# taz.de -- Kampagne nach tödlichen Schüssen: Wunderbares Ferguson | |
> Nach den Protesten sorgen sich weiße Bewohner um das Image der Stadt. | |
> Doch das eigentliche Problem interessiert sie nicht. | |
Bild: Gewehre gegen Demonstranten: Polizisten am 20. August in Ferguson im Eins… | |
FERGUSON taz | In den Vorgärten und Schaufenstern einiger Stadtteile von | |
Ferguson ist über Nacht ein neues Zeichen aufgetaucht. Aufschrift: „Ich | |
liebe Ferguson“. Zwei Wochen nach den tödlichen Polizeischüssen auf den | |
unbewaffneten Teenager Michael Brown soll es den lädierten Ruf der | |
nordwestlichen Vorstadt von St. Louis reparieren. „Ferguson ist wunderbar“, | |
sagt Exbürgermeister Brian Fletcher, der die Liebeserklärung und | |
PR-Kampagne zusammen mit Handelskammer und örtlichen Geschäftsleuten | |
initiiert hat. | |
Bis 2011 war der Demokrat insgesamt 28 Jahre lang im Rat der Stadt. In | |
seine lange Amtszeit fiel auch die Militarisierung der Lokalpolizei. | |
Am Donnerstagabend organisiert Fletcher ein erstes Community-Treffen ein | |
paar Blocks vom Rathaus entfernt. | |
Der Parkplatz ist komplett belegt, der Saal gut besetzt. Aber die Menschen | |
im Saal repräsentieren genauso wenig die realen sozialen Verhältnisse von | |
Ferguson wie die Polizei, wie die Schulbehörde und wie das Rathaus. Zwei | |
Drittel der Menschen in der Vorstadt sind schwarz. Die der „Community“ - | |
der Exbürgermeister inklusive – sind weiß. | |
## Kommunikation verbessern | |
Während auf der „anderen Seite der Eisenbahnlinie“ die tödlichen | |
Polizeischüsse, die absurde militärische Bewaffnung der Lokalpolizei und | |
die überproportional gegen Afroamerikaner gerichteten Kontrollen und | |
Strafmandate das Hauptthema sind, befasst sich die Versammlung im Saal mit | |
dem Ruf des Ortes. Die meisten Versammelten waren in den zurückliegenden | |
zwei Wochen auf keiner Demonstration. „Zu gefährlich“, urteilen sie. | |
Jetzt schlagen sie vor, „die Kommunikation“ mit den anderen Menschen in | |
ihrem Ort zu verbessern. Auf der Wunschliste stehen BBQs, Blumentöpfe auf | |
Straßen, bessere Bushaltestellen und Stipendien für junge Afroamerikaner, | |
die einen Job bei der Polizei anstreben. Der Exbürgermeister möchte eines | |
Tages auf die gegenwärtige Krise zurückblicken und sagen können: „Ferguson | |
ist noch besser geworden.“ | |
Bürgerrechtsgruppen wie die American Civil Liberties Union (ACLU) haben die | |
Ausstattung von lokalen Polizeieinheiten quer durch die USA mit | |
Restbeständen aus dem Pentagon schon lange als „gefährlich“ und „unnöt… | |
kritisiert. Geländefahrzeuge, Sturmgewehre, Gasmasken und anderes | |
Kriegsgerät im Wert von mindestens 4,3 Milliarden Dollar sind seit den 90er | |
Jahren unter die Polizei gejubelt worden. | |
Demonstranten und Reporter in Ferguson waren entsetzt, als in den | |
zurückliegenden Tagen Polizisten ihre Gewehre auf sie richteten. Aber am | |
Rand der Ferguson-Liebhaber-Versammlung sagt ein weißer Lastwagenfahrer aus | |
dem Ort: „Es war kein Geheimnis, dass wir diese Waffen haben.“ Der | |
44-jährige Greg Stewart fühlt sich dadurch sicherer. Seine Begründung: „Wir | |
sind in Amerika. Fast jeder hat eine Schusswaffe. Auch die bad guys.“ | |
## Alte Damen mit Stinkefinger | |
Der dunkelhäutige Ricky Canamore ist ein Gewaltfreier bis zum Knochenmark, | |
der seit Beginn der Krise von früh bis spät an der Straße gegenüber der | |
Polizeiwache von Ferguson sein Schild hochhält. Vor knapp zwei Wochen fuhr | |
aus der gerade erweiterten und modernisierten Poizeiwache gegenüber die | |
Lokalpolizei in Kampfuniformen auf einem minensicheren Geländewagen heraus. | |
„Hände hoch – nicht schießen. Ruhe in Frieden, großer Mike.“ | |
Manchmal bildet sich hinter ihm ein Kreis von Betenden. Vor ihm fahren | |
Autos vorbei. Wer seine Botschaft mag, hupt. Andere zeigen den | |
Stinkefinger. Darunter viele über 70-Jährige und auch alte Damen. An diesem | |
