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# taz.de -- Diskussion um Tierhaltung in Zoos: Streit um des Bären Fell
> Wegen eines neuen Säugetiergutachtens ist der Verband Deutscher
> Zoodirektoren verärgert. Ein Zoo in Wien zeigt, wie man Eisbären richtig
> hält.
Bild: Nimmt an der Debatte nicht teil: Eisbär in Wien.
WIEN/MÜNSTER taz | Da guckt Eisbärin Lynn erst einmal misstrauisch: Gerade
ist ein Fisch von oben direkt vor ihrer Nase in den großen Pool gefallen,
aber um an den Leckerbissen zu gelangen, müsste die zweijährige Bärendame
nun ins Wasser springen und danach tauchen.
Etwas zögerlich stellt sie eine Tatze in den flachen Uferbereich, weicht
wieder zurück, schaut erneut sehnsüchtig in die Tiefe, wo es verlockend
silbrig-fischig schimmert, dann nimmt sie einen großen Satz und springt
kopfüber hinein in den rund 400.000 Liter fassenden Salzwasserteil der
neuen Eisbär-Anlage „Franz Josef Land“ im Wiener Tiergarten Schönbrunn.
Von oben sieht man noch kurz die beiden Hinterbeine mit den riesigen Pfoten
senkrecht in die Höhe ragen, dann taucht der Bär vollständig ab. Von unten
sind begeisterte Schreie von Kindern zu hören. Durch eine große Scheibe
können sie beobachten, wie die Bärin und ihr Partner Ranzo direkt vor ihrer
Nase nach dem Fisch tauchen.
Aber so tapsig die Bewegungen auch wirken, die Beute wird zielsicher
geortet und geschnappt. Inzwischen scheint Lynn auch Gefallen an dem Bad
gefunden zu haben, sie dreht noch einige Runden, bevor sie wieder an Land
klettert und sich wie ein riesiger nasser Hund trockenschüttelt, zum
Entzücken der Besucher, die von oben auf die neue Eisbärwelt schauen.
## Väter sind nicht erwünscht
Immerhin 1.700 Quadratmeter misst diese und bietet den Pelztieren eine
reichlich strukturierte Miniatur-Anmutung ihrer arktischen Heimat: Sand-,
Wildwiesen-, Totholz- und Tundrakiesflächen wechseln einander ab,
Kunstfelsen bieten Sichtschutz, Klettermöglichkeiten und Verstecke. Die
Pools und Wasserläufe, die durch das Gehege ziehen, führen teils Süß-,
teils Meerwasser, bieten tiefe Bereiche zum Schwimmen und flache zum
Herumpatschen.
Wenn später mal Nachwuchs ins Haus steht, kann die Anlage durch versteckt
eingebaute bewegliche Felsbrücken geteilt werden und somit einen separaten
Mutter-Kind-Bereich bieten, denn der Eisbär pflegt seine eigenen
Vorstellungen von Familienglück, ein Vater bei der Erziehung gehört nicht
dazu.
Elf Millionen Euro hat sie gekostet, die modernste Eisbär-Anlage Europas,
die Ende Mai in Wien eröffnet wurde. Mit ihrer Fläche und Ausstattung liegt
sie erheblich über den neuen „[1][Mindestanforderungen an die Haltung von
Säugetieren]“ (pdf), die in Deutschland kurz zuvor veröffentlicht wurden.
Dennoch stoßen diese auf heftige Kritik der deutschen Zoos, weil darin auch
Forderungen zur Haltung vieler Arten, darunter auch Eisbären, erhoben
würden, die unter den derzeitigen räumlichen und finanziellen
Rahmenbedingungen gar nicht erfüllt werden könnten.
