| # taz.de -- Spielfilm über Kampusch in der ARD: Wurstsalat und Gutenachtkuss | |
| > „3096 Tage“ von Regisseurin Sherry Hormann zeigt das Martyrium der | |
| > Natascha Kampusch. Das Opfer bleibt dem Zuschauer so fremd wie der Täter. | |
| Bild: Gefangen: Natascha Kampusch (Antonia Campbell-Hughes). | |
| Warum haut sie ihm nicht mit dem großen Gummihammer auf den Kopf? Warum | |
| schüttet sie ihm nicht das heiße Panieröl ins Gesicht? Warum stößt sie ihm | |
| nicht die Stahlkanten der Skier ins Genick? Und haut ab? Vom Schreibtisch | |
| oder Fernsehsessel aus sieht man so viele Möglichkeiten zu entkommen. | |
| Tatsächlich wird das Martyrium der Natascha Kampusch eine halbe Kindheit, | |
| acht lange Jahre, dauern. 3096 Tage. Sie zählt sie, so wie sie über seine | |
| Schläge auf den Kopf, in den Bauch, aufs Ohr, seine Tritte gegen die Beine | |
| Buch führt. Auf sorgfältig archivierten Bündeln Toilettenpapier. Der Film | |
| zeigt keine Ermittlungsgruppe bei der Arbeit, er ist ein Kammerspiel und | |
| zeigt fast nur diese beiden Akribiker. | |
| Die winzige Kammer, in die Wolfgang Priklopil Natascha Kampusch sperrt, ist | |
| mehrfach gesichert und aufwändig getarnt. Einmal fragt sie ihn: „Wie lange | |
| hast du für all das gebraucht?“ „Von Juni bis zum nächsten März. Die Roh… | |
| und Leitungen verlegen. Die Wände verputzen. Immer alles in verschiedenen | |
| Baumärkten besorgen. Die Erde immer woanders hinbringen. Die Türen | |
| einbauen. Die Belüftung installieren. Alles für dich.“ | |
| Er ist ein sadistischer Kontrollfreak, geboren in einer Spießerhölle mit | |
| Fototapete und Holzschrankwand, von einer Mutter, die dem erwachsenen Sohn | |
| den Kühlschrank mit Wurstsalat füllt. Sie bittet ihn schon am dritten Tag | |
| um einen Gutenachtkuss. | |
| ## Unecht | |
| Der Entführer und sein Tun taugen nicht zur Identifikation, es sei denn, | |
| ein Zuschauer ist ähnlich gestört. Erstaunlich ist, dass das Opfer genauso | |
| fremd bleibt. | |
| Was noch erstaunlich ist: Da wurde eine österreichische Geschichte mit | |
| Schauspielern aus Großbritannien und Nordirland (Amelia Pidgeon und Antonia | |
| Campbell-Hughes als Natascha Kampusch), aus Dänemark (Thure Lindhardt als | |
| Wolfgang Priklopil, Trine Dyrholm) und der Schweiz (Roeland Wiesnekker) auf | |
| Englisch verfilmt und anschließend hochdeutsch synchronisiert. Das sieht | |
| unecht aus und hört sich unecht an. | |
| Dieser karge Film, den Regisseurin Sherry Hormann nach Natascha Kampuschs | |
| Autobiografie und einem unvollendeten Drehbuch des über der Arbeit daran | |
| verstorbenen Bernd Eichinger von ihrem Ehemann Michael Ballhaus hat | |
| fotografieren lassen, der sich zwar meist zurückhält, seine Exzellenz in | |
| einzelnen Einstellungen aber nicht verhehlen kann –, er lässt einen ratlos | |
| zurück. | |
| 13 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Müller | |
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