# taz.de -- Cannabis: „Jetzt wird der Handel von Gangstern beherrscht“ | |
> Qualität, und zwar legal: Die Vorteile eines Coffeeshops überwiegen, | |
> meint Georg Wurth, Vorsitzender des Deutschen Hanfverbandes. | |
Bild: Etappensieg für die Ermittler: Marihuana-Plantage, entdeckt im Großraum… | |
taz: Herr Wurth, Schwerstabhängige bekommen in Deutschland legal Heroin. | |
Warum tut sich die Politik bei der Bewilligung von legalen Abgabestellen | |
für Cannabis, also Coffeeshops, so schwer? | |
Georg Wurth: Es geht sicherlich darum, eine Art Dammbruch zu verhindern. | |
Damit könnte ja das Tor geöffnet werden zu einer weitergehenden | |
Legalisierung. | |
Was sinnvoll wäre. | |
Zumindest sollte ausprobiert werden, ob die Vor- oder die Nachteile | |
überwiegen. Überwiegen die Vorteile, wovon ich ausgehe, wird es vermutlich | |
auch anderswo Nachahmer geben. | |
Wozu braucht Berlin einen Coffeeshop? | |
Wir brauchen überall Coffeeshops. Jetzt wird der Cannabishandel von | |
Gangstern und Schwarzmärkten beherrscht. Jeder Versuch, neue Wege | |
auszuprobieren, ist richtig. Berlin ist dafür nicht das schlechteste | |
Pflaster. | |
Existieren Schwarzmärkte nicht trotz Coffeeshops weiter? | |
Das ist eine Frage des Preises. Man darf die Steuern auf Cannabis nicht so | |
hochtreiben, dass der Schwarzmarkt dann noch lukrativ ist. Bei Zigaretten | |
sind die Steuern so hoch, dass sich der Schwarzmarkt noch lohnt. Bei | |
Alkohol ist dieses Level noch nicht erreicht. Deshalb laufen in den Parks | |
auch keine illegalen Schnapsdealer rum. Auch bei Cannabis würden regulierte | |
Strukturen den Schwarzmarkt verdrängen. Auch, weil sich die Kunden auf eine | |
vernünftige Qualität verlassen können. Im Moment ist ja doch sehr viel | |
gestrecktes Gras unterwegs. | |
Würde ein Coffeeshop denn ausreichen, um den Görlitzer Park zu entlasten? | |
Um das zu bewirken, müsste man die große Lösung anstreben, also auch die | |
Touristen in die Coffeeshops reinlassen. In diesem Fall wäre es besser, | |
mehrere Coffeeshops einzurichten und diese über den Bezirk zu verteilen. | |
Mein Plädoyer wäre, dass es in den Coffeeshops auch große gastronomische | |
Bereiche gibt, die zum Verweilen einladen. Sonst kaufen die Leute dort nur | |
ein und landen wieder massenhaft in den Parks. | |
Sollte man den Modellversuch auf eine bestimmte Klientel beschränken? | |
Beim Heroinprojekt hat man die Zahl auf 1.000 Leute beschränkt. Man wollte | |
erst mal untersuchen, wie sich das auswirkt. Lieber ein kontrollierter | |
Versuch, der vernünftig organisiert und umgesetzt wird. | |
Haben Sie, was Organisation und Umsetzung des Projekts angeht, Vertrauen | |
zum Bezirksamt von Friedrichshain-Kreuzberg? | |
Fragen Sie mich nach den drei geplanten Anhörungen noch mal (lacht). Bis | |
jetzt wissen wir noch gar nicht, was da eigentlich konkret passieren soll. | |
Seit der Bezirk das Vorhaben im vergangenen November angekündigt hat, ist | |
nichts passiert. Sind Sie darüber enttäuscht? | |
Dass es so lange dauern würde, hätte ich nicht vermutet. Aber lieber einmal | |
mehr nachdenken, damit wir am Ende auch Erfolge sehen, als ein | |
Schnellschuss, der scheitert. | |
Was muss der Bezirk dabei alles beachten? | |
Da sind ganz viele Dinge zu klären: Woher kommt die Ware? Wird sie in | |
Berlin angebaut? Kann man eine Importgenehmigung zum Beispiel aus Marokko | |
bekommen? Welches Institut macht die wissenschaftliche Begleitstudie? Wer | |
macht mit, was passiert mit den Daten der Beteiligten? Schleswig-Holstein | |
hat das in den 90er Jahren schon alles sehr gut durchdekliniert. Es hat | |
genau gezeigt, wie man das machen muss. | |
Der Antrag ist damals aber von der zuständigen Bundesbehörde abgelehnt | |
worden. | |
Auch von der CSU, der damalige Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer hat | |
sofort gesagt: Mit mir nicht. Mal sehen, wie es diesmal läuft. Die | |
Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann hat bereits angekündigt, gegen eine | |
Ablehnung zu klagen. Das hat Schleswig-Holstein damals nicht gemacht. | |
Was könnte man in einer Begleitstudie untersuchen? | |
Da gibt es eine große Bandbreite an Fragen. Das Konsumverhalten, den | |
Gesundheitszustand. Man könnte aber auch die gesellschaftlichen | |
Auswirkungen untersuchen. Schleswig-Holstein hat das Projekt damals auf die | |
Einwohner seines Bundeslandes bezogen. Das wäre auch noch eine Option für | |
Kreuzberg. | |
Was hieße das? | |
Dass nur Leute über 18 Jahre in dem Coffeeshop einkaufen können, die | |
nachweislich in dem Bezirk wohnen. Das hätte den Charme, das man keine | |
Touristen anlocken würde. | |
Dann würden alle Kiffer nach Kreuzberg ziehen. | |
(lacht) Dann muss schnell gebaut werden. | |
28 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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Berlin | |
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