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# taz.de -- Angolas Star Bonga Kuenda: „Ich bin nicht der edle Wilde“
> Bonga Kuenda war einst die Stimme des angolanischen Befreiungskampfes.
> Heute blickt der Sänger erneut mit Skepsis auf sein Heimatland.
Bild: Nachdenklich: Angolas Musiklegende Bonga.
Der Mann ist eine Legende. Zwei Alben, „Angola 72“ und „Angola 74“, bei…
nach ihrem Erscheinungsjahr benannt und in den Niederlanden entstanden,
haben seinen Ruhm begründet. Dabei war zumindest das erste Album ein
absoluter Schnellschuss: „Wir sind morgens um acht ins Studio und abends um
acht wieder raus und die Platte war fertig – an einem einzigen Tag“,
erinnert sich Bonga und schmunzelt: „Der Mann, der sie aufnahm, wusste
nicht, was ich da sang. Hätte ich ihm gesagt, wovon die Texte handelten,
hätte es ’Angola 72‘ wahrscheinlich nie gegeben.“
Denn die Lieder, die von der Armut in Angola, vom harten Leben unter
portugiesischer Herrschaft und vom Los des Exils handelten, waren brisant.
Bonga hatte Angola 1965 verlassen, um in Portugal als Sportler Karriere zu
machen, er brach unter anderem den Landesrekord im 400-Meter-Lauf. Doch
weil er mit Angolas Befreiungsbewegung sympathisierte, musste er
untertauchen und vor der berüchtigten Geheimpolizei des Salazar-Regimes in
die Niederlande fliehen. Dort traf er auf eine große kapverdische
Community, die ihre eigenen Plattenlabels besaß. „Wenn man sich am
Wochenende zu einem Gläschen traf, sang man“, erzählt der 72-Jährige. „D…
Mann, der die kapverdischen Musiker produzierte, Djunga di Biluca, war
sofort Feuer und Flamme, als er mich hörte: Welche Stimme! Wie Ray Charles!
Er wollte das sofort aufnehmen.“
Die Aufnahmen verbreiteten sich wie ein Lauffeuer und machten Bonga zur
Stimme des angolanischen Unabhängigkeitskampfs. „Es gab Leute, die
nichtsahnend mit der Platte im Gepäck nach Luanda flogen und dort auf dem
Flughafen festgehalten wurden“, weiß Bonga zu berichten. „Man war
gezwungen, die Hülle auszutauschen, um die Platte ins Land zu schmuggeln.“
Der Künstlername Bonga Kuenda ist selbst gewählt. Er ist wie die bunten
Hemden, die er auf der Bühne trägt, ein Symbol der kulturellen
Selbstbehauptung. In seinem Pass steht noch immer sein Taufname, José
Adelino Barcelo de Carvalho.
Die traditionellen Rhythmen Angolas, Semba und Kizomba, hat Bonga
allerdings mit der Muttermilch aufgesogen. Der Vater war Akkordeonist und
spielte Rebita, die Musik der Fischer aus den Armenvierteln von Luanda.
Noch mehr prägte ihn aber die Großmutter, erzählt Bonga: „Ob sie die Wäsc…
gewaschen, geputzt oder gekocht hat, sie hat immer gesungen. Man konnte in
diesen Liedern fühlen, ob sie traurig oder fröhlich war. Manche dieser
Lieder habe ich später aufgenommen, weil sie mich an meine Jugend
erinnerten.“
Nach der „Nelkenrevolution“ von 1974 entließ Portugal seine afrikanischen
Kolonien in die Unabhängigkeit. Bonga kehrte nach Angola zurück, blieb aber
nicht. „Ich bin im Ausland geblieben und habe von dort meine Botschaften
gesendet. Ich habe über das Angola gesungen, das ich mir wünsche, ein
friedliches und brüderliches Land.“ Aus der Ferne verfolgte er, wie das
Land in einen Bürgerkrieg abglitt.
## Von der einfachen Bevölkerung entfremdet
Einmal gab er ein Aussöhnungskonzert, vor 80.000 Menschen. Bis heute kehrt
er von Zeit zu Zeit zurück, um dort aufzutreten. Doch sein Verhältnis zu
den Machthabern bleibt distanziert. Er wirft ihnen vor, sich durch ihre
Öl-Milliarden und Privatflugzeuge von der einfachen Bevölkerung entfremdet
zu haben. Denn vom aktuellen Wirtschaftsboom, der auf vier Jahrzehnte
Bürgerkrieg folgte, profitieren nur wenige. Bonga versteht sich deshalb
immer noch als Mahner – nur, dass sich die Adressaten geändert haben. „In
der Kolonialzeit waren es die Kolonialisten, und jetzt sind wir es selbst.“
Auch mit Kuduro, dieser Fusion aus LoFi-Elektronik und angolanischen
Rhythmen, die derzeit weltweit Furore macht, kann er wenig anfangen. „Sie
wissen, der Sohn des Präsidenten macht in Kuduro. Also haben sie Geld, es
zu promoten“, lacht er und fügt ernst hinzu. „Es gab zu jeder Zeit Leute,
die solche Dinge gemacht haben. Es gab Leute wie Eduardo Nascimento, der
Rock gemacht hat, nach Portugal gezogen ist und das Land sogar beim Grand
Prix d’Eurovision vertreten hat. Es gab die Five Kings, die die Amerikaner
kopiert haben. Das ist die Jugend. Aber all diese Trends kommen und gehen.“
Die Semba aber bleibe, zeigt er sich überzeugt: „Das ist unser
afrikanischer Blues, unser Gospel.“
Den Vorwurf des Konservatismus weist er von sich: „Ich bin nicht der edle
Wilde, der in seiner Ecke verharrt.“ Als Beleg führt er seine
Zusammenarbeit etwa mit französischen Musikern an. Aber er beharrt darauf,
immer er selbst geblieben zu sein. „Man wollte mich in ein gefälligeres
Format pressen, aber ich wollte mir nicht zu viele Geigen vorschreiben
lassen.“
Sein letztes Album „Hora Kota“, zu Deutsch „Die Stunde der Älteren“, i…
vor zwei Jahren erschienen. Ein luftiger Bass, Gitarre und sanfte
Percussion umwehen Bongas sonoren, rauchigen Gesang. Auf dem Album feiert
er den [1][Karneval], das kreative Chaos und die Straßenkultur, er spricht
aber auch die sozialen Probleme Angolas an. Nicht jedem dort gefällt diese
Kritik, weiß Bonga: „Wenn ich dort auftrete, dann spiele ich immer Stücke
daraus. Die Leute applaudieren, sie singen und tanzen mit, und wenn ich
Autogramme gebe, stehen sie Schlange. Aber im Radio werden diese Stücke
nicht gespielt.“
24 May 2014
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=ejy5nC2P1Zo
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Angola
Bürgerkrieg
Folter
DDR
Mosambik
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