# taz.de -- Stigmatisierung von Schulen droht: Behörde publiziert Gewaltzahlen | |
> Weil die „Bild“-Zeitung Druck machte, nennt Ties Rabe alle Schulen, an | |
> denen es zu gefährlicher Körperverletzung kam. | |
Bild: Gewalt an Schulen: Im Hamburg gab es von Januar 2013 bis April 2014 rund … | |
HAMBURG taz | SPD-Schulsenator Ties Rabe hat eine Liste der Schulen | |
vorlegt, die von Januar 2013 bis April 2014 eine gefährliche | |
Körperverletzung meldeten. Insgesamt gab es 44 Vorfälle an 32 Schulen. Eine | |
Schule meldete vier Taten, eine andere drei, die anderen Meldungen | |
verteilen sich relativ gleichmäßig auf die übrigen Standorte. Einen Anstieg | |
gab es nicht. In 2012 wurden 49 Fälle gemeldet. | |
Christian Böhm, der Leiter der 16-köpfigen Beratungsstelle | |
Gewaltprävention, hält die Veröffentlichung für falsch. „An den Schulen, | |
die mehrere Meldungen haben, hatten wir kürzlich unsere Fortbildungen“, | |
berichtet er. Präventionsarbeit führe zu einer „Kultur des Hinschauens“ u… | |
dazu, dass Schulen mehr Fälle meldeten. „Es gibt dort keine | |
Mehrfachtätergruppen.“ | |
Auch die Elternkammer wandte sich explizit gegen dieses Ranking. „Wir | |
befürchten, dass diesen Schulen ein Stempel aufgedrückt wird und künftig | |
keiner mehr hinschaut“, sagte Vorstandsfrau Claudia Wackendorff. | |
Doch die Bild-Zeitung hatte die Behörde aufgefordert, die schulgenauen | |
Zahlen zu nennen. Eine juristische Prüfung habe ergeben, dass man durch | |
Presse- und Transparenzgesetz dazu verpflichtet sei, sagte Rabe. Doch statt | |
die Liste nur einer Zeitung zu geben, gab er sie nun allen. | |
Hamburgs Schulen sind seit 1997 dazu angehalten, Gewalt zu melden, seit | |
2009 wird dies über einen „Meldebogen“ erfasst. Der unterscheidet in zwei | |
Arten: | |
In Kategorie I fallen „anzeigepflichtige Gewalttaten“, zu denen auch | |
Sexualdelikte, schwerer Diebstahl, Handel mit Cannabis oder eben die | |
besagte „gefährliche Körperverletzung“ zählen. Als gefährlich gilt diese | |
Tat, wenn ein Opfer von mehreren gemeinsam oder mit Gegenständen wie | |
Glasscherben, Stöcken und Scheren traktiert wurde. | |
Hiervon unterscheidet man die „einfache Körperverletzung“, die durch Tritte | |
oder Schläge eines Einzeltäters geschieht. Diese zählt im Meldebogen zur | |
Kategorie II, in der auch Delikte wie Handydiebstahl, Sexualbeleidigung, | |
Zerstörung von Schuleigentum und das Anzünden von Papierkörben gelistet | |
sind. Von dieser Art Fälle wurden seit 2009 jedes Jahr mehr gemeldet, im | |
Schuljahr 2012/13 kam es zum Rekord von 882 Meldungen (siehe Kasten). | |
„Diese Steigerung bei den leichten Fällen ist ein Erfolg“, sagte | |
Landesschulrat Norbert Rosenboom. Weil es zeige, dass die Schulen sich | |
öffnen und Prävention ernst nehmen. „Auf der gefährlichen Ebene gibt es | |
keine Steigerung.“ | |
Es gebe seit Jahren den Streit, ob wirklich die Gewalt steigt oder | |
„Dunkelfeldaufhellung passiert“, sagte Ties Rabe. Er selbst hatte 2009 als | |
Oppositionspolitiker übrigens eine Reihe schriftlicher Anfragen zum Thema | |
gestellt, in denen er auch Schul- und Stadtteilzahlen verlangte. Als seine | |
Vorgängerin Christa Goetsch (Grüne) diese verweigerte, weil sie auch | |
Stadtteile nicht stigmatisieren wollte, warf die SPD ihr vor, „das Ausmaß | |
von Gewalt an Hamburger Schulen zu verharmlosen“. | |
Die nun von Rabe veröffentlichte Liste wird wohl nicht die letzte sein. Er | |
gehe davon aus, dass man künftig „trennscharf“ diese Zahlen öffentlich | |
darlegen müsse. Dabei sollen Polizei und Innenbehörde helfen. | |
In der Liste befinden sich neben Stadtteil-, Berufs- und Sonderschulen auch | |
acht Grundschulen. Gerade bei jüngeren Schülern sei es schwierig, | |
„altersgemäße Rangeleien von Fällen einfacher Körperverletzung | |
abzugrenzen“, sagte Rabe. Weil Kinder noch nicht strafmündig sind, wurden | |
die Vorfälle nicht juristisch präzise erhoben. | |
Das soll sich nun ändern. Auch Grundschulen sollen die Polizei einschalten, | |
wenn die Schwere der Tatfolgen oder andere Umstände dies nahelegen. Dazu | |
werde eine neue Richtlinie diskutiert, sagt sein Sprecher Peter Albrecht. | |
Insgesamt wertet die Behörde die Zahl von 44 Taten im Verhältnis zu rund | |
220.000 Schülern als „gering“. Auffällig ist, dass kein Gymnasium dabei | |
ist. Rabe sagte, er könne sich nicht vorstellen, dass es „bei 50.000 | |
Gymnasiasten, die 39 Wochen im Jahr zusammenkommen, zu keiner gefährlichen | |
Körperverletzung kommt“. | |
Christian Böhm wies darauf hin, dass diese Schüler anders streiten, ein | |
Thema sei Mobbing im Internet. „Da gibt es unschöne Szenen“, wusste Rabe zu | |
berichten. „Oft leiden Kinder still vor sich hin.“ | |
25 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Sandra Scheeres | |
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