# taz.de -- Krise in der Ukraine: Krimtataren werden nicht autonom | |
> Die Regierung der Krim lehnt ein autonomes Gebiet für die Krimtataren ab. | |
> Finanzminister Schäuble wehrt sich indes gegen Kritik des Kremls, er sei | |
> ein Provokateur. | |
Bild: Heiligtum der Krimtataren: Die Kuppel des Khanpalast von Bachtschyssaraj | |
MOSKAU afp | Nach der Eingliederung der Krim in die Russische Föderation | |
lehnt die Regierung der Schwarzmeer-Halbinsel ein autonomes Gebiet für die | |
Minderheit der Krimtataren ab. Die muslimische Volksgruppe könne lediglich | |
„kulturelle Autonomie“ beanspruchen, sagte Krim-Vizeregierungschef Rustam | |
Temirgaljew am Donnerstag der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti. | |
Vertreter der Krimtataren streben dagegen ein Referendum über ihre | |
weitgehende Autonomie an. Am [1][Volksentscheid] auf der Krim vom 16. März, | |
bei dem sich eine überwältigende Mehrheit der Teilnehmer für die Loslösung | |
von der Ukraine und die Eingliederung in die Russische Föderation | |
aussprach, beteiligten sich die meisten Krimtataren nicht. Der geistliche | |
Führer der Krimtataren, Mustafa Dschemilew, sagte bei einer Sitzung des | |
UN-Sicherheitsrats Anfang der Woche, 5000 Tataren hätten die Halbinsel | |
bereits verlassen. Dschemilew ist Abgeordneter im ukrainischen Parlament, | |
und viele Krimtataren wollen Teil der Ukraine bleiben. | |
Von den rund zwei Millionen Bewohnern der Krim sind schätzungsweise 300.000 | |
Angehörige der tatarischen Minderheit, die in den Jahren des Stalinismus | |
diskriminiert wurde. Eine Tataren-Versammlung ist für den 15. April | |
einberufen. | |
Der russische Präsident Wladimir Putin sprach sich am Dienstag für die | |
vollständige Rehabilitierung der Tataren als „Opfer Stalins“ aus. Er werde | |
dafür sorgen, dass alle offenen Fragen angegangen würden, sagte Putin in | |
einem vom Fernsehen übertragenen Gespräch mit dem Präsidenten der autonomen | |
russischen Republik Tatarstan, Rustam Minnichanow. Gleichzeitig versprach | |
er Investitionen in die „soziale Infrastruktur“ für die Krimtataren, etwa | |
in Schulen und Kindergärten. | |
Die Mitglieder des Turkvolks wurden unter dem Diktator Josef Stalin als | |
„Nazi-Kollaborateure“ verfolgt und nach Zentralasien zwangsumgesiedelt. | |
Erst zum Ende der Sowjetunion durften die Krimtataren in ihre Heimat | |
zurückkehren, doch warten sie bis heute auf ihre Rehabilitierung und damit | |
auch auf Entschädigungen. | |
## Schäuble verteidigt sich | |
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verteidigt indes seine | |
umstrittenen [2][Äußerungen] zur Ukraine-Krise. Er habe niemanden mit Adolf | |
Hitler verglichen, sagte er in der ARD-Sendung „Beckmann“ am | |
Donnerstagabend. „Ich bin doch nicht so blöd, dass ich Hitler mit jemandem | |
vergleiche.“ Er habe lediglich Schülern die Situation rund um die | |
Krim-Krise erklärt, woraus dann ein Satz isoliert veröffentlicht worden | |
sei. | |
Schäuble hatte bei der Veranstaltung zu Wochenbeginn Parallelen zwischen | |
Russlands Vorgehen auf der Krim und der Annexion des Sudetenlandes 1938 | |
durch Nazi-Deutschland gezogen. Mit Blick auf ein mögliches Szenario hatte | |
er den Schülern gesagt: „Das kennen wir alles aus der Geschichte. Mit | |
solchen Methoden hat schon der Hitler das Sudetenland übernommen - und | |
vieles andere mehr.“ | |
Dennoch beschwerte sich Russland bei der Bundesregierung offiziell über | |
Schäuble. Der Protest wurde am Donnerstag dem neuen deutschen Botschafter | |
in Moskau, Rüdiger Freiherr von Fritsch, bei einem Termin im | |
Außenministerium übermittelt. Dazu erklärte das Moskauer Ministerium: „Wir | |
halten solche Art pseudohistorischer Exkurse des deutschen Ministers für | |
eine Provokation.“ | |
## 25 Ukrainer festgenommen | |
In Russland wurden nach einem Bericht eines kremlnahen Fernsehsenders 25 | |
Ukrainer unter Terrorverdacht festgenommen. Die mutmaßlichen Attentäter | |
hätten bereits Anschläge auf Militäreinrichtungen in mehreren russischen | |
Gebieten geplant, berichtete der Kanal NTV unter Berufung auf den | |
Geheimdienst. Die Männer, darunter drei Mitglieder des | |
ultranationalistischen Rechten Sektors, sollen einen Auftrag des | |
ukrainischen Geheimdienstes bestätigt haben. | |
Als Reaktion auf das vorläufige [3][Einfrieren der militärischen | |
Zusammenarbeit] der Nato mit Russland beorderte Moskau zudem seinen | |
ranghöchsten Armeevertreter beim Bündnis in die Heimat zurück. | |
Generaloberst Waleri Jewnewitsch kehre zu Beratungen nach Moskau zurück, | |
sagte Vizeverteidigungsminister Anatoli Antonow nach Angaben der Agentur | |
Interfax. „Die Politik der künstlichen Anheizung der Lage ist nicht unsere | |
Entscheidung. Aber wir sehen keine Möglichkeit, die Kooperation mit der | |
Nato in bisherigem Umfang fortzusetzen“, sagte Antonow. Die Entscheidung | |
der Nato nach dem Anschluss der Krim an Russland werfe die gemeinsame | |
Arbeit um Jahre zurück. Aus Protest gegen die Ukraine-Politik des Kreml | |
hatte die US-Raumfahrtbehörde Nasa zudem demonstrativ einen großen Teil | |
ihrer Zusammenarbeit mit Russland gestoppt. | |
Die ukrainische Führung machte unterdessen den entmachteten Präsidenten | |
Viktor Janukowitsch für die tödlichen Schüsse auf Dutzende Regierungsgegner | |
in Kiew verantwortlich. Der Schießbefehl sei auf dessen Anweisung hin | |
gegeben worden, sagte der neue Geheimdienstchef Valentin Naliwaitschenko. | |
Bei den Unruhen in der Ukraine waren an verschiedenen Tagen rund 100 | |
Menschen getötet worden, darunter nicht nur Regierungsgegner sondern auch | |
Milizionäre. Der neuen Regierung in Kiew war eine mangelnde Aufklärung der | |
Vorfälle vorgeworfen worden. Russland hatte behauptet, die damalige | |
Opposition habe selbst Scharfschützen eingesetzt, um den Funken der | |
Revolution zu zünden. | |
4 Apr 2014 | |
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