| # taz.de -- Einkaufen: Zahnpasta kommt nicht aus der Tube | |
| > Im "Original Unverpackt"-Supermarkt in Berlin-Kreuzberg kann man fast | |
| > ganz ohne Verpackungsmüll einkaufen gehen. | |
| Bild: ... und Nudeln nicht aus der Plastiktüte. | |
| Das kommt nicht in die Tüte! Das ist prinzipiell mal das Motto des ersten | |
| „Original Unverpackt“-Supermarkts, der vergangenen Samstag in Kreuzberg | |
| seine Türen öffnete. Ein Geschäft, das seine Waren ganz ohne Verpackungen | |
| und unnötige Schutzhüllen verkaufen will. | |
| Auf den ersten Blick: graue Fassade, ein einfaches blank geputztes | |
| Schaufenster mit blassrotem „OV“-Logo darüber. Zwischen einem Sanitätshaus | |
| und einem Fair-Trade-Modeladen lässt sich der „Original | |
| Unverpackt“-Supermarkt in der Wiener Straße leicht übersehen. Ursprünglich | |
| befand sich hier eine Fleischerei, man sieht es noch an den blau-weißen | |
| Fliesen, mit denen der Eingangsbereich gekachelt ist. An den hohen Wänden | |
| sieht man alten Stuck. Direkt am Eingang steht eine lange Theke mit | |
| Kassensystem und Waage, direkt gegenüber gibt es Gemüse- und Obstkisten. So | |
| ordentlich sortiert und übereinandergestapelt lassen sie den gemütlichen | |
| Charme eines Tante-Emma-Ladens aufleben. | |
| Im hinteren Teil des Ladens finden sich unzählige Glasbehälter, glänzendes | |
| Metall und durchsichtige Rohre an der Wand, aus denen Lebensmittel | |
| abgefüllt werden können. Im Allgemeinen wirkt der Einkaufsbereich recht | |
| steril. Und das muss auch so sein. Denn natürlich entspricht der Verkauf | |
| der unverpackten Waren den Hygienevorschriften. | |
| Insgesamt misst der Laden knapp 90 Quadratmeter, auf denen sich rund 350 | |
| Artikel tummeln. Das Angebot reicht von Nüssen, Reis, Nudeln und Müsli bis | |
| hin zu Gewürzen und Olivenöl. Alles, was man auch sonst im Supermarkt | |
| bekommt. Sogar Kosmetik. „Die meisten unserer Waren kommen aus der näheren | |
| Umgebung, so dass die Verpackungswege auch immer kontrollierbar sind“, | |
| erklärt einer der Verkäufer. „Dadurch, dass wir versuchen, alles auch so | |
| unverpackt wie möglich anliefern zu lassen, müssen die Wege so kurz wie | |
| möglich sein.“ | |
| ## Kaufen mit Abzapfsystem | |
| Am Montagnachmittag, zwei Tage nach der Eröffnung, ist der Laden gut | |
| besucht. Eine junge Frau schlängelt sich durch die kleine Einkaufsgasse, | |
| macht Halt an den unterschiedlichen Stationen und füllt sich nach Bedarf | |
| ihre Plastikbehälter. | |
| Mit dem losen Obst und dem Abzapfsystem bei „Original Unverpackt“ können | |
| sich die Kunden genau die Mengen nehmen, die sie benötigen. | |
| Größtenteils sind die Preise dabei mit denen in den herkömmlichen | |
| Supermärkten zu vergleichen. Möglich ist das, weil das Geschäft ja an der | |
| Verpackung spart, die normalerweise bis zu 20 Prozent des Produktpreises | |
| ausmacht. Und weil der Kunde bei „Original Unverpackt“ eben nur nach | |
| Verbrauch kaufen kann und nicht von vorgegebenen Verpackungsgrößen abhängig | |
| ist, kommt ihn das im Resultat günstiger. | |
| Der Einkauf selbst ist einfach. Wer das erste Mal mit seiner Vorratsdose | |
| vorbeikommt, dem wird das Leergewicht des Gefäßes ausgewogen. Dann wird ein | |
| Etikett angebracht, auf dem das Gewicht steht. Anschließend geht es los mit | |
| dem Einkauf. | |
| Im „Original Unverpackt“-Laden herrscht, wie in jedem anderen Supermarkt | |
| auch, Selbstbedienung. Getränke wie Milch und Saft werden in Pfandflaschen | |
