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# taz.de -- Print im Aufwind: Hefte aus Leidenschaft
> Unabhängige Magazine wachsen gegen den Branchentrend: Kommende Woche
> treffen sich ihre Macher in Hamburg.
Bild: Die Vielfalt der Indie-Magazine sprengt jeden Rahmen.
HAMBURG taz | Die Geschichte der Indie-Magazine könnte man beginnen lassen
mit Kompost oder Humus. So hießen in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts
zwei Zeitschriften des auch heute noch umtriebigen Untergrund-Verlegers
Werner Pieper. Unabhängige Zeitschriften gibt es also schon seit ein paar
Jahrzehnten. Auf die Blätter der Alternativbewegung folgten Ende der
1970er-Jahre Punk-Fanzines – Hamburg war eine Hochburg mit Titeln wie
Willkürakt oder Orgienpost –, und zehn Jahre später begann eine Boomphase
der Fußball-Fanzines. Den Begriff „Indie-Magazine“ benutzte damals
allerdings niemand, der ist noch relativ neu.
Do it yourself – das war das Motto damals wie heute. Früher sah man den
Blättern das Selbstgemachte noch an. Doch für die Zeitschriften, die sich
am kommenden Wochenende auf der „Indiecon 2014“ präsentieren, trifft das
nicht zu. Heute kann man zu Hause Zeitschriften produzieren, die sich in
ihrer optischen Qualität nicht von Produkten großer Medienhäuser
unterscheiden.
Die erleichterten Produktionsbedingungen sind ein Grund dafür, dass im
Bereich der Indie-Magazine gerade ein Boom zu verzeichnen ist – zumindest,
was die Quantität angeht. Ein anderer ist die Einstellung der Großverlage
zu inhaltlichen Neuentwicklungen, die irgendwo zwischen Ignoranz und
panischer Angst anzusiedeln ist.
Thematisch gilt: In der Welt der Indie-Magazine gibt es fast nichts, was es
nicht gibt. Von „Mythos und Gegenwart der RAF“ – so lautete das Thema ein…
Interviews in der vorletzten Ausgabe der Hamburger Zeitschrift Read – bis
zu irgendwas mit Wohnen. In diesem Monat ist auf St. Pauli gerade erstmals
die Zeitschrift MC1R erschienen. Untertitel: „Das Magazin für Rothaarige“.
## Indie - was ist das?
Obwohl der Begriff Indie-Magazine leicht über die Lippen geht, ist eine
halbwegs konkrete Antwort auf die Frage „Was ist Indie?“ schon schwieriger.
Genau deshalb steht sie im Zentrum der „Indiecon“. Katarzyna de Mol-Wolf
und Nikolaus Förster – beide bei der Veranstaltung vertreten – haben im
Zuge sogenannter Management-Buy-Outs Gruner + Jahr die Titel „Emotion“
beziehungweise „Impulse“ abgekauft. Sie sind ganz gewiss Indie-Verleger,
aber sie haben wenig gemein mit Überzeugungstätern, die eine Zeitschrift
gewissermaßen nebenbei machen.
Malte Brenneisen und Urs Spindler, die beiden Organisatoren der „Indiecon“,
haben den beliebten Begriff folgendermaßen definiert: Von einem
Indie-Magazin sprechen sie, wenn jene, die fürs Redaktionelle zuständig
sind, auch finanziell die Zügel in der Hand haben. In diesem Sinne nicht
independent sind Medien, die von Genossenschaften getragen werden, also
etwa die taz.
Brenneisen und Spindler haben 2013 an der Uni Hamburg eine Masterarbeit
über Indie-Magazine vorgelegt – die erste wissenschaftliche Arbeit zum
Thema im deutschsprachigen Raum. Ihr nächster Schritt war die Kreation des
Tumblr-Blogs [1][„Indiemags“], wo sich jedes Indie-Magazin verzeichnen
lassen kann. Der weitere ist die Organisation der [2][„Indiecon“].
