| # taz.de -- Dekodierung von Johann Sebastian Bach: Was ist die Quersumme von 32… | |
| > Die Ausstellung „'B+A+C+H = 14': Bach und die Zahlen“ geht der | |
| > umstrittenen Zahlensymbolik im Werk des Musikers nach. | |
| Bild: Im Vordergrund: Bach. Im Hintergrund: 14 bedeutsschwangere Gestalten | |
| Schon einmal die Quersumme des eigenen Namens gebildet? Keine Ahnung, wovon | |
| die Rede ist? Das geht ganz einfach: Man nimmt die einzelnen Buchstaben | |
| seines Namens und ordnet ihnen nach dem natürlichen Zahlenalphabet einen | |
| Wert zu – A = 1, B = 2, C = 3 und so weiter. Die Zahlen rechnet man | |
| zusammen und erhält als Ergebnis die Quersumme. Aus „Boehme“ wird dann 2 + | |
| 14 + 5 + 8 + 12 + 5 = 46. | |
| Was heute wie ein exzentrischer Zeitvertreib anmutet, gehörte zu Lebzeiten | |
| des Komponisten Johann Sebastian Bach zum allgemeinen Bildungsgut. Die | |
| Zahlensymbolik in der Bibel, insbesondere die der Offenbarung des Johannes, | |
| war Protestanten durchaus geläufig, und Zahlenalphabete dienten als | |
| Dekodierungshilfe. | |
| Dass Bach selbst diese Symbolik allem Anschein nach ausgiebig für seine | |
| Musik nutzte, kann man in der Sonderausstellung „’B+A+C+H = 14‘: Bach und | |
| die Zahlen“ im Bachhaus Eisenach erfahren. | |
| Wie der Titel verrät, ist die Quersumme des Namens Bach gleich 14. Um die | |
| Sache noch ein bisschen mysteriöser zu machen: Zählt man die | |
| Anfangsbuchstaben seiner Vornamen hinzu, dann ergibt sich als Quersumme von | |
| J. S. Bach die Zahl 41. 14 und 41, ob das ein Zufall ist? | |
| ## Ein schillerndes, mitunter blendendes Thema | |
| Kein Zufall jedenfalls ist, dass das Bachhaus das Jahr 2014 für die | |
| Ausstellung gewählt hat, zum 329. Geburtstag Bachs. Kleine Rechenaufgabe, | |
| um die Rätselhaftigkeit auf die Spitze zu treiben: Was ist die Quersumme | |
| aus 329, also das Resultat von 3 + 2 + 9? | |
| Die Zahlensymbolik in Bachs Werk ist ein schillerndes, mitunter blendendes | |
| Thema. Hinter der nüchternen Arithmetik, die man in seinen komplex | |
| konstruierten Kompositionen – spätestens seit dem Bestseller „Gödel, | |
| Escher, Bach“ (1979) des Kognitionswissenschaftlers und Physikers Douglas | |
| R. Hofstadter – am Werk sieht, stellt sie eine weitere Bedeutungsebene in | |
| Aussicht. | |
| Die Anzahl der Noten eines bestimmten Motivs, der Takte oder die Anzahl von | |
| Variationen in einer Komposition lassen sich alle zählen. Sie alle könnten | |
| einen versteckten Sinn enthalten – siehe die Zahl 14. Dieser spekulative | |
| Ansatz macht die Zahlensymbolik zugleich zu einem äußerst umstrittenen Feld | |
| der Bachforschung. | |
| Gern wird die Zahlenmystik etwa in die Nähe der jüdischen Kabbala gerückt, | |
| in der Zahlen und die Zahlenwerte von Wörtern eine spezifische Rolle für | |
| die verborgene Struktur der Welt spielen. | |
| ## Der Rätselkanon und die 14 Knöpfe | |
| Als Begründer der Bach’schen „Zahlenanalyse“ gilt der evangelische Theol… | |
| und Bachexperte Friedrich Smend, der 1947 die These formulierte, Bach habe | |