frühen Donnerstagabend verlangsamt ein blonder Mann in einem roten | |
Pick-up-Truck seine Fahrt, um aus dem Autofenster zu rufen: „Der Cop hat | |
das Richtige getan.“ Ricky Canamore zuckt die Schultern: „Jeder hat das | |
Recht auf seine eigene Meinung.“ | |
In der afroamerikanischen Community und bei Linken wird die Kritik an | |
Polizeigewalt und Polizeischikanen in diesen Tagen lauter. Aus New York | |
spricht der Filmemacher Spike Lee von einem „Krieg gegen den schwarzen | |
Mann“ und von „Snipern, die auf Demonstranten zielen“. | |
Aber in Missouri sind die Lokalpolitiker vor allem um Befriedung bemüht. | |
Selbst linke Demokraten. Als in St. Louis der zweite junge | |
afroamerikanische Mann binnen weniger Tage von Polizisten erschossen wird, | |
kommentiert Lokalpolitiker Antonio French, der nächtelang in Ferguson | |
demonstriert hat und dort mehrfach festgenommen worden ist, der Fall sei | |
anders als bei Michael Brown. Er begründet seine Zurückhaltung so: Der Tote | |
in St. Louis habe die Polizei mit einem Messer bedroht. Und die Polizei | |
habe anschließend eine transparente Aufklärung betrieben. | |
22 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
## TAGS | |
Ferguson | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Image | |
Kampagne | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Michael Brown | |
Ferguson | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rassistische Polizeigewalt in den USA: Ferguson akzeptiert Polizeireform | |
Lange hatten Ferguson und das US-Justizministerium Reformpläne verhandelt. | |
Rassistische Gewalt und Diskriminierung sollen unterbunden werden. | |
US-amerikanische Bürgerrechtsaktivistin: Hedy Epstein, immer im Dienst | |
Hedy Epstein ist dem Holocaust entkommen. Seither kämpft sie gegen | |
„schlimme Dinge“. Zuletzt wurde sie in Ferguson in Handschellen abgeführt. | |
Kommentar Trauer um Michael Brown: Weiß ist eine schwierige Farbe | |
Demonstrationen hin oder her – die weiße Bevölkerung der USA muss Rassismus | |
endlich als Problem anerkennen. Die Debatte darüber ist überfällig. | |
Trauerfeier für Michael Brown: Beten gegen das Unrecht | |
Rund 6.000 Menschen verabschiedeten sich von dem von der Polizei | |
erschossenen Teenager. Familienangehörige, Prediger und Bürgerrechtler | |
forderten Gerechtigkeit. | |
Nach den Todesschüssen in Missouri: „Hands up – don't shoot“ | |
In New York verlief eine Demonstration gegen Polizeigewalt friedlich. In | |
Ferguson steht die Beerdigung Michael Browns bevor. | |
Debatte Rassismus in den USA: Sie hatten einen Traum | |
Ferguson zeigt: Zwei Jahre nach dem Tod von Trayvon Martin und trotz Barack | |
Obama bekommen die USA den Rassismus nicht in den Griff. | |
Proteste in Ferguson gegen Polizeigewalt: Beamter vom Dienst suspendiert | |
Ein US-Polizist hatte sich auf Facebook abfällig über die Demonstranten | |
geäußert. Deshalb muss er gehen. Für den Todesschützen wird reichlich | |
gespendet. | |
Proteste in Ferguson: Stehenbleiben verboten | |
Für viele Demonstranten in Ferguson ist die schwarze Bürgerrechtsbewegung | |
der sechziger Jahre weit weg. Sie wollen jetzt Geschichte schreiben. | |
Der US-Präsident und Ferguson: Obamas heikler Balanceakt | |
Wie sollte Obama auf die Unruhen in Ferguson reagieren? Viele erwarten, | |
dass er für das Opfer eintritt. Zugleich ist er für die Sicherheit | |
verantwortlich. | |
Misstrauen gegen Ermittler in Ferguson: „Sie nennen's gerechtfertigte Tötung… | |
In Ferguson sitzt der Argwohn gegen die Polizei tief. Da hilft es nicht, | |
dass der Staatsanwalt schon einmal Polizisten laufen ließ, die Schwarze | |
erschossen. | |
Kommentar Erschossener Jugendlicher: Ferguson ist überall | |
In Ferguson zeigt sich das Erbe des Rassismus in den USA. Er reicht von der | |
Sklaverei über die Segregation bis hin zur Benachteiligung von | |
Minderheiten. |