# taz.de -- Filmstart „Transcendence“: Hirn ohne Hüter | |
> Ein Gehirn hochladen? Kein Problem! Einen Film daraus machen? Schon eher. | |
> Wally Pfisters „Transcendence“ mit Johnny Depp ist eine eher müde Nummer. | |
Bild: Johnny Depp als Will Caster in „Transcendence“. | |
Will Caster (Johnny Depp) ist der Inbegriff eines zerstreuten Professors. | |
Beinahe zu schüchtern, um sich vor die Tür seines schnuckeligen | |
Bay-Area-Bungalows zu wagen, zu abgelenkt, um die Schweißflecken in der | |
Achselhöhle zu bemerken, und zu edelmütig, als dass er sich für so etwas | |
Profanes wie die kommerzielle Verwertbarkeit seiner Forschung | |
interessierte. Und woran arbeitet sein Superhirn? An einem Superserver | |
namens PINN, der ausschaut wie der Korridor zu den Fahrstühlen in einem | |
Designhotel. | |
Mit der Hilfe von PINN soll es gelingen, eine künstliche Intelligenz zu | |
erzeugen, die selbständig denken und empfinden kann. Doch einer Gruppe | |
grimmig dreinblickender, an Technikphobie leidender Terroristen gefällt das | |
nicht. Einer von ihnen fragt Caster bei einem Vortrag, ob er sich mit | |
seinem Projekt nicht zu Gott aufschwinge. | |
Caster antwortet zwar freundlich: „Das ist eine gute Frage“, doch das | |
besänftigt den Grimmigen nicht. Der Professor wird von einer radioaktiv | |
kontaminierten Kugel niedergestreckt. Kaum hat „Transcendence“, das | |
Regiedebüt des Kameramannes Wally Pfister, begonnen, siecht der Protagonist | |
seinem Ende entgegen. | |
Ein erstes Indiz dafür, dass Pfister sich nicht lumpen lässt, was Haken und | |
Volten im Plot anbelangt. Caster hat eine junge, schöne, ebenfalls sehr | |
schlaue Gattin, Evelyn (Rebecca Hall), und die schickt sich an, das Gehirn | |
ihres Mannes hochzuladen, bevor der seinen letzten Atemzug tut. Das | |
Experiment gelingt, das Gehirn überlebt im Rechner. Dass die leibliche | |
Hülle nicht mehr existiert, stört recht wenig, denn Evelyn lässt sich auf | |
etwas ein, was wie eine via Skype geführte Fernbeziehung aussieht. | |
Außerdem geht Casters Superhirn online, sodass es sich mit allem und jedem | |
vernetzt, Passwörter knackt und hackt, was das Zeug hält. Sein digitales | |
Reich lappt umso weiter in die analoge Welt hinein, je mehr Schnittstellen | |
es sich schafft – mit anderen Menschen, mit Regentropfen oder auch mit hoch | |
agilen, schwarzen Staubkörnern. Emsig arbeitet Caster daran, mithilfe von | |
Nanotechnologie und von avancierten 3-D-Druckern seinen Körper | |
wiederherzustellen. | |
## Keine gute Beziehungsgrundlage | |
Nur: Ist das nun wirklich noch der freundliche, zerstreute Will Caster? | |
Oder seine böse, machtgeile Emanation? Obwohl Evelyn so schlau sein soll, | |
braucht sie ziemlich lange, um sich diese naheliegende Frage zu stellen. | |
Etwa so lange wie der gefürchtete slow Joe in the last row. Zweifel kommen | |
ihr erst, als Will von einem seiner Screens herab ihren Hormonspiegel | |
analysiert. Da merkt auch Evelyn: Das ist keine gute Grundlage für eine | |
Beziehung auf Augenhöhe. | |
Hilfe, Hybris, rufen also die Bilder laut und vernehmlich, während sich der | |
Plot Versatzstücke von Western, Zombie- und Actionkino einverleibt, ohne | |
sein eigenes B-Movie-Potenzial zu erkennen. Irgendwann koaliert das FBI mit | |
den Terroristen, weil es sich um die Zukunft der Menschheit sorgt. | |
Suspension of disbelief sieht anders aus, und von der umtriebigen NSA | |
scheint Pfister noch nie gehört zu haben. | |
Als Kameramann – vor allem für Christopher Nolans Filme wie die | |
„Dark-Knight“-Trilogie – hat Pfister es immer wieder geschafft, | |
düster-dystopische Szenarien visuell auszugestalten. Als Regisseur hat er | |
nicht das Zeug, sein digital-analoges Crossover adäquat in Szene zu setzen. | |
Das Geisterhafte, das er seinem Stoff entlocken könnte, verfehlt er. Der | |
ständigen Erscheinungen Johnny Depps auf gläsernen Screens wird man schnell | |
überdrüssig. Und so aufdringlich Pfister auch zur Schau stellt, dass sich | |
Technologie missbrauchen lässt, so wenig Mut hat er, seine dystopische | |
Sache konsequent durchzuziehen. Am Ende bekommen sogar noch die Superhirne | |
Asyl in der Wasserlache. | |
23 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Cristina Nord | |
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