Gemäß den Kategorien Brenneisens und Spindlers ein mittelgroßer Indie ist
das vierteljährlich erscheinende Magazin The Weekender. Dirk Mönkemöller,
der es gemeinsam mit Christian Schneider herausgibt, wird auf einem der
„Indiecon“-Podien sitzen – gemeinsam mit Gabriele Fischer, der
Chefredakteurin von Brand eins und Ale Dumbsky von Read.
Im Untertitel nennen die Herausgeber von The Weekender ihre Zeitschrift
„Das Magazin für Einblicke und Ausflüge“. Konkret heißt das: Es geht unt…
anderem um Wohnen, Reisen, Essen, Trinken. In der vorletzten Ausgabe
erschien ein fast 40-seitiges Special über alkoholische Getränke – in einem
Mainstream-Heft wäre das nicht vorstellbar.
## Kann man davon leben?
Die beiden Herausgeber verdienen derzeit kein Geld mit ihrer Zeitschrift.
Mönkemöller ist im Hauptberuf Layouter beim Kölner Stadt-Anzeiger, hat aber
auch schon als schreibender Journalist sein Geld verdient, unter anderen
für das Musikmagazin Intro. Er hat zwei Ausbildungen: Zunächst hat er bei
der inzwischen nur noch online erscheinenden Stadtillustrierten „Prinz“
volontiert, danach hat er Grafikdesign studiert. Streben Schneider und
Mönkemöller an, von der Arbeit für The Weekender leben zu können? Oder ist
das illusorisch?
„Illusorisch ist das nicht, aber es gibt da keinen Master- oder
Business-Plan, in dem ein Zeitpunkt festgelegt ist“, sagt Mönkemöller. „Es
könnte spannend sein, das Experiment zu machen, von der Indie-Schiene
runterzukommen, und die Erfahrungen würden wir auch machen wollen.“ Es
müsse aber auch nicht sein. „Wir wachsen auf natürliche Art, und wir mögen
das auch so“, sagt Mönkemöller.
Auch die Autoren und Fotografen von The Weekender bekommen derzeit kein
Geld. Mönkemöller und Schneider bauen auf die „Leidenschaft“ ihrer
Mitstreiter. „Statt eines Honorars können wir eine schöne Veröffentlichung
bieten“, sagt Mönkemöller. Sie hätten es oft mit Fotografen zu tun, denen
es lieber sei, ihre Bilder für null Euro auf sechs bis acht Seiten in The
Weekender präsentieren zu können, als von einem „Ramschmagazin“ 150 Euro …
bekommen und dann mit ansehen zu müssen, dass die Fotos nur in
Briefmarkengröße erscheinen.
## Ein Event ohne Eierkuchen
Ein Friede-Freude-Eierkuchen-Event wird die „Indiecon“ gewiss nicht werden.
Oliver Gehrs’ Debattenanstoß in dieser taz-Ausgabe, dass die Unabhängigkeit
von großen Verlagen noch lange kein Ausweis inhaltlicher Qualität ist, wird
nicht jedem gefallen. Andere Veranstaltungsteilnehmer werden sich womöglich
daran stoßen, dass die „Indiecon“ an einem eher nicht so indie-mäßigen O…
stattfindet: in der Villa des Verlags Hoffmann & Campe.
Der wiederum gehört zur Ganske-Gruppe, unter deren Dach sich auch der
Jahreszeiten-Verlag befindet – und damit Zeitschriften wie Petra und Für
Sie. Titel, die für das krasseste Gegenteil dessen stehen, was der
Indie-Fraktion am Herzen liegt.
30 Aug 2014
## LINKS
[1] http://www.tumblr.com/search/indiemags
[2] http://www.wasistindie.de/
## AUTOREN
René Martens
## TAGS
Hamburg
Boom
Printmedien
Medien
Gruner + Jahr
Hamburg
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