## Jahrestagung des Verbands Deutscher Zoodirektoren
Am Wochenende traf sich der Verband Deutscher Zoodirektoren (VDZ) in
Münster zu seiner Jahrestagung. Die Zoologen sind schon darüber verärgert,
wie das Säugetiergutachten überhaupt zustande kam. Denn die Bundesregierung
als Auftraggeberin hat sich um eine Art paritätische Besetzung der
Kommissionen bemüht und keineswegs nur Zoo-Fachleute und Wissenschaftler
eingebunden, sondern auch Tierschutzverbände wie etwa die schließlich mit
federführende Splittergruppe „Animal Public“, die sich generell das Ende
jeder Zootierhaltung auf die Fahnen geschrieben hat. Ein sinnvoller
Kompromiss über Mindestanforderungen an die Tierhaltung sei aber nur schwer
zu finden mit Menschen, die ohnehin dagegen seien.
Am Ende ging es bei den Verhandlungen zu wie auf einem Basar, beklagen die
Zoos. Die Tierhaltungsgegner hätten wissenschaftlich nicht untermauerte
Maximalforderungen gestellt, wobei es ihnen gar nicht um das Tierwohl gehe,
sondern darum, die Anforderungen so hoch zu schrauben, dass sie möglichst
nicht mehr erfüllt werden können. Um auf diese Weise den Zoos maximal zu
schaden, konzentriere die Gegenseite sich auf bei Besuchern besonders
populäre und damit Einnahmen bringende Arten wie Menschenaffen, Elefanten,
Delfine - und eben Eisbären.
Die Tierschutzverbände wiederum argumentieren, Eisbären seien überhaupt
nicht artgerecht haltbar. In der Natur haben die Tiere ein riesiges
Streifgebiet von mehreren zehntausend Quadratkilometern, dem könne man in
keiner Haltung gerecht werden. Die Folge seien eine erhöhte
Jungtiersterblichkeit sowie zwanghafte Verhaltensstörungen, sogenannte
Stereotypien, die zwangsläufig entstünden.
## Eisbären mit klugen Konzepten beschäftigen
Das sei Unsinn, argumentiert dagegen etwa der Stuttgarter Zoodirektor
Thomas Kölpin. Im Zoo könne man allen Anforderungen, die ein Eisbär an
seine Umwelt stelle, gut auf vergleichsweise kleinem Raum gerecht werden.
Außerdem sollten Mindestanforderungen ja eine Grenze festlegen, unterhalb
derer die Haltung nicht mehr mit dem Tierschutzgesetz in Einklang steht,
keineswegs definieren sie einen Wunschzustand, die sogenannte „best
practice“. Dass sich alle Zoos so moderne Anlagen wie in Wien wünschen, sei
ja klar, nur müssen diese eben finanziert und können deshalb erst nach und
nach entwickelt werden.
Auch der Wiener Bärenkurator Harald Schwammer betont, dass die Größe nicht
entscheidend ist. Wichtig sei vielmehr, die Eisbären mit klugen Konzepten
zu beschäftigen, das sogenannte Enrichment, um das sich in Schönbrunn ein
mehrköpfiges Team aus Pflegern und Biologen kümmert. Die Eisbären liefen ja
schließlich nicht zum Spaß durch die Gegend, sondern weil sie wegen der
harschen Bedingungen gezwungen seien, weit aufs Packeis hinauszugehen, um
dort Robben zu jagen. Denn wegen der Klimaerwärmung schmelzen die
Packeisfelder dahin, die Wege zu den begehrten Robben werden immer länger.
Es droht das Aussterben.
Die Zoos verstehen ihre Pfleglinge daher als Botschafter für die prekäre
Lage in ihrer Heimat. In Wien werden die Besucher durch einen Tunnel unter
der Eisbäranlage in den „Polardom“ geführt, wo sie in einer interaktiven
und multimedialen Ausstellung über Klimaerwärmung und die Ökologie der
Polargebiete informiert werden. So soll ein Bewusstsein für die Gefährdung
der Eisbären geweckt werden.
25 Jun 2014
## LINKS
[1] http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/Tier/Tierschutz/Guta…
## AUTOREN
Heiko Werning
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