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# taz.de -- Die Wahrheit: Rentnertod im Teich
> Nordirischen Unionisten und Republikanern knallen beim Anblick der
> gegnerischen Flagge gern die Sicherungen durch. Ein Loyalist ist deswegen
> gerade ertrunken.
Es sind nur bunt bedruckte Stückchen Stoff, aber sie können Menschen zu
absonderlichem Benehmen animieren. Soldaten stehen stramm, wenn der Fetzen
an einer Stange hochgezogen wird, andere haben diebische Freude daran, die
Dinger zu verbrennen. In Bagdad soll es einen blühenden Laden geben, in dem
lediglich US-Flaggen und Benzin verkauft werden. In den USA hingegen wäre
der Besitzer geliefert. Dort floriert der Handel mit Autoaufklebern:
„Achtung, Fahnen-Verbrenner! Ihr müsst einen Ausweis bei euch tragen, damit
wir eure Hinterbliebenen benachrichtigen können. Das ist keine Drohung,
sondern ein Versprechen!“
In Glasgow wurde eine Zuschauerin bei den Commonwealth Games von der
Polizei des Stadions verwiesen, weil sie eine manipulierte schottische
Fahne geschwenkt hatte. Die Organisatoren versicherten, dass die Fahnen der
teilnehmenden Nationen keineswegs verboten seien, aber die Frau hatte „Yes“
auf das Andreaskreuz gestickt, und das sei eine politische Äußerung.
Schließlich stimmen die Schotten im nächsten Monat über ihre Unabhängigkeit
ab.
In Nordirland haben die bunten Lappen eine grotesk überhöhte Bedeutung.
Nationalisten und Unionisten markieren ihre Viertel damit, selbst die
Bordsteine sind in den Farben der jeweiligen Fahne angestrichen. So manche
Straßenschlacht ist aufgrund der falschen Fahne am falschen Ort
ausgebrochen. Nun ist sogar jemand deswegen ertrunken. Oswald Bradley,
genannt „Ossie“, war ein Unionist aus Bessbrook an der inneririschen
Grenze. Der kleine Ort war während des nordirischen Konflikts der
Hubschrauberstützpunkt der britischen Armee, es war der größte Heliport
Europas mit Starts und Landungen im Minutentakt. Ossie „liebte den Union
Jack abgöttisch und hat ihn in seinem Haus aufgehängt“, sagte der örtliche
Kaplan Barrie Halliday. Offenbar hasste er die irische Trikolore mit
gleicher Intensität. Die hing seit zwei Wochen an einem Baum auf einer
winzigen Insel im Bessbrook-Teich. Das ärgerte Bradley dermaßen, dass er
mit einem Union Jack zur Insel schwimmen wollte, um die Fahnen
auszutauschen. Unterwegs verhedderte er sich jedoch in dem Lappen und
ertrank. Seine Leiche, eingewickelt im Union Jack, wurde von Jugendlichen
ans Ufer gezerrt. Sein letzter Gedanke war vermutlich: „Herrje, wie
peinlich.“ Eine Zeitung war gnädig und schrieb, der Bessbrook-Teich sei
eigentlich ein See, weil das weniger demütigend erscheint. Willie Fraser
vom Oranierorden, dem auch Ossie angehörte, sagte, Bradley sei „bei der
selbstlosen Erfüllung seiner Bürgerpflicht“ ertrunken. Fehlt nur noch, dass
loyalistische paramilitärische Organisationen erklären, er sei „im aktiven
Einsatz gegen den Feind gefallen“.
Auf der Gegenseite löste Bradleys Tod für einen Moment Betroffenheit aus.
Dann aber hagelte es gehässige Vorschläge: Hängt Trikoloren in die
Tigerkäfige des Belfaster Zoos, meinte einer. Ein anderer schlug vor, sie
an Hochspannungsleitungen zu befestigen. Oder an einer Schnur zwischen
Nordirland und Schottland.
4 Aug 2014
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Nordirland
Alkohol
Irland
England
Irland
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