# taz.de -- Virologe über Ebola-Infektion: „Die Gefäße werden leck“ | |
> Die Infektion sei ein Wettlauf zwischen dem Virus und dem Immunsystem, | |
> sagt der Virologe Bernhard Fleischer. Sechs von zehn Patienten sterben. | |
Bild: Ansteckungsgefahr: Helfer schaffen einen Ebola-Toten aus einer Siedlung i… | |
taz: Herr Fleischer, im Kampf gegen Ebola haben die Verteidigungsministerin | |
und der Gesundheitsminister an Ärzte und Pfleger appelliert, als | |
Freiwillige nach Westafrika zu gehen. Dort haben sich zuletzt auch | |
medizinische Fachkräfte infiziert. Wenn nicht einmal diese wirksam vor | |
Ansteckung geschützt werden können: Wie gefährlich ist das Virus? | |
Bernhard Fleischer: Das Virus ist genauso gefährlich wie bisher auch. Die | |
Sterblichkeitsrate liegt seit Ausbruch der Epidemie unverändert bei etwa 60 | |
Prozent. Es gibt keinen Hinweis, dass sich daran etwas geändert hätte. Es | |
ist aber möglich, sich vor einer Ansteckung zu schützen. | |
Warum gelingt dies selbst Ebola-Experten nicht immer? | |
Die Krankenhäuser vor Ort sind überhaupt nicht darauf eingerichtet, mit so | |
gefährlichen Patienten umzugehen. Das größte Problem sind die | |
Körperflüssigkeiten. Das sind sehr große Mengen an Ausscheidungen, die die | |
Patienten produzieren und die hoch infektiös sind. In Schweiß, Blut, Urin, | |
Erbrochenem und Stuhl ist das Virus in hohen Konzentrationen vorhanden. In | |
einem Kubikmillimeter Blut etwa befinden sich eine Million Viruspartikel. | |
Was passiert mit diesen Ausscheidungen? | |
Genau das ist das Problem. In einer mobilen Hochsicherheitsstation, wie sie | |
die Bundeswehr aufbauen könnte, gibt es Schleusen, ausreichend | |
Desinfektionsmittel, Schutzkleidung, Abfallbehälter und Betten, die so | |
ausgestattet sind, dass die Ausscheidungen gleich sterilisiert werden | |
können. Feste Bestandteile können verbrannt werden. Damit wird das Virus | |
inaktiviert. | |
Das Virus hat bislang keine Resistenzen, etwa gegen Desinfektionsmittel, | |
entwickelt? | |
Nein. Das Ebola-Virus ist weniger resistent als andere, etwa das | |
Polio-Virus. Setzt man es zum Beispiel eine Stunde lang Temperaturen von 60 | |
Grad aus, dann ist es kaputt. Das Problem bei Ebola sind wirklich die hohen | |
Konzentrationen im Körper. | |
US-Forscher haben jetzt Mutationen des Virus‘ beschrieben und davor | |
gewarnt, dass sich möglicherweise die Übertragungswege verändern könnten. | |
Mutationen sind häufig bei allen Viren. Dass auch das Ebola-Virus sich | |
verändert und bereits verändert hat, heißt aber noch lange nicht, dass es | |
deswegen auch gefährlicher, also tödlicher geworden ist. | |
Warum verändert sich das Virus überhaupt? | |
Jedes Virus muss sich optimal auf seine Wirtszellen einstellen. Besonders | |
verändern muss es sich bei einem Wirtswechsel, aktuell also von der | |
Fledermaus zum Menschen. Die menschlichen Zellen sind anders als die der | |
Fledermaus, auch das menschliche Immunsystem ist anders. Das Virus wird | |
also versuchen, sich optimal zu adaptieren an den Menschen, und zwar so, | |
dass es sich in den menschlichen Zellen besonders gut vermehren kann, ohne | |
diese Zellen zu schnell zu zerstören. Dass das gelingt, zeigt sich im Blut | |
der Ebola-Patienten. | |
Was heißt das für die Gefährlichkeit des Virus? | |
Wir wissen es nicht. Unsere Virologen haben zwar große Mengen von | |
Virus-Isolaten mitgebracht aus Afrika, aber die müssen noch untersucht | |
werden. Wir wissen aber aus der Forschung zu anderen Viren, etwa zum | |
Influenza-Virus der Spanischen Grippe von 1918, das man aus dem | |
grönländischen Eis herausgeholt und untersucht hat, dass dieses alte | |
Influenza-Virus viel tödlicher ist als seine heutigen mutierten Nachfolger. | |
Im Laufe der Jahre ist das Influenza-Virus viel schwächer geworden. Das | |
leuchtet ja auch ein: Es ist nicht gut für ein Virus, seinen Wirt | |
umzubringen, denn dann kann es sich selbst nicht mehr vermehren. | |
Die Gefährlichkeit des Ebola-Virus’ wird also abnehmen? | |
Das ist nur eine Vermutung. Derzeit wissen wir nicht mal, was das | |
Ebola-Virus genau im Menschen anrichtet. Wir wissen nicht, woran die | |
Menschen sterben. | |
Sie verbluten, oder? | |
Die Gefäße werden leck, die Organe versagen, der Organismus ist gestört. | |
Aber all das passiert erst gegen Ende der Infektion und nicht bereits, wenn | |
das Virus schon in großen Mengen im Körper nachweisbar ist. Wir wüssten | |
gern, was da passiert. In Zellkulturen haben wir gesehen, dass das Virus | |
