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# taz.de -- Salud y pesetas: Ökonomie bestimmt Medizin
> Auf einem Symposium stellen zwei Wissenschaftler ihre Befragung von
> Klinik-Angestellten vor: Die sagen, wie Gewinnoptimierung PatientInnen
> gefährdet.
Bild: Eine Klinik mit Herz ist fit für einen Superdeal
BREMEN taz | Nett fing es an, das Symposium, zu dem Joachim Larisch vom
Zentrum für Sozialpolitik geladen hatte, mit schönen Worten von
Gesundheitssenator Hermann Schulte-Sasse (parteilos): Er artikulierte
Gedanken zum Veranstaltungsthema „Die Ökonomisierung der Medizin“ –
ausgehend von der These, es habe nie einen ökonomiefreien Raum der Medizin
gegeben. Diese habe immer auch wirtschaftliche Gesichtspunkte beachten
müssen.
Dennoch müsse ein Arzt jeden „optimal behandeln können – auch wenn sich
eine Therapie nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen
befindet“, so der Senator. Doch da ist Skepsis angebracht. Das zeigte der
gemeinsame Vortrag von Karl-Heinz Wehkamp, Professor für Medizinethik in
Hamburg, und des Gesundheitsökonomen Hein Naegler, der 25 Jahre lang im
Krankenhausmanagement tätig war.
Die beiden hatten, allein aus Forscherneugier, ohne Auftrag und ohne
finanzielle Förderung, Interviews mit Klinik-Angestellten geführt. Thema:
„Ökonomisierung der Medizin – Ursachen, Instrumente, Folgen“. Auch wenn …
selbst wirtschaftliches Handeln nicht per se als problematisch bewerten,
wurde aus ihren ersten 20 Pilotinterviews deutlich, wie verheerend die
Folgen sind, wenn das unternehmerische Denken das medizinische bestimmt.
## Ärzte unter Druck
Keinesfalls repräsentativ sei die Studie, so Wehkamp, der zehn Jahre auf
einer gynäkologischen Station in Bremen gearbeitet hatte, bevor er 1992 in
die Wissenschaft wechselte. Aber das, was ihnen die zehn
Vorstandsvorsitzenden und zehn ÄrztInnen großer Kliniken – zehn
PflegerInnen sollen jetzt folgen – gesagt hätten, decke sich mit den vielen
Gesprächen, die sie im Laufe ihres Berufslebens mit
KrankenhausmitarbeiterInnen geführt hätten.
„Es gab ein großes Bedürfnis, über das Thema zu reden“, sagte Wehkamp.
Teilweise habe es heftige emotionale Reaktionen gegeben. Einen Wutausbruch
beispielsweise, als es um die Behandlung von Kindern ging. Weil für diese
oft nur wenige Studien vorliegen, die den Kriterien der evidenzbasierten
Medizin genügen, würden die Kassen vieles nicht zahlen. Den Kindern würden
daher Therapien vorenthalten oder sie würden sie erst verzögert erhalten,
wenn der Kampf mit der Krankenkasse ausgefochten sei.
Fast alle Befragten hätten geäußert, dass sie das, was sie Wehkamp und
Naegler erzählt hätten, „eigentlich nicht hätten sagen dürfen“. Tatsäc…
werfen die Schilderungen ein schlechtes Licht aufs deutsche
Krankenhauswesen. Statt der Frage, „welche Leistungen müssen wir erbringen
und wie viel Personal brauchen wir“, gehe es nur danach, wie viele Stellen
finanziert werden.
## Betriebswirtschaftliche Kriterien der Indikation
Dass es wegen der Personalknappheit zu wenig Zeit für Gespräche und Kontakt
zu PatientInnen gibt, mag kein Geheimnis sein. Karl-Heinz Wehkamp
schilderte aber auch, wie aufgrund von Zeitdruck Therapien begonnen würden,
bevor die Diagnose gestellt ist, und „gleich die schwere Munition
aufgefahren“ würde, statt einen Krankheitsverlauf länger zu beobachten.
Und obwohl die Befragten alle zunächst sagten, Indikationen würden frei von
betriebswirtschaftlichen Überlegungen gestellt, zogen viele im Laufe der
Interviews diese Aussage wieder zurück, sagte Naegler. „Man macht dann noch
einen sensibleren Test, um einen Herzkatheter legen zu können“, sei eine
beispielhafte Aussage gewesen.
Oder: „Es gibt drei Arten von Lebertransplantationen“, erklärte Naegler,
„am stärksten gestiegen ist die Anzahl der Art, die die längste
Beatmungszeit nach sich zieht“: Lange Beatmungen bringen viel Geld. Folge:
Menschen blieben länger an der Maschine als medizinisch vertretbar. Um den
Mangel an geplant eingewiesenen PatientInnen zu kompensieren, würden mehr
stationär aufgenommen, die in die Notfallambulanz kämen, hätten die
Befragten berichtet.
## Verlustbringer Kinderheilkunde - weg damit!
Was eher Verluste einbringe – wie beispielsweise die Kinderheilkunde oder
die Geburtshilfe – werde abgestoßen, so die Erfahrung der
InterviewpartnerInnen. Wenn investiert werde, dann in die Bereiche, die
Geld bringen: „Herz und Hüfte“. Viele ChefärztInnen werden laut Naegler v…
Geschäftsleitungen unter Druck gesetzt, mithilfe von Zielvereinbarungen. Er
persönlich kenne sogar zwei MedizinerInnen, die ihren Job verloren haben,
weil sie diese Planvorgaben nicht einhielten.
Das bisherige Fazit der Untersuchung: Wer von ÄrztInnen unternehmerisches
Handeln verlange, müsse sie auch in die Lage dazu versetzen. Stattdessen
würden sie „alleine gelassen mit diesen Interessenskonflikten“, so Naegler.
Nötig sei eine „gesellschaftliche Diskussion über die Art der Medizin, die
bezahlt werden soll“.
In Bremen muss diese spätestens geführt werden, wenn der Senat sich
festlegt, welche Bereiche an den Bremer Kliniken im Verbund der Gesundheit
Nord (Geno) geschlossen oder zusammengelegt werden. Die Zielrichtung davon
lässt sich aus einem Zitat von Senator Schulte-Sasse schon erahnen. Es
stammt aus einer Mitteilung vom März 2014: „Es ist für den Senat
unstrittig“, heißt es da, „dass eine strenge Priorisierung von Projekten
erforderlich ist, bei der sich die Geno auf solche Investitionen
konzentrieren muss, die aus medizinischen Gründen geboten sind und im
Verhältnis zu den Kosten die stärkste Ergebniswirkung versprechen.“ Nicht
„oder“, sondern „und“.
23 Jun 2014
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
Gesundheit
Ökonomie
Universität Bremen
Klinik
Klinik
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