# taz.de -- Flüchtlinge in Berlin-Kreuzberg: „Ein elementarer Fehler der Gr�… | |
> „Ohne Regeln geht es nicht“: Die frühere Ausländerbeauftragte Barbara | |
> John über Probleme der Grünen bei der Betreuung von Flüchtlingen. | |
Bild: Können mal wieder zu Hause schlafen: Unterstützer der Flüchtlinge in d… | |
taz: Frau John, der Streit um die Gerhard-Hauptmann-Schule in | |
Berlin-Kreuzberg, die seit Monaten von Flüchtlingen besetzt wird, hält die | |
Stadt seit Tagen im Atem. Ein grüner Baustadtrat des Bezirks hatte am | |
Montag die Räumung gefordert, jetzt scheint es einen Kompromiss zu geben. | |
Sind die Grünen an der Realität gescheitert? | |
Barbara John: Das Leben in einer Gemeinschaft und in einem Rechtsstaat | |
funktioniert nicht ohne Regeln und Strukturen, und darauf legen die Grünen | |
als Partei ja auch sonst zu Recht viel Wert. Aber diese Menschen, die aus | |
Ländern gekommen sind, wo solche Strukturen fehlen, und die sich zum Teil | |
seit vielen Jahren einfach nur durchschlagen, die hat man einfach sich | |
selbst überlassen. Das konnte von Anfang an nicht gut gehen. In dem Moment, | |
wo der Bezirk die Besetzung zugelassen oder geradezu dazu aufgefordert hat, | |
hat man Verantwortung für das Leben und das Wohlergehen dieser Menschen | |
übernommen. Und diese Verantwortung ist nicht wahrgenommen worden. Das ist | |
ein elementarer politischer Fehler, das ist sonnenklar. | |
Was hätten die Grünen denn machen müssen? | |
Man kann nur das zusagen, was man auch umsetzen kann. Den Grünen im Bezirk | |
ist natürlich bewusst, dass sie Bundesgesetze nicht ändern und sie weder | |
Aufenthalts- noch Bleiberecht vergeben können. Aber sie haben offenbar | |
geglaubt, wenn wir nur genügend Druck ausüben und genügend Leute mitmachen, | |
dann können wir vielleicht den Senat damit erpressen. Aber auch das musste | |
scheitern. | |
Könnte Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) den Flüchtlingen in der | |
Schule nicht ein Bleiberecht anbieten, um den Konflikt zu entschärfen? Auf | |
die Flüchtlinge, die bis vor Kurzem am Oranienplatz in Kreuzberg campiert | |
haben, ist der Senat ja zugegangen. | |
Ein Bleiberecht ist auch ihnen nie angeboten worden, ich war ja bei den | |
Verhandlungen dabei. Der Senat hat lediglich gesagt: Wir erkennen an, dass | |
ihr hier einen Antrag stellen könnt, und wir werden den überprüfen. Denn | |
die meisten dieser Menschen halten sich vermutlich gar nicht legal in der | |
Stadt auf, sondern haben woanders schon legal gelebt. Genau das Gleiche ist | |
auch den Flüchtlingen in der Hauptmann-Schule angeboten worden. Aber da | |
sind zum Teil Leute darunter, die bereits zum zweiten Mal abgelehnt worden | |
sind. Die rechnen sich keine andere Chance mehr aus und setzen jetzt alles | |
auf eine Karte. Das ist die Situation, mit der man jetzt fertig werden | |
muss. | |
Hätte man Ihrer Meinung nach schon früher mit einer Räumung drohen müssen? | |
Ich war zweimal in der Schule und habe die hygienischen Zustände dort | |
gesehen. Man hat die Leute in diesen unhaltbaren Verhältnissen sich selbst | |
überlassen. In jedem Flüchtlingsheim hätten die zu einem Aufschrei und zur | |
sofortigen Schließung geführt. Doch: Wenn der Staat den Flüchtlingen quasi | |
die Erlaubnis gibt, freiwillig in solchen Verhältnissen zu leben, werden | |
die Regeln außer Kraft gesetzt. Es gab ja sogar Gerüchte, dass der Bezirk | |
sich geweigert habe, eine zweite Dusche einzubauen, um es den Leuten dort | |
nicht zu bequem zu machen. Das sind Gerüchte, aber sie zeigen den tiefen | |
Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Bezirks. | |
Bundespräsidenten Joachim Gauck hat mehr Hilfe für Flüchtlinge gefordert | |
und gesagt, Deutschland könne mehr tun. Hat er nicht recht? | |
Herr Gauck hat ja nicht gesagt: Gebt den Flüchtlingen vom Oranienplatz ein | |
Bleiberecht. Wenn man sich die Leute anschaut, die jetzt in Berlin | |
protestieren – die sind untergebracht gewesen. Die wollten nach Berlin | |
kommen, um ihren Protest hierher zu tragen. Jetzt dreht sich alles um sie, | |
während wir uns zu wenig um die kümmern, die akut gefährdet sind. | |
Der Konflikt um die Hauptmann-Schule ist für Sie nur ein | |
Nebenkriegsschauplatz? | |
Dass sich eine Stadt darum sorgt, dass Menschen nicht zu Schaden kommen, | |
spricht für Berlin und die Berliner. Aber ein Land muss bestimmen können, | |
wer bleiben darf und wer nicht. Es gibt das Menschenrecht, sein Land | |
verlassen zu dürfen, und es gibt die Flüchtlingskonvention, die Schutz vor | |
Krieg und Verfolgung garantiert. Aber es gibt kein Menschenrecht auf | |
Einwanderung für jeden, auch wenn manche das glauben. | |
3 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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