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# taz.de -- Architektur gegen Fan: Miese Laune in neuen Arenen
> Durch die Architektur der modernen Stadien und Sporthallen in Deutschland
> wird die Ungleichheit der Besucher regelrecht zementiert.
Bild: Lahme Stimmung trotz toller Tore - eine Frage der Architektur?
Auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern München Anfang November war
schwer was los. Ein Mitglied und Fan rechnete vor: Im Uefa-Cup-Spiel der
Münchner gegen Bolton sechs, im Bundesligaspiel gegen Eintracht Frankfurt
acht Minuten Fangesänge. Im ganzen Spiel. Ralf Seeliger, der Fan, wollte
den Verantwortlichen des FC Bayern München mit der Stoppuhr verdeutlichen,
wie mies die Stimmung in der meist ausverkauften Fröttmaninger Arena doch
sei. Dann soll er noch den schönen Satz gesagt haben, dass "man mit
Champagnergläsern keine La Ola machen kann". Es folgte die bekannte Wutrede
von Bayern-Manager Uli Hoeneß. Er schrie unter anderem: "Das ist
populistische Scheiße!" Und: "Scheißstimmung? Da seid ihr doch dafür
verantwortlich, nicht wir."
Das hart ausgetragene Wortgefecht offenbarte einen ernsten, für den
deutschen Profisport fast exemplarischen Grundkonflikt. Nämlich die
zunehmende Entfremdung der Vereine von ihren treuesten Anhängern und die
schlechte Stimmung in den Stadien. Das gilt für den Fußballsport genauso
wie für das Eishockey und ist vielleicht sogar das Zukunftsszenario für die
deutsche Boomsportart Handball. Alle diese Sportarten haben mehr gemein,
als es oberflächig betrachtet den Anschein hat. Ihre Spielstätten heißen
Arenen und tragen irgendeinen Namen eines Sponsoren davor. Die Allianz
Arena in München, die HSH Nordbank Arena in Hamburg oder der Dortmunder
Signal Iduna Park sind nur drei Beispiele, die für diese Entwicklung
stehen.
Die Arenen sind dem Stadtteil, dem urbanen Milieu und Alltagsleben der Fans
räumlich wie inhaltlich längst entrückt. Sie liegen oft an der städtischen
Peripherie und sind nicht selten nur über lange Anfahrtswege mit dem Auto
zu erreichen. "Es sind Pilgerstätten für einmal oder zweimal die Woche mit
riesigen Parkplätzen davor. Sie sind austauschbar. Man könnte sie überall
hinbauen, weil sie längst den Bezug zu den Lebenswelten der Bewohner, der
Fans verloren haben", so der Schweizer Architekt Eraldo Consolascio, der
gerade in Zürich mit dem offenen Stadion Letzigrund eine Art Gegenentwurf
zu den geschlossenen deutschen WM-Arenen gebaut hat.
Die Arenen in Deutschland sind also, nicht nur aufgrund ihrer Namen,
Sinnbild der totalen Kommerzialisierung. Es geht um nichts anderes mehr als
um "gute Unterhaltung". Die überteuerten Zonen, Lounges und Logen sind die
wesentlichen Merkmale dieser Spielstätten des neuen Typs. Der klassische
Fan dient bei dieser Sportshow entweder nur noch als Kulisse, der mit
seiner Vereinsfahne, seiner Trompete und der Kutte in ein paar speziell
ausgewiesenen Zonen kräftig Stimmung machen darf und soll. Oder er steht in
schicker Uniform vor einer roten Samtkordel, um den Privilegierten in ihren
exklusiven Bereichen Einlass in die allerheiligsten Zonen zu gewähren
("Genießen sie das Spiel"). Lifestyle-Streber und schwerreiche
Geschäftsleute sind dabei, eine der letzten Bastionen des einstmals
demokratischen Massenereignisses zu erobern.
Nirgendwo wird das deutlicher als in den neusten architektonischen
Errungenschaften der Fußball-Bundesliga wie der Allianz Arena, den neuen
Indoorarenen für Eishockey oder Handball, wie die O2 World in Berlin oder
die SAP Arena in Mannheim.
Der Sport ist durch diesen Typus der Sportstättenarchitektur im wahrsten
Sinne salonfähig geworden. Der Proletengeruch der Fans hat sich verziehen
müssen. Im Fußball sind die Zeiten, in denen die deutschen Stadien als
klassenlose Kommunikations- und Identifikationszentren der Fans verstanden
wurden, spätestens seit der WM 2006 für immer vorbei. In den Arenen zeigt
sich die krasse Ungleichheit der Stadionbesucher offen und ohne jede Scham.
Wir hier oben in den gläsernen Galerien mit Buffet, schicken Hostessen,
Blümchen auf dem Waschbecken und Schampus auf dem gedeckten Logenplatz. Ihr
da rechts und links auf den billigen Plätzen als Krawallmacher.
Es war dieser Konflikt, der sich auf der Bayern-Hauptversammlung Bahn
brach. "Was glaubt ihr eigentlich, was wir das ganze Jahr über machen,
damit wir euch für sieben Euro in die Südkurve gehen lassen können", so
Hoeneß damals zu den Fans. Und weiter: "Das sind die Leute aus den Logen,
denen wir die Gelder aus der Tasche ziehen." Die zahlen übrigens bis zu
250.000 Euro pro Saison für ihre Luxuskabinen. Bayern hat in der Allianz
Arena über 200 davon. Und außerdem: Der Klub, so Hoeneß, habe den Fans ja
angeboten, im Stehplatzsektor eine Blaskapelle aufspielen zu lassen, die
die Gesänge anstimmt.
Unter den klassischen Fans ist längst eine Gegenbewegung entstanden. Dabei
geht es um viel mehr als nur um eine romantisch verklärte Symbolik, wie
Hoeneß der Öffentlichkeit weismachen wollte. Die Anhänger des
Bundesligisten Hansa Rostock wehrten sich beispielsweise vehement gegen den
Verkauf der Namensrechte des Ostseestadions. Auch wenn sie das nicht
verhindern konnten, errangen sie immerhin einen Teilerfolg. Sie setzen
einen Schutz der Vereinssymbolik durch. Änderungen sind nur noch möglich,
wenn 80 Prozent der Mitglieder zustimmen. Beim Fußball-Zweitligisten FC.
St. Pauli liegt ein Antrag vor, der dem Verein verbieten soll, den
Stadionnamen "Millerntor-Stadion" zu Werbezwecken zu verkaufen. Rund 90
Prozent der Mitglieder sympathisieren mit dem Antrag, so der Initiator der
Fan-Aktion Jochen Harberg. Für ihn und viele andere wäre eine
Namensänderung des Millerntors so, als wenn man seinen Familiennamen
verkaufen würde - und der sei schließlich heilig, so der Fan.
4 Dec 2007
## AUTOREN
Torsten Haselbauer
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