# taz.de -- Dissidenten in China: Prominenter Bürgerrechtler verhaftet | |
> Er hat über Jahre Oppositionelle als Anwalt vertreten. Jetzt wird Pu | |
> Zhiqiang wegen „Unruhestiftung“ angeklagt. Ihm droht eine lange | |
> Haftstrafe. | |
Bild: Pu Zhiqiang, hier bei einem Interview im Jahr 2010. | |
BERLIN taz | Bis zuletzt hatten Pu Zhiqiangs Freunde gehofft, dass der | |
50-jährige Jurist zum Wochenende aus dem Polizeigewahrsam nach Hause | |
zurückkehren könnte. Doch nun ist zu befürchten, dass sich Pu, einer der | |
prominentesten Bürgerrechtsanwälte Chinas, auf eine lange Gefängnisstrafe | |
gefasst machen muss. | |
Am Freitagabend gab die Pekinger Polizei auf ihrem Mikroblog in einer | |
Kurzmeldung bekannt, dass Pu vor Gericht gestellt werden soll. Er werde | |
wegen „provozierter Unruhestiftung“ und „rechtswidriger Beschaffung von | |
Informationen über Personen“ angeklagt. Im chinesischen Internet reagierten | |
viele Leser bestürzt, die Zensur löschte ihre zornigen Kommentare schnell | |
wieder. | |
Pu gehörte zu fünf Bürgerrechtlern, die am 6. Mai von der Polizei | |
festgesetzt worden waren. Sie hatten sich zuvor in einer Wohnung zum | |
Gedenken an die Tiananmen-Demonstrationen und ihr blutiges Ende am 4. Juni | |
1989 getroffen. Ein Foto des Treffens hatten sie ins Internet gestellt. Die | |
anderen Festgenommenen kamen nach wenigen Tagen frei. Am Freitag endete die | |
37-Tage-Frist, nach der die Polizei nach chinesischem Recht Festgenommene | |
wieder gehen lassen oder Anklage erheben muss. | |
Was sich genau hinter den gegen Pu erhobenen Beschuldigungen verbirgt, ist | |
noch nicht bekannt. Der 87-jährige Zhang Sizhi, ebenfalls Anwalt und Freund | |
des Verhafteten, hatte den diabeteskranken Pu letzte Woche besuchen dürfen. | |
Er berichtete, dass Pu nach bis zu zehnstündigen Verhören gesundheitlich | |
angeschlagen sei. | |
Pu gehört zu jenen kritischen Intellektuellen Chinas, die sich nach dem 4. | |
Juni 1989 entschlossen, im Land zu bleiben. Freundlich, aber beharrlich | |
pocht er seither auf die von der chinesischen Verfassung garantierten | |
Rechte – und scheut sich nicht, politisch unliebsame Probleme aufzuspießen. | |
So setzte er sich etwa für die Abschaffung des Systems der „Umerziehung | |
durch Arbeit“ ein, nach dem die Polizei jeden ohne Gerichtsurteil bis zu | |
vier Jahre in Arbeitslager sperren konnte. Zuletzt griff Pu ein besonders | |
heikles Thema auf: die außerhalb des Justizsystems existierenden | |
Gefängnisse und als „Shuanggui“ bekannten Folterzellen und Verhörpraktiken | |
der Kommunistischen Partei. JUTTA LIETSCH | |
15 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Jutta Lietsch | |
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