# taz.de -- Coffeeshop in Berlin-Kreuzberg: Kiff lässt Köpfe rauchen | |
> Eine Experten-Anhörung im Rathaus Kreuzberg zeigt: Der Bezirk muss | |
> öffentliches Interesse am geplanten Modellprojekt belegen. Das wird nicht | |
> einfach. | |
Bild: Diese These wird nicht von jedem geteilt: auf der Hanfparade in Berlin vo… | |
Die Vertreterin des Vereins Berliner Elternkreise ist empört: „Denken Sie | |
auch mal an Kinder und Jugendliche mit Suchtproblemen?“, fragt die besorgte | |
Frau Cornelius Nestler. Jener hatte zuvor erklärt, die Konsequenzen der | |
Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten seien größer als die | |
gesundheitlichen Gefahren gelegentlichen Konsums. Seinen eigenen Kindern | |
habe er deshalb immer geraten: „Raucht, was ihr wollt – aber lasst euch | |
dabei nicht erwischen.“ | |
Nestler ist jemand, der es eigentlich wissen muss: Der Strafrechtsprofessor | |
aus Köln, und sein Kollege Ulrich Gassner, Fachmann für Verfassungs-, | |
Verwaltungs- und Arzneimittelrecht an der Universität Augsburg, sind auf | |
Einladung von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) ins | |
Kreuzberger Rathaus gekommen, um über die rechtlichen Möglichkeiten bei der | |
Umsetzung eines Modellprojektes zur Abgabe von Cannabis im Bezirk zu | |
diskutieren. Die Expertenanhörung sei „ein weiterer Baustein“ auf dem Weg | |
zu Deutschlands erstem Coffeeshop, sagt Herrmann. Ein historischer Moment | |
sozusagen. Im November 2013 hatte die Bezirksverordnetenversammlung auf | |
Antrag der Grünen beschlossen, ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe | |
von Cannabis am Görlitzer Park einzurichten. So wolle man den „negativen | |
Folgen der bisherigen Verbotspolitik und dem florierenden Schwarzmarkt“ | |
begegnen. Konkret: Den zeitweise mehr als 100 Dealern, die im Park illegal | |
Gras verkaufen, soll der Markt entzogen werden. | |
Die größte Hürde auf dem Weg dahin sieht Ulrich Gassner bei der Beantragung | |
einer Erlaubnis für den Umgang mit Cannabis. Denn um das Gewächs besitzen | |
oder dessen rauchbare Produkte gar in den Umlauf bringen zu dürfen, braucht | |
der Bezirk eine Ausnahmegenehmigung vom Bundesamt für Arzneimittel und | |
Medizinprodukte (BfArM). „Ein Modellprojekt muss mit einem | |
wissenschaftlichen und/oder öffentlichen Interesse begründet werden“, | |
erklärt der Experte. Das schreibe das Betäubungsmittelgesetz vor. | |
Ein möglicher wissenschaftlicher Ansatz könnte eine kriminologische | |
Untersuchung sein, inwieweit sich illegale Märkte durch legale ersetzen | |
ließen. Ein anderer die Fragestellung, wie sich Konsumverhalten durch | |
Legalisierung verändert. „Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt“, sagt | |
Gassner. Das BfArM bewerte nur die Plausibilität, nicht den | |
wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn des Ansatzes. | |
Die Vertreterin der Berliner Elternkreise überzeugt das alles nicht. Sie | |
verlangt mehr Inhalte: Wie soll die kontrollierte Abgabe konkret aussehen? | |
Wer garantiert, dass die KundInnen des Coffeeshops den Stoff nicht nachher | |
auf der Straße an Minderjährige weiterverkaufen? „Cannabis zu besorgen ist | |
für Minderjährige derzeit so leicht wie nie“, kontert Herrmann, sogar | |
Alkohol sei schwerer zu bekommen. Sie möchte die Kontrolle über den Markt | |
gewinnen, betont aber auch gleichzeitig die Bedeutung von Aufklärung und | |
Suchtprävention. | |
Herrmann zeigt sich am Ende der Veranstaltung sehr zufrieden mit deren | |
Verlauf: „Wir brauchen mehr ideologiefreie Auseinandersetzung mit dem | |
Thema.“ Ende des Jahres will der Bezirk den Antrag für das BfArM | |
ausformuliert haben. Drei Monate hat die Bundesbehörde dann Zeit, das | |
Konzept zu prüfen. Herrmann selbst hat noch nie gekifft. Dennoch, sagt sie | |
am Ende des Abends, würde sie jetzt gern einen Joint rauchen – gegen ihre | |
Zahnschmerzen. | |
11 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Feliks Todtmann | |
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