# taz.de -- SPD auf der Suche nach Anerkennung: Sozis sollen Sozis toll finden | |
> Die SPD bolzt in der Regierung ein Thema nach dem anderen durch. Dumm | |
> nur: Die Leute lieben Merkel. Da braucht es etwas Imagepflege. | |
Bild: „Mehr in den Mittelpunkt möchtest du? Jaja...“ | |
Eine Lokalzeitung brachte neulich eine Karikatur, die herrlich ausdrückt, | |
was Sozialdemokraten heimlich zur Weißglut treibt. Sigmar Gabriel steht auf | |
einer Bühne, Schweiß auf der Stirn, er jongliert mit vielen Bällen. Angela | |
Merkel steht still daneben und formt mit ihren Händen die berühmte Raute. | |
Und das Publikum? Jubelt Merkel zu. | |
Als aufrechter Sozialdemokrat kann man ja wirklich die Krise kriegen. Es | |
ist wie verhext: Die gute alte Tante SPD setzt in der Regierung ein | |
Großthema nach dem anderen durch. Sie performt auf Teufel komm raus. | |
Mindestlohn, Rente mit 63, Mietpreisbremse: Man wird den Eindruck nicht | |
los, dass Gabriel die Kabinettssitzungen der Einfachheit halber ins | |
Willy-Brandt-Haus verlegt hat, um von dort die Republik mit sozialen | |
Wohltaten zu beglücken. | |
Dumm nur, dass seine wilde Jonglage niemanden interessiert. Die störrischen | |
Deutschen finden einfach weiter diejenigen besser, die in der Großen | |
Koalition unauffällig agieren. Merkel rangiert in den Beliebtheitsrankings | |
unangefochten vorn, ihr Strahleimage scheint unankratzbar, während Gabriel | |
traditionell auf den hinteren Plätzen landet. Unter seinen Beratern | |
kursiert deshalb die interessante These, dass der SPD-Vorsitzende in den | |
Medien am besten wegkommt, wenn er sich rarmacht, also gar keine Interviews | |
gibt. Von Merkel lernen: Sie hat Unschärfe als Erfolgsmodell | |
perfektioniert. | |
Auch die Umfragen treiben den Sozialdemokraten Wuttränen in die Augen. Wie | |
eingemauert sitzen sie in ihrer 25-Prozent-Nische, während die CDU satt | |
über 40 Prozentpunkten liegt. Die Kluft zwischen realem Erfolg und | |
Publikumserfolg ist also riesengroß. Und führende SPD-Strategen definieren | |
es als wichtigste Aufgabe, beides in Übereinstimmung zu bringen. „Die Leute | |
müssen wieder verstehen, was von den Sozis kommt“, sagt ein | |
Vorstandsmitglied. | |
## Die Gefühlslagen der Partei | |
Die Parole „Imagepflege“ wurde vom Chef persönlich ausgegeben. Gabriel | |
telefoniert fast täglich mit den SPD-Ministern im Kabinett, um | |
Sprachregelungen und Kurs abzustimmen. In einem internen Beschluss benennt | |
der Parteivorstand zwei „zentrale Ziele“ für das Regieren in der Großen | |
Koalition. Erstens: Die Inhalte der SPD müssten erkennbar sein und die | |
Partei müsse Themen, die sie ihren Wählern versprochen hat, auch liefern. | |
Zweitens: Bei alledem müssten Mitglieder und Partei beteiligt werden. | |
Das Kalkül ist offensichtlich. Gabriel will unbedingt vermeiden, dass sich | |
die Partei vom Regierungshandeln entfremdet wie unter Gerhard Schröder. Dem | |
Exkanzler, der behauptete, er brauche zum Regieren nur Bild, BamS und | |
Glotze, waren die Gefühlslagen der Partei schnurz. | |
Eine Volte der Gabriel’schen Strategie wird sich am Sonntag in Berlin | |
beobachten lassen. Die SPD lädt zu einer Regierungskonferenz ein. Für alle, | |
die sich fragen, was das ist, liefert die Pressestelle handfeste Antworten. | |
Unter dem wegweisenden Titel „Die SPD regiert. Das Land kommt voran“ werden | |
Bundespolitiker, Ministerpräsidenten und Bürgermeister „wichtige | |
gesellschaftliche Fragen und die zukünftige Entwicklung guter SPD-Politik | |
in Regierungsverantwortung diskutieren.“ | |
Kurz: Sozis unterhalten sich mit Sozis darüber, wie toll Sozis sind. Dieses | |
Setting, das an Sitzungen des DDR-Ministerrats erinnert, verspricht einige | |
Spannung. So werden zum Beispiel bei einem Panel Olaf Scholz (SPD) mit | |
Heiko Maas (SPD) und Thomas Oppermann (SPD) über ein „Deutschland in | |
besserer Verfassung“ diskutieren. Es moderiert: Hubertus Heil, auch SPD. | |
Komisch? Klar. Manche Versuche der SPD, mit der Gesellschaft neu ins | |
Gespräch zu kommen, wirken unbeholfen. Dennoch wäre es allzu billig, sich | |
darüber lustig zu machen. Denn die Idee bleibt grundsätzlich richtig. Die | |
SPD leidet bis heute unter dem Vertrauensverlust durch die Agenda 2010, | |
ihre Mitgliederzahlen sind dramatisch gesunken. Wenn der Vorstand sich | |
vornimmt, Mitgliedsrechte zu verbessern und die Partei stärker in die | |
Gesellschaft öffnen, ist das der einzige Weg, um eine kranke Volkspartei zu | |
retten. Dafür verzeiht man gerne mal etwas peinliche | |
Selbstbeweihräucherung. | |
3 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
## TAGS | |
SPD | |
Sigmar Gabriel | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Sebastian Edathy | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Klimagipfel zur Energiewende: Die Industrie freut's auch | |
Überraschende Einigung beim EEG-Gipfeltreffen: Wind und Biomasse werden | |
stärker ausgebaut. Damit gab Sigmar Gabriel Forderungen der Länder nach. | |
100 Tage Große Koalition: Geht das gut? | |
Merkel wägt gerne ab, ist vorsichtig und nüchtern. Gabriel prescht gerne | |
vor, ist impulsiv und emotional. Trotz allem haben sie einiges gemeinsam. | |
SPD und der Fall Edathy: Der Undankbare | |
Die SPD ist in der Zwickmühle. Während Sigmar Gabriel sich auf eine | |
moralische Verurteilung Edathys festlegt, verteidigt der sich streng | |
juristisch. |