sich extrem schnell vermehrt, ohne dass die Zellen sterben. Daneben kann | |
das Virus offenbar verhindern, dass das menschliche Immunsystem es | |
überhaupt erkennt und zu beseitigen versucht. | |
Wie gelingt ihm das? | |
Das Ebola-Virus sendet zum Beispiel kleine Ablenkungsmoleküle aus, die die | |
Antikörper binden, damit diese das Virus nicht erreichen. Man muss sich das | |
vorstellen wie Flugzeuge, die Aluminiumstreifen abwerfen, damit die Raketen | |
abgelenkt werden. Es sieht danach aus, als wäre die Infektion ein Wettlauf | |
zwischen dem Virus und dem Immunsystem. Das Virus versucht, das Immunsystem | |
lahm zu legen, und das Immunsystem versucht, Antikörper zu bilden, um die | |
Virusmenge einzudämmen. | |
Die Fallzahlen sind schon jetzt dramatisch. Wir können von Glück sagen, | |
dass Ebola sich nicht durch die Luft via Tröpfcheninfektion verbreitet. Wie | |
realistisch ist es, dass sich auch die Übertragungswege verändern, wenn das | |
Virus mutiert? | |
Nach derzeitiger wissenschaftlicher Erkenntnis ist diese Wahrscheinlichkeit | |
äußerst gering. Es ist dieselbe Sorge, die uns bei der Vogelgrippe | |
umtreibt: Kann das Virus über die Atemluft weitergegeben werden? Bislang | |
ist das nicht der Fall, weder bei der Vogelgrippe noch bei Ebola. Und es | |
deutet wenig darauf hin, dass sich daran etwas ändern wird. | |
Was macht Sie so sicher? | |
Damit das Virus über die Atemluft ausgeschieden und weiter transportiert | |
werden könnte, müsste sich das Virus in bestimmten Zellen der Lunge | |
vermehren. Das tut es aber nicht. | |
Aber möglich wäre es? | |
Viren sind für ihre Wirtszellen extrem spezialisiert, Hepatitisviren | |
befallen zum Beispiel nur Leberzellen. Es ist für ein Virus sehr schwer, | |
sich an neue Zielzellen anzupassen. | |
Wo vermehrt das Ebola-Virus sich? | |
Es vermehrt sich in Zellen des Immunsystems und der Blutgefäße, es ist im | |
Schweiß und in anderen Körperflüssigkeiten vorhanden, und darüber hinaus | |
vermehrt es sich in der Leber. Aber wir wissen zum Beispiel nicht, woher | |
der ungeheure Flüssigkeitsverlust anschließend rührt. Wir wissen nicht, was | |
im Magen-Darm-Trakt los ist, warum es so schwere Durchfälle gibt und dieses | |
starke Erbrechen. Man muss den Patienten viele Infusionen anhängen, damit | |
sie am Leben bleiben. Das macht ihre Behandlung so schwierig. | |
Wer Ebola überlebt hat, kann sich nicht erneut anstecken? | |
Genau. Wer die Krankheit überlebt, ist immun. Deswegen setzen wir große | |
Hoffnung in die beiden Impfstoffe, die derzeit klinisch erprobt werden und | |
bei Affen einen hundertprozentigen Schutz erzielt haben. | |
27 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
## TAGS | |
Ebola | |
Infektionskrankheit | |
Ebola | |
Ebola | |
Ebola | |
Ebola | |
Nigeria | |
Ebola | |
Ebola | |
Ebola | |
Ebola | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debatte Ebola: Virus Angst | |
Die Epidemie in Liberia ist schwer zu bekämpfen, weil sie die Traumata des | |
Bürgerkrieges wiederbelebt. Und weil zu wenig Hilfe von außen kommt. | |
Ebola-Erkrankter in den USA: Bestimmt nur ein Schnupfen | |
Der erkrankte Mann war schon vor einer Woche im Krankenhaus – und wurde | |
heimgeschickt. Dass er aus dem Ebola-Gebiet kommt, wurde nicht richtig | |
kommuniziert. | |
Gesundheitspolitik in Afrika: Die koloniale Falle | |
Das Ziel der kolonialen Tropenmedizin in Afrika war nie das Wohlergehen von | |
Menschen - sondern die Ausrottung von Seuchen. | |
Ebola-Tagebuch – Folge 14: Ebola weg, alles gut? | |
In Nigeria wird der Sieg über Ebola verkündet, selbst die Schulen sollen | |
wieder öffnen. Aber nicht alle trauen der guten Nachricht. | |
Ebola-Epidemie in Westafrika: Millionenhilfen vom IWF | |
Über 3.000 Menschen sind an der Krankheit gestorben, weitere 6.500 sind | |
infiziert. Die Leiterin der ärztlichen Dienste in Liberia hat sich selbst | |
unter Quarantäne gestellt. | |
Hamburg kann auch human: Von der Elbe führt kein Weg zu Ebola | |
Hamburg schiebt vorerst keine Flüchtlinge in Länder ab, in denen das | |
Ebola-Virus wütet. | |
Ebola-Tagebuch – Folge 13: Wettlauf mit sich selbst | |
Nach dem deutschen Verteidigungsministerium sucht nun auch das | |
Gesundheitsministerium Freiwillige. Gebraucht werden Ärzte und | |
Pflegekräfte. | |
Ebola-Tagebuch – Folge 12: Helferansturm bei der Bundeswehr | |
Tausende folgen einem Aufruf der deutschen Regierung, sich freiwillig zum | |
Einsatz gegen Ebola zu melden. Doch der Einsatz der Helfer dürfte sich | |
verzögern. |