# taz.de -- Zum Tod von Christian Führer: Wendepfarrer mit Weste | |
> Dass die Revolution in der DDR friedlich verlief, ist auch ihm zu | |
> verdanken: Christian Führer starb am Montag im Alter von 70 Jahren. | |
Bild: Christian Führer öffnete „seine“ Kirche im Wendeherbst. Auch viele … | |
BERLIN taz | Die Jeansweste. Ohne sie ging Christian Führer selten aus dem | |
Haus. Sie wirkte an dem Mann wie festgewachsen. Und er sah darin aus wie | |
jemand, der alles sein konnte, nur nicht das, was er sein Leben lang war: | |
Pfarrer. | |
Er trug die Weste, als er im Herbst 1989 „sein Haus“, die Nikolaikirche in | |
Leipzig, für DDR-Regimekritiker und Montagsdemonstranten öffnete und so | |
dazu beitrug, dass die Wende in der DDR friedlich verlief. Er trug sie, als | |
er deswegen bundesweit bekannt wurde und im TV auftrat. Er trug sie noch, | |
als er 2008 in den Ruhestand ging. Er trug sie bis zum Schluss seines | |
Lebens. Am Montag ist Christian Führer an einer Lungenkrankheit gestorben. | |
Er wurde 71 Jahre alt. | |
Er litt schon länger an einer Lungenfibrose, die das Atmen zunehmend schwer | |
macht. Deshalb konnte er vor einer Woche den Deutschen Nationalpreis, den | |
er für seine Wendeverdienste verliehen bekam, in Berlin nicht selbst | |
entgegennehmen. | |
Wer Christian Führer traf, durfte sich auf einen klugen, humorvollen und | |
empathischen Menschen freuen. Auf jemanden, der mit den Menschen redete und | |
nicht predigte. Vielleicht lag es an genau dieser Art, dass sich ab 1982 | |
jeden Montag immer mehr Menschen in der Kirche in der Leipziger Innenstadt | |
versammelten, um Christian Führer zuzuhören. Am Ende kamen selbst unzählige | |
Leute, die mit Kirche nicht viel am Hut hatten. Es darf vermutet werden, | |
dass Christian Führer in den Wendewirren sogar mehr Atheisten als Christen | |
anzog. | |
Vielleicht war das genau seine Idee. Zumindest hatte er 1986 ein Schild an | |
der Eingangstür angebracht: „Offen für alle“. In jener Zeit war die | |
Nikolaikirche mehr ein Ort des Widerstands als ein Gotteshaus. Zwei Jahre | |
später, in der Zeit, als in Berlin viele Frauen und Männer nach einer | |
Liebknecht-Luxemburg-Demo verhaftet worden waren, weil sie den | |
Luxemburg-Satz „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“ | |
propagierten, hielt er Fürbitten für die Inhaftierten. Das war gelebte | |
Rebellion. | |
Nach der Wende setzte er sich zunächst für Arbeitslose ein, später gegen | |
Hartz IV. Daraus wurden erneut Montagsdemos. Und Christian Führer trat auf, | |
wie er es immer tat: in Jeansweste. | |
30 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
## TAGS | |
Wende | |
Leipzig | |
DDR | |
Montagsdemos | |
DDR | |
Leipzig | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Buch über Rebellion in der DDR: Die Harmlosigkeit einer Revolution | |
Wie ein paar junge Leute das bornierte System des „Sozialismus“ in Leipzig | |
ins Wanken brachte, erzählt das neue Buch von Peter Wensierski. | |
Streit ums Leipziger Einheitsdenkmal: Verordnetes Einheitsgedenken | |
In Leipzig stößt das geplantes Einheitsdenkmal auf wenig Akzeptanz in der | |
Bevölkerung. Die Bevölkerung kann mit der bunten Patchwork-Fläche nur wenig | |
anfangen. | |
Dokudrama "Wunder von Leipzig": Viele Helden, keine Schüsse | |
Starke Interviews, tolle Archivbilder, unhampelige Akteure: Das Dokudrama | |
"Wunder von Leipzig" ist stimmig arrangiert. (Do., 20.15 Uhr, MDR) |