Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Darum: Bitte helfen Sie mir!
> Handschuhe, Mützen, Schals, Jacken und Gitarren: All das kann ein Kind
> mit in die Schule nehmen, all das kann es dort auch vergessen. Und noch
> mehr.
Bild: Darin wäre ja wenigstens noch Platz, um ein paar Tage zu überleben. Abe…
Diese Herbstzeit. Zwischen Anfang Oktober und Mitte November ist es am
schlimmsten. Es ist morgens schon so kalt, dass man die Kinder darauf
hinweist, nicht ohne Jacke in die Schule zu gehen. Mittags aber ist es
manchmal noch so warm, dass die Kinder in der Jacke schwitzen. Sie ziehen
sie dann aus, lassen sie irgendwo im Schulgebäude liegen und kommen ohne
Jacke heim.
Im besten Fall am nächsten Morgen – wieder ist es kalt, aber die Jacke ist
nicht da und so weist man darauf hin, dass bitte ein dicker Pullover
angezogen wird und bitte, bitte die Jacke heute nicht wieder in der Schule
vergessen wird –, im besten Fall also wissen sie noch, wo sie die Jacke
hingelegt haben und dann ist es mittags so kalt oder regnerisch, dass sie
die Jacke tatsächlich mit nach Hause bringen.
Der dicke Pullover aber bleibt liegen. In all der Freude, dass die Jacke
wieder da ist, bemerken wir den Verlust des Pullovers erst Tage später, als
auch eine Mütze in der Schule vergessen wurde. Nun liegt der Pullover nicht
mehr da, wo er ausgezogen wurde, sondern er wurde von irgendwem gefunden,
im Sekretariat abgegeben oder gleich in eine der vielen
„Vergessene-Kleidung-Sammelkisten“ geworfen. Davon gibt es mehrere.
Die Schule hat eine, der Hort für die jüngeren Schüler hat eine und der
Hort für die Älteren auch. Das Kind kann sich nun selbst auf die Suche
machen und die Kisten durchwühlen. Das wäre pädagogisch richtig. Wer etwas
verliert, muss es auch selbst wiederfinden. Das Problem ist: Wir sind ja
alle nicht die Reichsten und die meisten von uns schauen aufs Geld und
kaufen Kinderklamotten nicht beim Edeldesigner.
## Mützen gleich im Dutzend
Anders gesagt: Das Kind findet den Pullover wieder, aber er hat sich
seltsamerweise vermehrt – gleich in vierfacher Ausfertigung liegt er in der
Kiste. Was nun? Die Zeit ist knapp, draußen spielen die Kumpels Fußball und
in dieser verdammten Jacke schwitzt man so unerträglich; es wird einfach
irgendein Pullover gegriffen, er wird in den Schulranzen gestopft und zu
Hause stolz präsentiert. Klar, es ist der Falsche. Ein Name steht drin,
Telefonlisten werden gewälzt, Eltern informiert, das Kind muss am nächsten
Tag nochmal zur Kiste, wo immer noch mehrere Pullover des gleichen Modells
liegen und Mützen gleich im Dutzend.
Schon in der Kita war es so, dass man Mützen, Schals, Handschuhe, dünne und
dicke Pullover, Westen und Jacken, ja, selbst Schuhe (einer Dreijährigen
ist es egal, ob sie in Stiefeln oder in Pantoffeln abgeholt wird, und man
selbst hat es ja auch mal eilig) wieder und wieder gesucht, gefunden, zu
Hause als die falschen identifiziert [1][und mit anderen Eltern getauscht
hat], die ebenfalls gesucht, gefunden und zuhause den Irrtum bemerkt haben.
Die Kinder werden größer, die Objekte auch. Heute kann es auch mal eine
Gitarre oder ein Cello sein, die in der Schule bleiben.
Bitte helfen Sie mir. Denn es wird eng für mich. Seit Tagen, genauer: seit
dem letzten [2][Streit übers „Lichtausmachen“] , beschleicht mich der
Verdacht, dass eines meiner Kinder vorhat, mich mit in die Schule zu
nehmen. Sollten Sie mich dort in einigen Wochen auf der Suche nach
vergessener Kleidung Ihrer Kinder in einer Kiste finden, schauen Sie bitte
aufs Namensschildchen und geben Sie mich zu Hause ab. Danke im Voraus!
14 Nov 2014
## LINKS
[1] /Kolumne-Darum/!107542/
[2] /Kolumne-Darum/!144015/
## AUTOREN
Maik Söhler
## TAGS
Schule
Kinder
Darum
Kinder
taz.gazete
Richard Wagner
Kinder
Hund
Licht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Darum: Giraffe schlägt Handy
Das erste Kind ragt über die Kindermesslatte hinaus. Machen die
Tierfiguren, die Größenspannen symbolisieren, irgendeinen Sinn? Auf jeden
Fall.
Kolumne Darum: Der engste Raum der Welt
Eigentlich ist der Flur gar nicht so klein – außer wenn sich vier Leute
darin anziehen wollen. Mein Gefühl der Enge muss ein Wahn sein.
Kolumne Darum: 130 Minuten Höchststrafe
Wer Kinder bestrafen will, bestraft am Ende nur sich selbst. Allein die
deutsche Hochkultur hält passende Sanktionen für jeden Zweck parat.
Kolumne Darum: Freiheit an der Leine
In Spielen schlüpfen Kühe aus Eiern, in der Realität werden Kinder
angebunden. Absurd, klar. Noch absurder geht es in Familien aber woanders
zu.
Kolumne Darum: Kraul doch mal den Tausendfüßler
Spätestens im Sommerurlaub lernt man: Haustier ist nicht gleich Haustier.
Dabei könnten Kinder mit Spinnentieren prima üben.
Kolumne Darum: Möge ihnen ein Licht ausgehen
Zwei Kinder, zehn Lichtschalter – das kann nicht gutgehen. Nur für ein
Ratespiel und grausame Rache taugt diese Konstellation.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.