| verkauft. Alles andere wie Reis oder Kürbiskerne kann aus großen | |
| Glasflaschen einfach in die mitgebrachten Behälter gefüllt werden. | |
| Flüssigkeiten werden mit einem Zapfhahn abgefüllt, an den Gewürzgläsern | |
| hängen kleine Löffel. | |
| Selbst Zahnpasta gibt es hier. Allerdings nicht wie gewohnt in einer | |
| Plastiktube abgepackt, sondern in Form von Tabletten, die sich beim | |
| Zähneputzen im Mund auflösen. | |
| An der Kasse wird dann jedes Produkt gewogen und das jeweilige Leergewicht | |
| des mitgebrachten Behälters abgezogen. Für Kunden, die gerade keine eigenen | |
| Vorratsdosen zur Hand haben, gibt es natürlich eine große Auswahl an | |
| Baumwollbeuteln, Mehrwegflaschen und recycelbaren Biotüten, die gegen | |
| Aufpreis mitgenommen werden können. | |
| Im „Original Unverpackt“-Supermarkt findet sich alles, was beim täglichen | |
| Einkauf benötigt wird. Nur Kleinigkeiten wie etwa Toilettenpapier haben es | |
| noch nicht ins Sortiment geschafft. Es wurde noch keine unverpackte Lösung | |
| dafür gefunden. Auch für eine Fleisch- und Käsetheke ist der jetzige Laden | |
| noch zu klein. Einmal wöchentlich aber soll der Käsemann kommen und seine | |
| frisch vom Laib geschnittene Ware an die Kunden bringen. | |
| ## Traum vom Umdenken | |
| Die Gründerinnen von „Original Unverpackt“ sind Milena Glimbovski und Sara | |
| Wolf. Mit ihrem Supermarkt träumen sie von einem Umdenken in Sachen | |
| Einkaufen und plädieren für einen geregelteren und bewussteren Umgang mit | |
| Ressourcen und Lebensmitteln. | |
| Immerhin durchschnittlich 250 Kilogramm Kunststoff- und Papierabfall | |
| produziert jeder Deutsche jährlich allein durch seine Einkäufe in den | |
| Supermärkten. Hinzu kommt, dass es gerade in Berlin viele Singlehaushalte | |
| gibt, die sonst bei den Supermärkten in vorgegebenen Mengen kaufen müssen | |
| und oft einen Teil davon wegwerfen. Auch gegen diese Verschwendung von | |
| Lebensmitteln will „Original Unverpackt“ angehen. | |
| Als Milena Glimbovski und Sara Wolf ihren Business-Plan erstmals | |
| präsentierten, fand ihr Konzept von Anfang an großen Anklang: 2013 gewannen | |
| sie damit den Business-Wettbewerb Berlin Brandenburg in dem Bereich „Beste | |
| Idee und Marketing“. Das Bundeswirtschaftsministerium zeichnete sie im | |
| gleichen Jahr als Kultur- und Kreativpiloten aus. Mit Hilfe einer | |
| Crowdfunding-Kampagne konnten sie in diesem Jahr ihren Traum schließlich in | |
| die Realität umsetzen. Knapp 110.000 Euro wurden dafür gesammelt – das war | |
| fünfmal mehr, als sie sich anfangs erhofft hatten. | |
| ## Filiale in Planung | |
| Erste Vorläufer für ihre Idee gab es bereits in London unter dem Namen | |
| „Unpackaged“. Seit Februar dieses Jahres gibt es auch in Kiel einen Laden | |
| mit dem schlichten Titel „Unverpackt“. | |
| Milena Glimbovski und Sara Wolf sind sich sicher: Ihr Idee vom „Original | |
| Unverpackt“-Supermarkt hat Zukunft. Sie wollen wachsen, ihr Angebot | |
| erweitern und natürlich auch expandieren. Bereits vor der Eröffnung ihres | |
| Ladens vergangenen Samstag haben sie Anfragen für Franchise-Filialen in | |
| ganz Deutschland erhalten. Und auch die nächste Filiale in Berlin ist für | |
| 2015 in Planung. | |
| 16 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Alexandra Brechlin | |
| ## TAGS | |
| Lebensmittelhandel | |
| Verpackungsmüll | |
| Einzelhandel | |
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