# taz.de -- Spielemesse Gamescom: Bleibt bieder und brav | |
> Auf der Spielemesse Gamescom werden digitale Neuheiten präsentiert. Kaum | |
> etwas überzeugt. Das liegt an geringen Ansprüchen – und ist gut so. | |
Bild: Für NSA und GCHQ uninteressant? Tetris. | |
Was hat die Nation mit der Xbox One zu tun? Warum gehören Sonys Videobrille | |
„Project Morpheus“ und die 40-Stunden-Woche zusammen? Wie – um es kurz zu | |
machen – sähe die Spielemesse Gamescom aus, wenn die Menschheit endlich | |
anfinge, sich nicht mehr mit dem zufriedenzugeben, was ihr von Firmen, | |
Werbern, Staaten und Religionsgemeinschaften lieblos vorgesetzt wird? | |
In Köln werden dieser Tage wieder einmal allerlei Neuheiten aus dem Bereich | |
der digitalen Spielewelt vorgestellt – von der Spielkonsole über Zubehör | |
bis zur Vernetzung von jedem mit allem und vom teuren Konsolenspiel | |
[1][über Spiele-Abos bis zur Gratis-App.] Fürs dritte und vierte Quartal | |
2014 sind viele neue Spiele angekündigt, besonders die neuen Spielkonsolen | |
von Sony und Microsoft konkurrieren um Exklusivität und andere | |
Alleinstellungsmerkmale. | |
Seltsam dabei ist, dass Exklusivität und Innovation in der Branche der | |
digitalen Spiele sich schon länger aus der Vergangenheit speisen. Microsoft | |
wirbt damit, dass die uralte Tomb-Raider-Spielereihe auf der Xbox One ihre | |
Fortsetzung findet. Auch für Sonys Playstation 4 sind Spiele geplant oder | |
bereits erschienen, die Spieleserien fortschreiben: Little Big Planet 3, | |
Metal Gear Solid 5, Infamous First Light. | |
Nichts gegen Serien; jeder hat gern mehr von dem, was er bereits kennt. | |
Nichts gegen Blockbuster-Spiele; wo viel Geld und Arbeit reingesteckt wird, | |
kommt manchmal sogar was Gutes raus. Nur: Jeder gute Programmierer, der an | |
Serien arbeitet, steht für andere, neue Spiele nicht zur Verfügung. Jeder | |
Designer, der zwei Jahre an einem Blockbuster arbeitet, hat keine | |
Kapazitäten für Spiele, die noch viel besser sein könnten. | |
## Wo bleibt das Holodeck? | |
Anders, politischer gesagt: Solange Gewerkschaften damit beschäftigt sind, | |
die 38,5-Stunden-Woche gegen Angriffe der Arbeitgeber zu verteidigen, wird | |
die 30-Stunden-Woche nicht kommen. Wenn die Linke ständig die wenigen | |
positiven Aspekte der Nation hervorheben muss, um dem rechten Nationalismus | |
etwas entgegenzusetzen, wird sie das Nationale niemals überwinden. Solange | |
digitale Spieler wieder und wieder mit Lara Croft durch mittelmäßige | |
Pixelwelten hecheln, solange wird es eben nur wenige Spiele geben, die sich | |
am radikal Neuen versuchen und vielleicht auch mal am Unmöglichen. | |
Sicher: Die Entwicklung von Tablets, PCs und Spielkonsolen schreitet voran. | |
Von Bewegungs- und Spracherkennungsprogrammen, von glasklarer Grafik und | |
Interaktion mit weit entfernt lebenden Spielern hat man in den Achtzigern | |
geträumt, nun sind sie Standard. | |
Und doch: Immer noch sind wir unendlich weit entfernt von simpler | |
Star-Trek-Technologie wie dem Holodeck, dem Replikator und dem Beamen. Wie | |
schön wäre eine Gamescom, die sich auch nur ansatzweise in diese Richtung | |
bewegte. | |
## Die Leute aus Crypto City | |
Oft aber ist das Gegenteil der Fall. Ein Großteil der Neuentwicklungen sind | |
Apps für die sogenannten Casual Gamer, kleine Spielchen für | |
Gelegenheitsspieler, die gratis oder für 1,99 Euro in irgendeinem Store | |
fürs Smartphone oder Tablet bereitstehen. Ob Angry Birds oder Temple Run, | |
ob Real Racing oder Solitär – alles nett und kurzweilig. Aber nichts davon | |
weist nach vorne. Das Spiel, also einer der wenigen Bereiche des Alltags, | |
der noch nicht gänzlich der Effizienz- und Verwertungslogik des | |
Kapitalismus unterworfen ist, bleibt bieder und brav. | |
Vielleicht ist das auch gut so. Von Edward Snowden und anderen wissen wir, | |
dass NSA und GCHQ die digitale Welt mindestens so sehr unterwandert haben, | |
wie der Kapitalismus den menschlichen Alltag. Vor digitalen Spielewelten | |
machen sie gewiss nicht halt. | |
Was nützt uns also ein Holodeck zum Spielen, wenn dort auch die Leute aus | |
Crypto City anwesend sind? Beim Beamen in einem über alle Kontinente | |
verteilten 3-D-Rollenspiel, so grandios es auch sein könnte, fallen | |
Beam-Protokolle an, die von Agenten, für die die ganze Welt ohnehin nur ein | |
Spiel ist, gewiss irgendwo abgespeichert und ausgewertet werden. Dann doch | |
lieber weiter Tetris daddeln – unvernetzt und offline. | |
14 Aug 2014 | |
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## AUTOREN | |
Maik Söhler | |
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