# taz.de -- Regierungsbildung im Irak: Machtkampf mitten im Krieg | |
> Im Irak einigen sich die Schiiten überraschend auf Haider al-Abadi als | |
> neuen Regierungschef. Doch Amtsinhaber Maliki will den Platz nicht | |
> räumen. | |
Bild: Maliki-Unterstützer in Bagdad. | |
ISTANBUL taz | Unter den Schiiten im Irak ist ein offener Machtkampf um die | |
Nachfolge von Ministerpräsident Nuri al-Maliki ausgebrochen. Maliki selbst, | |
dem eine die Sunniten diskriminierende Politik vorgeworfen wird, besteht | |
darauf, nach der letzten Parlamentswahl wieder zum Ministerpräsidenten | |
gekürt zu werden. Die Nationale Allianz, zu der sich alle schiitischen | |
Parlamentsfraktionen zusammengeschlossen haben, hat am Montag aber | |
überraschend Haider al-Abadi für das Amt des Regierungschefs nominiert. | |
Abadi ist ein Funktionär von Malikis Dawa-Partei und stellvertretender | |
Sprecher des Parlaments. | |
Zuvor kam es in Bagdad zu einem regelrechten Politthriller. In einer kurzen | |
Fernsehansprache in der Nacht zum Montag holte Maliki zu einem verbalen | |
Paukenschlag gegen Präsident Fuad Masum aus. Darin beschuldigte er Masum, | |
einen „Coup“ gegen ihn anzuführen und gegen die Verfassung zu verstoßen, | |
weil er ihm dem Regierungsauftrag nicht erteilt hat. | |
Zur gleichen Zeit schickte er Panzer und ihm treu ergebenen Sondereinheiten | |
auf die Straße und ließ strategische Gebäude und Knotenpunkte in Bagdad | |
umstellen. Kritiker sprachen von einem regelrechten Staatsstreich. Am | |
Montagmorgen ließ das Staatsfernsehen die Nachricht verbreiten, das höchste | |
Gericht habe Maliki darin bestätigt, dass Masum ihn nominieren muss. Wenig | |
später stellte sich das als glatte Lüge heraus. | |
Das Gericht erklärte lediglich, dass der Präsident den Kandidaten des | |
größten „Blocks“ nominieren muss. Und genau hier beginnen die Probleme. | |
Denn in der Verfassung ist nicht geklärt, was ein „Block“ ist. Ist es die | |
stärkste Fraktion – das wäre Malikis „Bündnis für einen Rechtsstaat“,… | |
rund 90 der 327 Mandate hält –, oder ist es die größte Koalition im | |
Parlament? | |
## Die Luft wird dünn | |
Nach der Nominierung von Abadi teilte Maliki mit, er werde ein weiteres | |
Urteil anstreben, das seine Sicht der Dinge bestätigt. Dass ihm das | |
gelingt, ist fraglich. Aber es macht deutlich, dass Maliki seinen Posten | |
nicht freiwillig räumen und bis zum Letzten kämpfen wird. Doch die Luft | |
wird dünn für den 64-Jährigen. Denn nicht nur die Partner in seinem | |
Rechtsstaatsbündnis haben ihm die Gefolgschaft aufgekündigt, sondern auch | |
fast die Hälfte der Dawa-Abgeordneten. Nur 45 der 83 Parteimitglieder | |
verweigerten Abadi die Stimme. | |
Darüber hinaus haben die Amerikaner und der höchste schiitische Geistliche | |
im Land, Großajatollah Ali Sistani, ihr Gewicht gegen Maliki in die | |
Waagschale geworfen. Washington stehe absolut hinter Masum, dem es obliege, | |
die Verfassung hochzuhalten, sagte US-Außenminister John Kerry im | |
australischen Sydney. Washington hoffe, dass Maliki nicht noch mehr Unruhe | |
verursache. Selbst der Iran ist auf Distanz zu seinem Verbündeten Maliki | |
gegangen. Den beeindruckt das alles wenig. Er ließ am Montag seine Anhänger | |
aufmarschieren und für ihn demonstrieren. | |
Derweil versinkt das Land weiter in Krieg und Chaos. Im Nordostirak | |
verloren die Kurden den strategisch wichtigen Ort Dschalula an die | |
Extremisten des „Islamischen Staats“. | |
11 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Inga Rogg | |
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