Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Magazin-Festival Indiecon: Engagierte LiebhaberInnen
> Auf der Indiecon in Hamburg stellen sich unabhängige Magazine vor. Einige
> zeigen: Es geht auch um Inhalte und nicht nur um die Form.
Bild: Viel zu gucken: Besucherinnen des Indiecon Festivals in Hamburg
Ein Magazin selbst zu machen, ist Selbstausbeutung, heißt es unter
Magazin-Selbstmachern. Trotzdem gibt es davon unzählige und einmal im Jahr
treffen sie sich bei der [1][Indiecon], dem Festival für
Independent-Magazine in der Heinrich-Heine-Villa in Hamburg und dem
anschließenden Indiemagday im Hamburger Oberhafen, einer Art Marktplatz für
Indiemags.
Ein Indiemag wird nicht von einem großen Verlag herausgegeben, sondern von
engagierten LiebhaberInnen. Je nach Grad der Professionalisierung
übernehmen diese Redaktionelles und Design, aber auch Marketing, PR und
Vertrieb.
Der Running Gag auf der Indiecon, die dieses Wochenende zum dritten Mal
stattfand, ist das Wohnzimmer, das gleichzeitig als Redaktionsraum,
Atelier und Lagerhalle zweckentfremdet wird. Das kennen nämlich alle
Magazinmacher mindestens aus ihrer Anfangszeit.
Viel kann man den „Indiemags“ nachsagen: Oliver Gehrs, Herausgeber des
erfolgreichen Indiemags [2][Dummy], bemängelte vor einigen Jahren etwa,
dass dem redaktionellen Inhalt weniger Bedeutung beigemessen werde als der
optischen Ästhetik.
## Gesellschaftspolitischer Anspruch
Und auch dieses Jahr ist da etwas dran: Viele Indiemags präsentieren sich
als hübsche Lifestyle-Hipster-Magazine. Einige aber versuchen mehr zu sein
und verwirklichen durchaus einen gesellschaftspolitischen Anspruch.
Das Magazin Sofa zum Beispiel erscheint seit Ende Juli. Es will in seiner
ersten Ausgabe die Trashkultur feiern. Durch seine Ästhetik, die sich vor
allem an der Bravo orientiert, meint man auch gleich, in einem bunten
Popcorn-Magazin gelandet zu sein.
Die Themen des Magazins hinterfragen dann aber genau die Dinge, die die
Bravo feiert. LGBTQI, Feminismus und das Ausloten neuer Lebensformen finden
hier statt, wo ein pausbäckiges Mädchen den Leser grimmig vom Cover
anschaut, während über ihm in pinker Bubble-Schrift der Titel das Magazins
blubbert. Das Titelthema ist dabei gleichzeitig die Zielgruppe: Teens von
heute.
Queer-feministisch ist auch das Magazin BBY. Ausschließlich Frauen
behandeln in dessen zweiter Ausgabe das Thema Interior Design. Auch wenn
das Oberthema im Eifer des knallbunten Gefechts immer wieder untergeht,
macht es doch Spaß, wenn die Macherinnen ihre Lieblingsdesignerinnen
interviewen oder Künstlern kreative Aufgaben stellen.
Dabei dekonstruieren sie immer wieder das Oberthema. Schon das Editorial
verspricht „10 cheap tricks to make your home look more expensive“ und
darunter: „9 genius hacks to hide your bourgeois background“.
## Art pour l'art
Ein drittes Magazin hat alles, was an Indiemags bemängelt werden kann, es
verzichtet auf jeglichen echten Inhalt. Das ··· -Magazin, gesprochen
„Punkt-Punkt-Punkt-Magazin“ entsteht, indem man vor Ort auf einen Button
klickt. Dadurch setzt sich ein Programm in Bewegung, das willkürlich ein
Wort wählt und dann Text- und Bild-Datenbanken darauf durchsucht.
Nach wenigen Minuten konzipiert sich so nach dem Zufallsprinzip ein
komplett sinnfreies Magazin. Es wird sofort ausgedruckt, geheftet und
mitgenommen. Ein Stück Kunst, das ohne Künstler auskommt – ohne
Grafikdesigner, ohne Autor, ohne Redakteur. Es zeigt auf, wie die
Digitalisierung sich zurück in die analoge Printwelt kämpfen kann. Am Ende
bleibt aber der Eindruck von der art pour l’art.
Thnk Tnk begann als Uniprojekt. Es mutet auf den ersten Blick sehr verkopft
an und wenn man hineinschaut, merkt man, dass der erste Blick recht hatte.
Aber auch hier fusionieren Gestaltung und Inhalt zu einem stimmigen
Gesamtkunstwerk. In der aktuellen zweiten Ausgabe geht es – grob – um
gesellschaftlich nachhaltiges oder zumindest bewusstes Wirtschaften und
Handeln.
Überhaupt stellt das Magazin, nicht ganz unpathetisch, die Frage, wie
Designprozesse aussehen müssten, um gesellschaftliche Prozesse mitgestalten
zu können. Was ist etwa Populismus, was kann linker rechtem Populismus
entgegensetzen, und was ist „ehrlicher“ Populismus?
Spannend ist das Streitgespräch zwischen einem AfD-Funktionär und einem
Antifa-Mitglied, bei dem zwar keine Dogmatiken verworfen werden, aber ein
Diskurs stattfindet, der auf seine „Intersubjektivität“ stolz ist.
## Empowerment
Ein weiteres interessantes Projekt ist das Cameo-Magazin. Ein Cameo ist ein
Gastauftritt in einem Film, einem Theaterstück oder einem Roman. Ein kurzes
Auftauchen, das selten zur Handlung beiträgt und das schnell wieder
vergessen wird. Cameo indes handelt von Geflüchteten und möchte dafür
sorgen, das diese in unserer Gesellschaft mehr sind als eine Randnotiz.
Es geht um Integration, um Netzwerke, die Integration schaffen und darum,
Geflüchteten eine Möglichkeit zu geben, sich kreativ zu verwirklichen. Die
aktuelle zweite Ausgabe ist zwar schon ein Jahr alt, doch ist das Projekt
mittlerweile so weit gewachsen, dass das Cameo-Kollektiv im Großraum
Hannover aus beinahe 100 Leuten besteht, die gemeinsam an Ausstellungen
arbeiten und überlegen, wie man sowohl Empowerment ermöglicht – für
Menschen, die nicht integriert sind, als auch in der Gesellschaft selbst.
Die dritten Ausgabe soll im Januar erscheinen. Indiemags, das jedenfalls
wird deutlich, können weit mehr sein als Reisemagazine und gedruckte
Interior-Design-Blogs – selbst wenn sie genau das sind.
6 Sep 2016
## LINKS
[1] http://www.indienet.de/
[2] http://www.dummy-magazin.de/
## AUTOREN
Robert Hofmann
## TAGS
Medien
Lesestück Recherche und Reportage
Hamburg
Hamburg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Magazinmacher-Treffen Indiecon: Independence ist kein Programm
Schön, dass so viele Magazine jenseits der Großverlage erscheinen – schade,
dass die meisten nur wenig zu sagen haben.
Print im Aufwind: Hefte aus Leidenschaft
Unabhängige Magazine wachsen gegen den Branchentrend: Kommende Woche
treffen sich ihre Macher in Hamburg.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.