# taz.de -- Paradigmenwechsel im Stillen: Auf Wunsch der Kirchen | |
> Zum nächsten Schuljahr soll das neue Unterrichtsfach „Religion“ | |
> eingeführt werden. Die Bildungsbehörde informiert darüber allerdings nur | |
> auf Nachfrage. | |
Bild: Der neue Bremer Religionsunterricht soll die Verständigung fördern. | |
BREMEN taz | Dialogorientiert soll das neue Fach sein, schreibt die | |
Bildungsbehörde in ihrem Entwurf des Bildungsplans „Religion“ für die | |
Klassen 1 bis 13 an Bremer Schulen. Die Dialogbereitschaft der Behörde | |
selbst zu dem Thema ist begrenzt – findet der bildungspolitische Sprecher | |
der CDU, Thomas vom Bruch. Nur zufällig hat er erfahren, dass der | |
„bekenntnismäßig nicht gebundene Unterricht in Biblischer Geschichte auf | |
allgemein christlicher Grundlage“, wie er in der Bremer Landesverfassung | |
genannt wird, schon in drei Monaten Geschichte sein soll. | |
Zum kommenden Schuljahr werde das Fach – abgekürzt BGU – durch „Religion… | |
ersetzt, bestätigt Christina Selzer, Sprecherin von Bildungssenatorin Eva | |
Quante-Brandt (SPD). Die Kritik, diese habe weder die Öffentlichkeit noch | |
die FachpolitikerInnen der Bildungsdeputation darüber informiert, weist sie | |
zurück. „Es ist nicht üblich, einen Bildungsplan in einer so frühen Phase | |
der Deputation vorzustellen.“ | |
Anderen wurde er allerdings vorgestellt. Der religionspolitischen | |
Sprecherin der Grünen etwa, Kirsten Kappert-Gonther. Sie habe ihn von der | |
Behörde bekommen – und findet ihn „hervorragend“. | |
Das sagt auch Manfred Spieß, Religionspädagoge an der Universität Bremen | |
und Vorsitzender des Fachverbands der Religionslehrkräfte im Land Bremen. | |
Seit über 20 Jahren kämpft er für eine qualitative Verbesserung des | |
Unterrichtsfachs und war einer der ersten in Bremen, der forderte, den BGU | |
zeitgemäß, also mit Blick auf die wachsende Zahl von Muslimen und | |
Nichtgläubigen, zu gestalten. Er lehnte auch von Anfang an die Vorstellung | |
der Kirchen und der CDU ab, stattdessen ein eigenes Fach Islamkunde | |
einzuführen – weil der Unterricht der Verständigung dienen solle. Dieses | |
Ziel, so Spieß, finde sich im neuen Bildungsplan wieder, den er im Januar | |
als Mitglied einer ExpertInnenkommission zu Gesicht bekam. Auch die | |
Religionsgemeinschaften gehörten dieser an. | |
## "Geräuschlose" Änderung | |
Die Empörung des CDU-Politikers vom Bruch über die Informationspolitik der | |
Bildungssenatorin kann Spieß dennoch verstehen. „Es geht um einen | |
Paradigmenwechsel, darüber muss ausführlich gesprochen werden.“ Nur weil | |
das Thema so lange so kontrovers diskutiert wurde, hieße das nicht, dass | |
man es „geräuschlos“ beenden könne. | |
Die Sprecherin der Bildungssenatorin versichert, dass demnächst | |
SchulleiterInnen und Fachlehrkräfte informiert werden sollen. Parallel muss | |
sich die Senatorin mit der Schura, dem Dachverband der meisten muslimischen | |
Vereine in Bremen, verständigen. Die lehnt den Entwurf auch nach seiner | |
Überarbeitung ab. „Wir finden uns darin nicht wieder“, sagt der | |
Schura-Vorsitzende Ismail Baser. Was genau das Problem sei, will er nicht | |
sagen. „Wir haben jetzt erst noch ein Gespräch mit der Senatorin.“ | |
Grundsätzlich hatte die Schura – auch unter Basers Vorsitz – das Vorhaben | |
eines gemeinsamen Unterrichts stets begrüßt. | |
Möglicherweise ist ihr der Bildungsplan zu allgemein gehalten, Lehrkräfte | |
können entscheiden, auf welche Aspekte der Religionen sie eingehen. Dafür | |
hebt der Bildungsplan die Einordnung der Religionen in ihren | |
zeitgeschichtlichen Kontext hervor, Heilige Schriften sollen als | |
interpretierbar verstanden werden. Und er fordert eine | |
„Wissenschaftsorientierung“. | |
## Einigung mit Schura offen | |
Ob der Bildungsplan auch umgesetzt werde, wenn die Schura ihn weiter | |
ablehne, sagt die Sprecherin der Bildungssenatorin nicht:„Wir sind | |
überzeugt, dass es eine Einigung geben wird“, so Christina Selzer. | |
Diskutieren soll den Entwurf jetzt auch noch ein zu gründender Beirat. Laut | |
rot-grünem Koalitionsvertrag vom 28. Juni 2011 soll dieser „mit Beteiligung | |
der großen Religionsgemeinschaften die Entwicklung dieses Unterrichts | |
begleiten“. Selzer nennt den Grund, warum es den Beirat nicht gibt: „Die | |
Senatorin hat mit den Kirchen abgesprochen, dass er erst eingerichtet wird, | |
wenn der Bildungsplan fertig ist.“ | |
Am Freitag berichtet die Senatorin in der Deputation auf Wunsch der CDU zum | |
Thema. | |
Offen ist die Frage, ob die Schulen zukünftig mehr FachlehrerInnen | |
einstellen werden und was passiert, wenn sich kopftuchtragende Lehrerinnen | |
bewerben. Das Bremer Schulgesetz verbietet das Tuch. Die Grünen, die anders | |
als die SPD versuchen, eine Position zu finden, hätten dies noch nicht | |
geschafft, so Kappert-Gonther. | |
20 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
## TAGS | |
Religionsunterricht | |
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
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