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# taz.de -- Kolumne Darum: Kraul doch mal den Tausendfüßler
> Spätestens im Sommerurlaub lernt man: Haustier ist nicht gleich Haustier.
> Dabei könnten Kinder mit Spinnentieren prima üben.
Bild: Der will doch nur spielen.
Die [1][seit Jahren währende Haustierdebatte] – Kinder: unbedingt!, Eltern:
auf keinen Fall! – hat im Sommerurlaub eine überraschende Wende erfahren.
Plötzlich sagten wir Eltern ja zum Haustier (wenn auch nicht in jedem Fall)
und die Kinder wollten auf einmal keine mehr haben. Wie konnte es dazu
kommen? Ganz einfach. [2][Im toskanischen Ferienhaus] waren die Haustiere
schon da. Aus Sicht der Kinder ist Haustier aber nicht gleich Haustier.
Ein kindlicher Merksatz drängt sich auf: Vogel, Katz und Hund sollen ins
Haus. Weberknecht, Spinne und Tausendfüßler müssen raus. Das ist in einem
alten Bauernhaus aber nicht so einfach. Fegt man einen der Krabbler weg,
sitzen woanders schon zwei neue. Wo es heiß wird, suchen auch Sechs-, Acht-
und So-Genau-Kann-Das-Eh-Keiner-Zählen-Beiner gern den Schatten und die
Kühle innerhalb eines alten Gemäuers.
Nützlich sind zumindest Spinnen und Weberknechte in einer Mückenregion
auch. Aber was bringt noch das beste Argument, wenn zwei Kinder anderer
Meinung und sich außerdem einig sind. Also: Besen her, Krabbler weg. Mehr
Krabbler da, noch mehr Besen her, ein schier endloses Gerenne, Gefege usw.
Bis auf eine Maus, an der sich außer den Vorräten niemand störte, war am
Ende des Urlaubs alles vertrieben oder blieb gut versteckt. Und das war
falsch.
Wir hätten hart bleiben müssen. Wir hätten sagen können: Haustier ist
Haustier, zeigt uns, wie gut ihr mit der Situation klarkommt, dann lassen
wir mit uns in Berlin über Vogel, Katz und Hund reden. Wir haben eine
historische Chance versäumt, die Kinder zu einem verantwortungsvollen
Umgang mit Haustieren zu erziehen.
## Mit Spinnen Gassi gehen
Was hätten die Kinder alles lernen können. Morgens um sieben übermüdet und
lustlos mit einer quengelnden Hausspinne Gassi zu gehen, dabei die
Spinnenfäkalien in einem Tütchen zu sammeln und das Tier von Rangeleien mit
anderen Achtbeinern abzuhalten. Und ihnen danach geduldig den Unterschied
zwischen „Sitz!“ und „Platz!“ beibringen.
Oder der Weberknecht. Wenn der nicht wenigstens einmal am Tag fliegen kann,
ist er unglücklich und wird nicht alt. Regelmäßig Futter und Wasser braucht
er, gutes Zureden, ebenso eine Schaukel, ein Glöckchen und am besten noch
Gesellschaft in einem nicht zu kleinen Käfig.
Tausendfüßler wiederum, diese eleganten und eigensinnigen Wesen, mögen es
gern, am Hals gekrault und gelegentlich mit einem kleinen Ball oder
Schlüssel unterhalten zu werden. Klar, es ist eklig ihnen das recht streng
riechende Dosenfutter zu öffnen und zu kredenzen. Aber wenn man es nur oft
genug macht, vergeht der Ekel im Nu. Der Morgenspaziergang mit der Spinne
wird zum Spaß. Der Weberknecht lässt immer öfter seinen hübschen Gesang
ertönen, wird irgendwann zahm und frisst die Körnchen von der Hand.
Wir aber meinten, der Wunsch der Kinder, ohne Tiere im Ferienhaus zu leben,
sei zu erfüllen und haben es doch nur versaut. Sollten wir in unserer
unendlichen Güte zu Hause irgendwann mal einen Hund, eine Katze oder einen
Vogel anschaffen, wird uns fortan die Angst begleiten, die Tiere womöglich
noch am gleichen Tag aus dem Haus fegen zu müssen.
8 Sep 2014
## LINKS
[1] /Kolumne-Darum/!122088/
[2] http://tristerosempire.tumblr.com/post/94442554979/am-berg-der-eichelhaher
## AUTOREN
Maik Söhler
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