| die Zahlen 14 und 41 ganz bewusst in seinem Werk verwendet. Seine Theorien | |
| stützen sich unter anderem auf zwei außermusikalische Indizien: den | |
| „Bach-Pokal“, ein Trinkglas aus dem Besitz des Komponisten, und ein | |
| Bach-Porträt von Elias Gottlob Haußmann. | |
| Beide Objekte sind in der Dauerausstellung des Bachhauses zu sehen, das | |
| Porträt lediglich als Kopie. Da ist Bach mit einem Rock abgebildet, an dem | |
| sich genau 14 Knöpfe zählen lassen. In der Hand hält er ein Notenblatt mit | |
| einem „Rätselkanon“, der aus insgesamt 60 Noten besteht. | |
| Mit ein wenig Fantasie lässt sich die Zahl 60 zu (1+7) + (41) + (4+7) | |
| gruppieren, wie Smend vorschlug. Er las aus diesen Zahlen die 41 als | |
| „Signatur“ Bachs und die übrigen Ziffern als die Jahreszahl 1747. Wie zur | |
| Bestätigung trat Bach im selben Jahr der „Correspondierenden Societät der | |
| musicalischen Wissenschaften“ bei, der ersten musikwissenschaftlichen | |
| Gesellschaft Deutschlands. | |
| Von deren Mitgliedern wurde erwartet, dass sie bei ihrer Aufnahme ein | |
| Porträt beisteuerten. Wie Forschungen allerdings später ergaben, entstand | |
| der Kanon unabhängig vom Gemälde und kommt daher weder als Unterschrift | |
| noch als Datum in Frage. | |
| Auch auf dem Bach-Pokal findet sich die Zahl 14. Das Trinkglas ist mit | |
| einem Bach-Monogramm mit 14 Punkten verziert. In der Widmung auf der | |
| Rückseite des Glases entdeckte Smend ebenfalls Hinweise auf Zahlenverstecke | |
| – beim Addieren der Anfangsbuchstaben der drei Textzeilen ergibt sich | |
| wieder eine 14. | |
| ## Systematischer Übereifer | |
| Die Ausstellung verschweigt dabei auch nicht die deutlich abwegigen Aspekte | |
| dieser Zählwut. Unter der Überschrift „Occulta“ versammelt sie Beispiele | |
| für systematischen Übereifer – der zugleich belegt, wie stark die | |
| Faszination des Themas auf Bachforscher wirken kann: So hat Bach angeblich | |
| mit der Zahl der Takte seiner Goldberg-Variationen sein eigenes Todesdatum | |
| vorhergesagt. | |
| Die Zahl der Takte, die Bach mit Überschriften versah, beträgt 175, nimmt | |
| man die Variationen in Moll hinzu, ergibt sich 287. Gestorben ist Bach am | |
| 28. Juli 1750. | |
| Esoterische Ausfälle wie dieser lassen sich, positiv gewendet, so | |
| verstehen, dass Bachs Werk die Fantasie einfach in ungeahntem Maße | |
| beflügeln kann. Das Insistieren darauf, Bach habe in seiner Musik nicht nur | |
| nichts dem Zufall überlassen, sondern sein Genie sogar auf das Formulieren | |
| chiffrierter Botschaften verwandt, braucht man nicht als zusätzlichen Beleg | |
| ihrer Kunstfertigkeit zu bestaunen. | |
| Beim Hören muss man das ohnehin nicht wissen. Man kann diese Zahlenlehre | |
| aber als eine eigene Geschichte lesen, erzählt von Bachs Verehrern, die | |
| sich von ihm dazu haben anregen lassen. Das ist, bei aller Neigung zur | |
| Spinnerei, nicht die schlechteste Art der Würdigung. | |
| 3 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Tim Caspar Boehme | |
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