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# taz.de -- Extremadura in Spanien: Die verlassene Jungfrau
> Zur Madonna in Guadalupe beteten die Eroberer. Heute ist die Popularität
> der mexikanischen Jungfrau von Guadalupe größer als die des spanischen
> Modells.
Bild: Der neue Star: die mexikanische Jungfrau von Guadalupe.
Einen zarten Kuss haucht der Mönch der schwarzen Jungfrau von Guadalupe
entgegen, als er die goldene Tür öffnet und über ein Drehkreuz die
Muttergottes aus den Höhen des Hauptaltars auf Augenhöhe der Besucher in
der Galerie dreht. Hier steht sie. Wohl behütet. Die kleine Figur aus
schwarzem Zedernholz im prächtigen, mit Goldfäden durchwirkten Gewand sieht
aus wie ein edles Sofapüppchen. Die schwarze Madonna wird den Touristen
unter Aufsicht eines meist schlecht gelaunten Mönchs gezeigt. Sie ist der
Schatz des Klosters.
Das Kloster Guadalupe in der spanischen Extremadura mit seinen Zinnen und
Glockentürmen ist eine Festung über der kleinen Ortschaft. Die bergige
Landschaft ist im Frühsommer grün und blumenreich. Doch schon bald wird die
Hitze hier unerträglich. Hinter den dicken, kühlen Klostermauern von
Guadalupe wurde Medizin und Chirurgie gelehrt. Die medizinische Fakultät
war das Erbe der Araber, deren Vertreibung 1340 auf den martialischen
Gemälden im Kreuzgang des Klosters erzählt wird. Auch die Inquisition
wütete in dem Pilgerort: Im 15. Jahrhundert wurden Juden des Ortes, die zum
Christentum konvertiert waren, getötet, weil sie angeblich an ihrem
früheren Glauben festhielten. Das große Gebäude der Inquisition kann heute
noch in den verwinkelten Altstadtgassen besichtigt werden.
Für das christliche Spanien war Guadalupe nach der Reconquista, der
Vertreibung der Mauren, der wichtigste Wallfahrtsort in der Extremadura.
Bedeutender als Santiago de Campostela, der Ort des Maurentöters Santiago
Matamoros, der heute als Pilgerziel weltberühmt ist. Eroberer,
Kolonisatoren und Konquistadoren pilgerten einst zur Schwarzen Madonna von
Guadalupe. Sie war die Schutzherrin des christlichen Spanien und seiner
Identität. In Guadalupe unterschrieb Kolumbus seinen Vertrag mit den
katholischen Königen und brach mit ihrem und der Jungfrau Segen in die Neue
Welt auf. Hier soll Cortéz, der Eroberer Mexikos, neun Tage und neun Nächte
vor der Statue der Gottesmutter gebetet haben.
Am 29. Juli 1496 wurden in Guadalupe die ersten Vorzeigeindianer im
Lendenschurz getauft, die Kolumbus aus der Neuen Welt mitgebracht hatte.
Diese Taufszene, in Bronze gegossen, ist an der Klostermauer zu sehen,
gegenüber dem steinernen Wasserbecken des Kirchplatzes.
## Schattiger Kreuzgang
Heute kommen vor allem Kulturtouristen nach Guadalupe. Sie wohnen hinter
dicken Mauern im Klosterhotel, in dessen Innenhof Kolumbus mit gespreizten
Beinen, Schwert und Kreuz siegesgewiss auf der Weltkugel steht. Oder gleich
gegenüber im Hotel Parador, mitten im Zentrum mit seinen Bars und Läden für
selbst gemachte Korbwaren. Der Parador, einst ein Krankenhaus, erzählt von
der maurischen Geschichte dieser Region. In seinem schattigen Kreuzgang
findet sich ein ruhiges Plätzchen zwischen duftenden Zitronen- und
Orangenbäumen. Es gibt Pata Negra, den Schinken von heimischen, Korkeicheln
fressenden schwarzen Schweinen, und schweren Wein - bodenständiger
Geschmack der Extremadura.
Mit dem Namen der Schwarzen Madonna als Schlachtruf stürmten die
Konquistadoren in die Neue Welt, ermordeten zahllose Indígenas und nahmen
die Länder in Besitz. Sie entdeckten den Amazonas, den Mississippi, sie
eroberten Guatemala, Mexiko und Peru. Kolumbus nannte unter anderem eine
Antilleninsel Guadalupe. Nur wenige der Kolonisatoren kehrten in ihre
Heimat zurück.
So wundert es nicht, dass eine schwarze Jungfrau, eine Guadalupana, auch in
der Neuen Welt auftauchte. Umrankt von einer neu gesponnen Legende, wurde
sie nach Mexiko importiert und dort integriert. Die schwarze Madonna der
Eroberer wurde zur Fürsprecherin der Eroberten: "La Morenita" - die
dunkelhäutige Jungfrau - wird als Nationalheilige verehrt. Mehr als 20
Millionen Menschen pilgern jährlich in die Basilika der Jungfrau von
Guadalupe in Mexiko-City.
Galt die Schwarze Madonna aus dem spanischen Guadalupe den Eroberern als
Zeichen ihrer göttlichen Mission, ihrer Macht und Herrlichkeit, so wurde
die mexikanische Guadalupana - Ironie der Geschichte - zum Symbol des
Protests gegen das Kolonialregime: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts und damit
des Unabhängigkeitskrieges hefteten sich die Aufständischen das Bild der
Gottesmutter auf ihre Banner und stürzten sich - mit ihrem Namen auf den
Lippen - in den Kampf.
Heute sind Strahlkraft und Popularität der mexikanischen Jungfrau von
Guadalupe weitaus größer als die ihres spanischen Modells. Deren Mythos
verblasste. Die Fürsprecherin der Eroberer, die Hüterin des christlichen
Nationalbewusstseins, der Hispanidad, hat an Publicity verloren. Der
schwarze Star der Eroberer über dem Hauptaltar ist fast vergessen.
Geschichte.
5 Jul 2014
## AUTOREN
Edith Kresta
## TAGS
Mexiko
Spanien
Reiseland Spanien
Reisen in Europa
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