# taz.de -- Rachid Azzouzi über den FC St. Pauli: „Verein mit allen Facetten… | |
> Das Ziel des FC St. Pauli heißt: Aufstieg. Sportchef Rachid Azzouzi über | |
> fehlende Identifikationsfiguren und die Angst der Spieler vor der | |
> Begeisterung der Fans. | |
Bild: Will den Kader nur noch punktuell verändern: Rachid Azzouzi | |
taz: Herr Azzouzi, warum wird der FC St. Pauli kommende Saison | |
erfolgreicher auftreten? | |
Rachid Azzouzi: Wir haben eine entwicklungsfähige Mannschaft mit Qualität, | |
die schon in der abgelaufenen Spielzeit an die Tür zur Bundesliga | |
angeklopft hat. | |
Aber in der zweiten Saisonhälfte stagnierte die Leistung – vor allem am | |
Millerntor. | |
Die positive Energie, die hier im Stadion herrscht, scheint für die junge | |
Mannschaft zur Belastung geworden zu sein. In den Köpfen hat sich offenbar | |
festgesetzt: Die Fans sind so gut zu uns und wir enttäuschen sie. Beim | |
ersten Negativerlebnis im Spiel setzte oft schon eine Verkrampfung ein. | |
Wie lautet das sportliche Ziel für die Saison 2014/2015? | |
Wir wollen immer zu den Top 25 des deutschen Fußballs gehören und im Laufe | |
der nächsten Jahre in die Bundesliga aufsteigen. Seit einem Jahr haben wir | |
den Kern des Teams zusammen und mit langfristigen Verträgen ausgestattet. | |
Wir trauen der Mannschaft den Aufstieg auf Sicht zu, denn sie hat das | |
Potenzial. | |
Nach personellem Umbruch folgt nun also Kontinuität? | |
Wir wollen den Kader in den kommenden Jahren nur noch punktuell verändern. | |
Diese Mannschaft kann viel und soll zusammenwachsen. Dann werden sich die | |
Fans stärker mit den Spielern identifizieren. | |
Mit den Abgängen von Pliquett, Ebbers oder Boll ist der Fundus an | |
Identifikationsfiguren reichlich ausgedünnt. | |
Spieler, die den Verein über Jahre geprägt haben, kommen irgendwann in ein | |
Alter, in dem Neues entstehen muss. Neue Identifikationsfiguren entstehen | |
aber nicht über Nacht, sondern über eine gemeinsame Geschichte, die Jahre | |
dauert. Das war auch bei den genannten Spielern nicht anders. Nur so kann | |
Identifikation entstehen, die ehrlich ist. Wir könnten natürlich auch | |
Spieler holen, die nach dem dritten Spiel das Vereinsemblem auf ihrem | |
Trikot küssen – aber das will hier doch keiner. | |
Nun rufen viele nach Typen und mündigen Spielern. Bringen meinungsstarke | |
Spielerpersönlichkeiten, die sich mit politischen und vereinsinternen | |
Fragen – etwa in den sozialen Netzwerken – auseinandersetzen, aus Sicht des | |
Sportchefs zu viel Unruhe in den Verein? | |
Ich mag starke Persönlichkeiten, nur mit ihnen kann ich auf dem Platz viel | |
erreichen. Soziale Netzwerke sind ein schwieriges Thema, weil du Sachen | |
machst, die du schnell bereust, dann aber nicht mehr aus der Welt bekommst. | |
Entscheidend ist, dass unter solchen Aktivitäten Spieler und Verein nicht | |
leiden dürfen. | |
Gehört es zu solchen Aktivitäten, dass ehemalige Spieler via Facebook das | |
Trainerteam kritisiert haben, weil es Fabian Boll kurz vor Ende seiner | |
Karriere nicht in den Kader berufen hat? | |
Spieler, die mal hier waren, haben das gute Recht, sich zu aktuellen | |
Entwicklungen im Verein kritisch zu äußern. Doch das hat eine negative | |
Stimmung angefacht, zu einem Zeitpunkt, an dem wir noch aufsteigen konnten. | |
Vielleicht wäre es klüger gewesen, die Ex-Spieler hätten noch dieses eine | |
Spiel abgewartet, bevor sie sich öffentlich äußern. | |
Welchen Anteil nehmen Sie als Sportchef an der Fankultur des Vereins? | |
Als ich nach Hamburg kam, habe ich nicht alle Fanprojekte abgeklappert und | |
versucht, mich mit allen wichtigen Leuten gut zu stellen. Ich bin ein | |
nahbarer Typ, viel im Stadtteil unterwegs, fast immer ansprechbar und ich | |
versuche, den Verein in all seinen Facetten aufzusaugen. Hineinwachsen ist | |
ein organischer Prozess. Wenn Menschen, die schon sehr lange im Verein | |
sind, erwarten, dass alle Neuankömmlinge genauso ticken wie sie, wird das | |
nicht funktionieren. | |
Sie meinen Fans, die jede Veränderung als Gefahr bewerten? | |
Alles Neue macht ja auch Angst, weil man seine Komfortzone verlässt. Die | |
Frage lautet: Wie kannst du den Kern erhalten und zeitgleich notwendige | |
Veränderungen zulassen? Ich höre im inneren Kreis oft die Klage, der FC St. | |
Pauli sei ein x-beliebiger Klub geworden. Die Außenwahrnehmung aber ist | |
eine komplett andere. Wir haben zwei Millionen Fans und 19 Millionen | |
Sympathisanten auf der ganzen Welt. Diese Wertschätzung gibt es nur, weil | |
gesehen wird, dass der Verein um den Erhalt der Werte kämpft, die ihn | |
prägen. | |
Sie sind jetzt zwei Jahre hier: Wo steht der Verein in zwei Jahren? | |
Das Stadion wird fertiggebaut sein und ich hoffe, wir klopfen so energisch | |
an die Tür zur Ersten Bundesliga, dass sie aufspringt. Und auch 2016 wird | |
es noch darum gehen, die Werte, für die der Verein steht und die | |
Anforderungen des Profifußballs in Einklang miteinander zu bringen. | |
13 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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