# taz.de -- Namensdebatte um Frankfurter Stadion: Sechs Richtige für ein Walds… | |
> Die Fans von Eintracht Frankfurt wollen den alten Namen „ihres“ Stadions | |
> zurückkaufen. Dafür setzen sie auf kollektives Lottospielen. | |
Bild: Für die Fans der Eintracht heißt es noch immer „Waldstadion“ | |
FRANKFURT AM MAIN taz | Glaube kann mitunter Berge versetzen – aber kann er | |
auch die Kugeln beim Lottospiel beeinflussen? Wenn man Johannes Rapp reden | |
hört, könnte man genau diesen Eindruck bekommen. „Wenn wir Pech haben, | |
gewinnen wir nur ein paar Millionen und nicht den Jackpot. Die | |
Wahrscheinlichkeit ist ja nicht ganz 100 Prozent.“ Genau genommen liegen | |
die Chancen für sechs Richtige samt Superzahl im Lotto bei 1:140 Millionen. | |
Das weiß auch Johannes Rapp, sein Lachen verrät das. | |
Eigentlich ist der 37-Jährige aber weder Komiker noch Glücksspieler. Er ist | |
Fußballfan, seine Liebe gilt der Frankfurter Eintracht. Und wie viele | |
andere Anhänger nervt ihn die „zunehmende Kommerzialisierung“ in seinem | |
Sport: „Wir eingefleischten Fans kämpfen permanent gegen den Einfluss von | |
externen Geldgebern.“ Eines dieser Ärgernisse ist der Name des | |
Fußballstadions der Eintracht, oder wie Rapp sagt, „unseres Wohnzimmers“. | |
Bis 2005 hieß dieses achtzig Jahre lang „Waldstadion“, dann erwarb eine | |
große deutsche Bank die Namensrechte. Nun heißt der Fußballtempel offiziell | |
„Commerzbank-Arena“. Viele Anhänger können sich damit aber nicht | |
anfreunden, sie nennen die Sportstätte weiterhin Waldstadion, das zeigen | |
all die Gesänge, Transparente und bestickten Fanutensilien. Auch viele | |
Journalisten, besonders aus der Lokalpresse, benutzen die alten | |
Bezeichnung. | |
Da nun im nächsten Jahr das Namensrecht am Stadion im Frankfurter Stadtwald | |
neu vergeben wird, haben sich die Anhänger der Fanorganisation | |
Nordwestkurve, der neben den Ultras weitere Fanklubs angehören, überlegt, | |
„was wir tun können, damit das Waldstadion auch wieder so heißt“, erzählt | |
Rapp. „Da wir nicht mehrere Millionen Euro auf der hohen Kante haben, um in | |
die Verhandlungen um den Stadionnamen einzusteigen, kam uns die Idee mit | |
dem Lotto.“ | |
## „Reclaim the name“ | |
Dazu hat der Verein Nordwestkurve, deren Sprecher Rapp ist, die Aktion | |
„Reclaim the name“ ins Leben gerufen: ein Aufruf an alle Eintracht | |
Frankfurt-Fans, zusammen Lotto zu spielen. „Wir wollen am 13. September um | |
16 Uhr gemeinsam unser Glück versuchen.“ Mit einem möglichen Gewinn soll | |
der alte Namen des Stadions zurückgekauft werden. Der Besitzer des kleinen | |
Kiosks an der Bockenheimer Warte, wo Rapp am Samstag „einige hundert“ Fans | |
zum Lottospiel erwartet, sei bereits vorgewarnt und für den Ansturm | |
entsprechend gerüstet. | |
Allerdings zahlte die Commerzbank seinerzeit 30 Millionen Euro, um die | |
Namensrechte für zehn Jahre zu kaufen. Da der Lotto-Jackpot in den letzten | |
Wochen mehrfach geknackt wurde und deshalb nicht mit einem solchen Betrag | |
zu rechnen ist, braucht selbst ein Optimist wie Rapp einen Plan B. Sollte | |
das Geld „wider Erwarten“ nicht reichen, um mit der städtischen | |
Betreibergesellschaft des Stadions in Verhandlungen zu treten, wird es der | |
Jugendabteilung der Eintracht gespendet. „Oder wir kaufen die Namensrechte | |
nur symbolisch für einen Spieltag.“ | |
Denn den Initiatoren aus der Nordwestkurve des Waldstadions geht es vor | |
allem darum, Aufmerksamkeit für ihr Anliegen zu erzeugen. „Und dem neuen | |
Namensgeber ein Signal zu senden: Egal, wie das Stadion heißt, für uns | |
bleibt es das Waldstadion.“ Das sei auch „eine Frage der Identität“. | |
Das sehen viele Fans in den Stehplatzkurven deutscher Stadien genauso. Zwar | |
haben nur vier der 18 Bundesligisten die Namensrechte an ihrem Stadion | |
nicht verkauft und selbst in unteren Ligen sind kommerzielle Stadionnamen | |
en vogue. Doch die Fanszene führt längst eigene Namen. Seit etwa in | |
Nürnberg das Frankenstadion wechselnde Unternehmensnamen bekam, haben es | |
die aktiven Fans in Max-Morlock-Stadion umbenannt. | |
Auf St. Pauli stimmten die Vereinsmitglieder bereits 2008 gegen den Verkauf | |
der Namensrechte. In Aachen wird, um den traditionellen Namen zu erhalten, | |
auf jedes Ticket der „Tivoligroschen“ erhoben. Und in Duisburg verhinderten | |
Fanproteste die Umbenennung der Arena in RWE-Stadion, zu sehr gemahnte der | |
Namen an den Lokalrivalen Rot-Weiß Essen. Nun heißt das Stadion | |
„Schauinsland-Reisen-Arena“. | |
12 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Timo Reuter | |
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