# taz.de -- FC St. Pauli feiert Heimsieg: Die Wiederentdeckung der Spielkultur | |
> Nach dem überzeugenden 3:0-Sieg des FC St. Pauli gegen Union Berlin soll | |
> es am Millerntor auch in Zukunft wieder mehr Ballstafetten geben. | |
Bild: Hatten gut lachen: die Fans des FC St. Pauli beim Spiel gegen Union Berlin | |
HAMBURG taz | Thomas Meggle war voll des Lobes für sein Team. „Wir haben | |
spielerisch genau die Dinge umgesetzt, die wir uns vorgenommen haben“, | |
freute sich der Trainer des FC St. Pauli nach dem 3:0-Sieg über Union | |
Berlin am Samstag. Ein Kommentar, den Meggle vor anderthalb Wochen nach dem | |
1:0-Heimsieg gegen Braunschweig fast wortgleich formuliert hatte – mit | |
einem entscheidenden Unterschied: Der Begriff „spielerisch“ war neu in des | |
Trainers Vokabular, er ersetzte den Begriff „kämpferisch“. | |
Zum ersten Mal in seiner kurzen Ägide als Zweitliga-Coach hatte Meggle | |
zuvor erlebt, dass sich das Team nicht nur zerriss, sondern den Gegner eine | |
Stunde lang auch nach Belieben spielerisch dominierte. Die Zeit, in der die | |
verletzungsgeplagten Hamburger mit einer Notelf die ausfallbedingt abhanden | |
gekommene Spielkultur nur durch Einsatz kompensierten, war Vergangenheit. | |
Der Qualitätssprung vom Kampf zum Spiel hatte am Samstag zwei Väter. Der | |
eine war Schiedsrichter Guido Winkmann, der nach einem Foul des Berliner | |
Mittelfeldakteurs Björn Jopek an Ante Budemir nicht nur einen Elfmeter für | |
die Hamburger pfiff, sondern Jopek für seine Aktion auch noch mit der roten | |
Karte bestrafte. | |
Die Entscheidung, die nicht nur Union-Trainer Norbert Düwel als „sehr hart“ | |
geißelte, kippte die Partie. „Wir hatten uns vorgenommen, den Gegner hoch | |
anzulaufen und zu Fehlern zu zwingen“, so Düwel. Das hatte die erste | |
Viertelstunde noch perfekt geklappt: Die Berliner stürzten sich am | |
ausverkauften Millerntor stets wie ein Rudel hungriger Wölfe auf den | |
ballführenden Hamburger. St. Pauli fand nicht ins Spiel und verlor immer | |
wieder den Ball gegen die heranstürmenden Gäste, die schnell in Führung | |
gegangen wären, hätten sie den Pass in den gegnerischen Strafraum mit | |
Präzision gespielt. So aber musste Berlins Jopek vom Spielfeldrand aus | |
mitverfolgen, wie Christopher Nöthe den Elfmeter zum 1:0 für die Hausherren | |
verwandelte. | |
Das kraftaufwendige Offensivspiel der Eisernen ließ sich in Unterzahl nicht | |
durchhalten: Die Berliner zogen sich zurück, ließen St. Pauli nach Belieben | |
agieren und fanden offensiv nicht mehr statt. Den Hamburgern gelangen gegen | |
die dezimierten Berliner ansehnliche Ballstaffetten, sie deckten die | |
Berliner Abwehrschwächen hemmungslos auf und kreierten auf diese Art eine | |
Vielzahl von Chancen. | |
Dreh- und Angelpunkt des Kombinationsspiels – und damit der zweite Vater | |
des Erfolgs – war Enis Alushi, der erstmals unter Meggle in St. Paulis | |
Startelf stand. Über den Ende August aus Kaiserslautern nach Hamburg | |
gewechselten Mittelfeldstrategen lief fast jeder Angriff, Alushi verteilte | |
die Bälle, bestimmte das Spieltempo, öffnete mit präzisen Diagonalpässen | |
das Spiel und leitete die beiden noch folgenden Tore ein. | |
## Doch noch reingestochert | |
Nach 73 Minuten spielte Alushi den Berliner Torhüter Daniel Haas aus, was | |
dem mitgelaufenen Marc Rzatkowski die Zeit gab, erst einen Berliner | |
Verteidiger anzuköpfen, dann anzuschießen und schließlich doch noch den | |
Ball ins Tor zu stochern. Drei Minuten vor Spielschluss bediente Alushi | |
nach einem schulbuchmäßig vorgetragenen Konter den eingewechselten John | |
Verhoek, der mit einem fulminanten 18-Meter-Knaller Haas keine Chance ließ. | |
Nach sieben Punkten aus den letzten drei Spielen haben die Hamburger nun | |
die Abstiegszone verlassen und sind im gesicherten Mittelfeld angekommen. | |
Wenn nach der Länderspielpause die Zweite Liga in zwei Wochen ihren Betrieb | |
wieder aufnimmt, dürften viele der derzeit acht Verletzten an Bord sein. | |
Dann soll es, prophezeit Meggle, noch mehr Spielkunst geben. | |
5 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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