstellungen des 19. Jahrhunderts als Leitbilder der | |
Gesellschaft einzementiert; die Sanierung der Staatsfinanzen auf dem Rücken | |
ausländischer Banken, Konzerne und Landwirte. Orbán, der dank einer | |
Zweidrittelmehrheit im Parlament über praktisch unbeschränkte Macht | |
verfügt, lässt keinen Bereich aus, um dem Land für viele Jahre seinen | |
Stempel aufzudrücken. | |
Er hievt Vertrauensleute in Schlüsselpositionen, die noch in der | |
übernächsten Regierungsperiode im Amt sein werden, versucht in die Justiz | |
einzugreifen und lenkt Profite seiner unorthodoxen Wirtschaftspolitik in | |
die Taschen seiner Getreuen. | |
## Der größte Profiteur von EU-Fördermitteln | |
Und wenn der Verfassungsgerichtshof gegen ein Gesetz einschreitet, lässt er | |
die umstrittenen Passagen – ätsch! – in Verfassungsrang heben, um sie dem | |
Zugriff der Verfassungshüter zu entziehen. Nur den Einspruch der EU gegen | |
Gesetze, die dem europäischen Wertekanon widersprechen, kann er nicht immer | |
parieren. Mehrmals musste Orbán zurückstecken und rächte sich für die | |
Schmach mit wütenden Tiraden gegen die Eurokratie, die in Ungarn gerne mit | |
der Zwangsjacke Moskaus im Kommunismus gleichgesetzt wird. Dass Ungarn, | |
gemessen an seiner Wirtschaftskraft, der größte Profiteur von | |
EU-Fördermitteln ist, erfahren die Ungarn nicht. | |
Gelegs hat auch schon die desaströsen acht Jahre unter den | |
sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Péter Medgyessy und Ferenc | |
Gyurcsány beobachtet. Den Vorwurf, die Verfehlungen dieser Zeit zu | |
beschönigen, muss er sich nicht gefallen lassen. Es ist ihm aber auch nicht | |
entgangen, wie Orbán aus der Opposition durch gezielte Sabotage der | |
Regierungspolitik den Machtwechsel strategisch vorbereitete. | |
All die Mittel, die Orbán gegen die sozialistische MSZP in Stellung | |
brachte, stehen einer Opposition heute nicht mehr zur Verfügung. Sie wurden | |
abgeschafft oder so eingeschränkt, dass sie nun unpraktikabel sind. Etwa | |
das Erzwingen von Volksabstimmungen gegen unpopuläre Maßnahmen der | |
Regierung. Und das Wahlgesetz wurde inzwischen so hingetrimmt, dass bei den | |
bevorstehenden Wahlen vom 6. April nichts schiefgehen kann, auch wenn die | |
regierende Fidesz die Stimmenmehrheit verlieren sollte. | |
Wer an einer kompakten Darstellung der Ereignisse interessiert ist und die | |
Auseinandersetzungen, die Ungarn noch bevorstehen, verstehen will, sollte | |
dieses Buch lesen. | |
23 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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