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# taz.de -- Volksmusiker Andreas Gabalier in Berlin: Verunreinigte Staaten von …
> Der österreichische „Volks-Rock-’n’-Roller“ Andreas Gabalier sang in…
> Waldbühne. Wir haben wegen der Show ein Fußballspiel verpasst.
Bild: Röhrender Hirsch in der Waldbühne.
„Welches ist das Lieblingstier der Deutschen?“ Katze? Hund? Andreas
Gabalier klärt auf: „Der Zapfhahn“. Gerade ist Witze-Runde beim Konzert des
österreichischen Volksmusikstars mit der Lederhose und der Haartolle.
Besser gesagt: Trinkerwitze-Runde. Einen hat er noch: „Was sind die Gründe,
warum wir Männer trinken? – Wir haben keine Frau.“ Pause. „Oder aber: Wir
haben eine Frau.“
Keine Frage, im Rahmen eines bescheidenen Niveaus ist Andreas Gabalier
nicht der schlechteste Entertainer. Er stellt sich vor 20.000 Besucher der
Berliner Waldbühne hin, schnappt sich immer wieder ein Glas Bier von
jemandem aus dem Publikum und macht mal kurz einen auf zünftigen
Witzeerzähler.
Er hat sie voll drauf, diese Nummer, ein jung gebliebener Lausbub aus der
Steiermark mit Schalk im Nacken zu sein, der den „Madln“ gern aufs
Dirndl-Dekolleté schaut, heimatverbunden und doch weltoffen ist, dem
Brauchtum zugewandt und doch auch mal Englisch singend. Von Facebook
spricht er im Laufe seines Konzerts auch einmal, er nennt es „Papierpost
der heutigen Zeit“, was er nicht tun müsste, weil inzwischen ja auch der
letzte Bauer auf der abgelegensten Alm weiß, was Facebook ist.
In den USA habe er, Gabalier, sogar eine Platte aufgenommen, erzählt er an
einer Stelle seines Konzerts in Berlin. Seine Tolle sei schließlich eine
Reminiszenz an den guten alten Rock ’n’ Roll, und der wurde schließlich in
den USA erfunden, die für Gabalier somit auch geistige Heimat sein müsste.
In Nashville sei er gewesen, aber, das müsse er schon sagen, von Gaudi und
Geselligkeit verstünden die Amerikaner schon weniger als wir Deutschen und
Österreicher. „Willkommen im Land der Verunreinigten Staaten“, diesen
Aphorismus, sagt Gabalier, müsse er auch noch schnell loswerden.
## Die feschen Madln
Draußen ist Schlandstimmung, weil die deutsche Fußballnationalmannschaft
gerade gegen Frankreich gewonnen hat, es wird gegrölt, mit den
Deutschlandfahnen wird herumgewedelt, und nun sitzt man in der von den
Nazis errichteten Waldbühne und sieht Andreas Gabalier, dessen
Blut-und-Boden-Texte in der taz vom 4. Juli Thema waren, dabei zu, wie er
seine Heimatlieder vorträgt.
Man bekommt dabei nicht unbedingt das Gefühl, dass Gabalier erneut den
Anschluss seines Heimatlandes an Deutschland fordern würde. Wenn man ihn
erlebt, diesen Mummenschanz und diese Tausenden von Fans sieht, die sich in
Lederhosen und viel zu tief ausgeschnittene Dirnddl gezwängt haben, muss
man eher sagen: Das alles sieht eher wie Volksmusik-Karneval aus. Frauen
sind für Gabalier „Dirndln“ oder „Madln“, da ist er ganz der zünftige
Bursch, der von gendersensibler Sprache nichts wissen will. Das scheint von
seinen weiblichen Fans zum Teil aber auch ironisiert zu werden: „Fesches
Madl“ liest man als Aufdruck auf so manchem T-Shirt.
Dann tritt nach dem Überraschungsgast Sarah Connor auch noch Sasha auf, bei
dem man lange überlegen muss, woher man den noch mal kennt, den Gabalier
aber trotzdem als „zweiten Weltstar heute Abend“ ankündigt. Und Sasha muss
auch diese Lederhosen-Nummer abziehen und sich zum Volksmusik-Kasper
machen. Die Krachlederne sitzt bei ihm aber nicht so richtig. Darüber macht
Gabalier seine Witze und falls es mit Sashas Kariere jetzt doch noch einmal
etwas werden sollte, liegt das wahrscheinlich daran, dass er einmal so
tapfer eine schlecht sitzende Lederhose getragen hat.
Wie Gabalier sein Publikum abholt, davon könnten selbst HipHopper etwas
lernen, bei deren Konzerten das kollektive Mit-den-Armen-Schaukeln auch
immer zur Show-Folklore gehört. Wenn Gabalier sagt: „Alle Hände in die
Luft, meine Lieben“, dann sind auch alle Hände in der Luft. Mal sitzt er
allein vor einem goldenen Piano, dann wieder steht er da mit der Klampfe in
der Hand, schluchzt sein „Amoi seg ma uns wieder“ und sieht dabei so
traurig aus wie Karim Benzema, nachdem er kurz vor Schluss an Deutschlands
Torwart Manuel Neuer gescheitert ist. Falls der Stimmungspegel mal leicht
nach unten deutet, ruft Gabalier einfach: „Deutschland hat heute gewonnen!“
In diesen Momenten könnte er auch mit dem Rappen anfangen – und alle würden
jubeln.
7 Jul 2014
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Volksmusik
Österreich
Schland
Volksmusik
Conchita Wurst
Sänger
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