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# taz.de -- Rundgang durch die Künste: Junge Radikale
> Am Wochenende öffnen Ateliers und Arbeitsräume der Universität der Künste
> und der Kunsthochschule Weißensee ihre Türen.
Bild: Achtung, das ist Kunst: beim Rundgang in der Kunsthochschule Weißensee 2…
Rundgang ist so ziemlich das falscheste Wort für diese alljährliche
Lieblingsbeschäftigung der Berliner Kunstfreunde. Sowohl die Universität
der Künste (UdK) an der Hardenbergstraße in Charlottenburg als auch die
Kunsthochschule Weißensee im Norden der Stadt sind nachweisbar Rechtecke.
Und immer nur im Kreis drehen will sich garantiert auch niemand, der sich
am Wochenende dorthin aufmacht. Im Gegenteil: Zu den Rundgängen der
Kunsthochschulen geht man gerade deswegen, weil man auf dem Terrain des
künstlerischen Nachwuchses noch am ehesten auf Kunst und Künstler hofft,
die die ausgetretenen Bahnen der künstlerischen Produktion verlassen.
Die Plakatdesigner in Weißensee haben diese unterstellte Avantgardeposition
für ihr Haus in diesem Jahr recht vollmundig reklamiert. Auf einem der
diesjährigen Ankündigungsplakate haben sie den Namen der Londoner
Modedesignerin Vivienne Westwood durchgestrichen und „New Radicals“
darunter geschrieben. Und die illustre Reihe von Städtenamen wie „Paris,
Mailand, London, New York“ selbstbewusst durch „Weißensee“ ergänzt. Ob …
Kunst, die dort zu sehen sein wird, das Eigenlob rechtfertigt, wird sich
erst am Wochenende zeigen.
Zumindest die Atmosphäre freifließender Kreativität und entspannten
Flanierens in den Ateliers und Werkstätten während der Rundgangstage ist
mit kaum einem Berliner Ausstellungsereignis zu vergleichen. Die Spannweite
der Selbsteinschätzung der Häuser wie auch ihrer Bewohner – zwischen
Kaderschmiede der nächsten Kunstelite und marktferner Kreativwerkstatt –
komplettiert das Plakatmotiv der UdK: Der südkoreanische Student Young Sam
Kim aus der Klasse Visuelle Systeme des Informationsgestalters David Skopec
hat es aus rohen Magnetbändern gestaltet.
Bislang fand der Rundgang in dem 1902 erbauten neobarocken Prachtpalais des
Charlottenburger Zentrums der UdK das größte Interesse. Nicht nur, weil die
1696 beziehungsweise 1875 gegründete Uni Europas größte Kunsthochschule
ist. Weil hier mit Malerei, Bildhauerei und Architektur ihre Herzkammer
schlägt und hier der kreative Nachwuchs lauert. Sondern auch, weil hier
namhafte Professorinnen lehren: Olafur Eliasson mit seinem „Studio für
Raumexperimente“ oder die Medienkünstlerin Hito Steyerl, die mit ihren
kritischen Videos und Lectures in den letzten Jahren zum Star vieler
Biennalen avancierte. Aber auch bei der japanisch-schweizerischen
Grafikerin und Bildhauerin Leiko Ikemura schaut man immer interessiert, ob
und wie es deren Meisterschülerinnen gelingt, sich neben ihren markanten
Professorinnen zu behaupten.
An der UdK vollzieht sich schrittweise ein Generationenwechsel. In diesem
Jahr verlässt Christiane Möbus ihre Professur für Bildhauerei und
Multimedia, die sie seit 1990 innehat. Schon am Vorabend des Rundgangs am
gestrigen Donnerstag lud die 1947 geborene, international bekannte
Objektkünstlerin, deren Arbeiten auch im Bundestag hängen, zum letzten Mal
zu der schon traditionellen Feier in ihr Atelier im Raum 79 des
UdK-Hauptgebäudes ein. Vom Fenster ihres Ateliers kann Möbus den Besuchern
des „Hoffestes“ der UdK in dem begrünten Innenhof zuprosten. Das beginnt
zur gleichen Zeit und zählt seit Langem zu einem der coolsten Ausgehtipps
für Berlins hippe Kunst-, Kreativ- und Styleaffine.
Die Kunsthochschule Weißensee stand bislang immer etwas im Schatten der
großen Schwester am Zoo. Doch seit ein paar Jahren drängen immer mehr
Besucher in den unscheinbaren Klinkerbau an der Bühringstraße. Seit 2011
hat das 1946 in der Tradition des Bauhauses gegründete Haus mit Leonie
Baumann eine dynamische Rektorin. Die vor Kurzem wiedergewählte Pädagogin
ist nicht nur eine stadtweit gefragte Streiterin für progressive
Kulturpolitik. Auch mit Projekten wie der 2011 gegründeten „Kunsthalle am
Hamburger Platz“ hat sie ihrem Haus mehr Aufmerksamkeit verschafft.
Das alte DDR-Kaufhaus, unmittelbar am Eingang der Hochschule gelegen,
fungiert heute als „lab for tomorrow“ und Schnittstelle zwischen Hochschule
und freier künstlerischer Praxis. Auch Weißensee hat illustre Namen zu
bieten: Hier lehren die Konzeptkünstlerin Alice Creischer „Raumstrategien“
und der Philosoph Knut Ebeling Medientheorie und Ästhetik.
Die weit im Norden der Stadt gelegene Hochschule kommt dem verwöhnten
Berliner Publikum spektakulär entgegen, als sie zwar in Weißensee ihre
Ateliers und den Campus öffnet, ihre Renommierstücke aber in Mitte
präsentiert. Zu den Höhepunkten in Weißensee gehören die Präsentation von
Arbeiten des Projekts „Kommen und Bleiben“, das Studenten der Visuellen
Kommunikation mit Flüchtlingen in Pankow gemacht haben. Und wenn die
Besucher die Eingangshalle in Weißensee betreten, können sie sich durch
einen Tunnel aus Lichtkästen bewegen. Darin können sie Bühnenbilder
bewundern, die junge Bühnen- und Kostümbilder für den Roman „Karte und
Gebiet“ des französischen Schriftstellers Michel Houellebecq entworfen
haben.
Die Abschlussarbeiten der Studenten aber präsentieren die Weißenseer an dem
alten Kühlhaus am Gleisdreieck in Tiergarten und einer ehemaligen
DDR-Kaufhalle und jetzigem „Eventspace“ namens „HO“ am U- und S-Bahnhof
Jannowitzbrücke – unter dem passenden Titel „Reif“ und „Aller Ende Anf…
Die Abschlussarbeiten der UdK-Meisterschüler werden in der zentralen Halle
des Charlottenburger Baus präsentiert. In beiden Events spiegelt sich der
für alle Rundgänge an allen Kunsthochschulen auf der ganzen Welt typische
Wunsch: dass hier womöglich die Kunststars von morgen entdeckt werden.
„Germanys next Top-Artist“ steht auf einem der Weißenseer Plakate . Der
Name von Ai Weiwei ist durchgestrichen. Zumindest an Selbstbewusstsein
mangelt es dem Nachwuchs nicht.
17 Jul 2014
## AUTOREN
Ingo Arend
## TAGS
Bildende Künstler
Paris
Ausstellung
Politische Kunst
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