# taz.de -- Kolumne Immer bereit: Nie wieder einen anderen | |
> Der Taxifahrer hält sich selbst für die Krone der verkehrstechnischen | |
> Schöpfung. Aber traf ich Peter. | |
Bild: Da stehen sie, schön in einer Reihe: die kings of the road | |
Der Taxifahrer gehört im wilden Verkehrsdschungel der Großstadt zu den | |
natürlichen Fressfeinden der Fahrradfahrerin. Niemand bewegt sich so | |
schneidig, so unverschämt und so selbstsicher im Straßenverkehr wie die | |
gelben Autos mit den Blinkehütchen. Rote Ampeln? Halteverbot? Fahrradwege? | |
Für Taxifahrer nur Rauschen im Schilderwald. Der Taxifahrer hält sich | |
selbst für die Krone der verkehrstechnischen Schöpfung. Seine Hupe hat | |
Recht und er immer Vorfahrt. Was kümmert es den Taxifahrer, wenn die Omi am | |
Straßenrand kopfüber auf die Fahrbahn kippt, weil der Luftzug seiner | |
Dieselschleuder ihr soeben die Vorderräder des Rollators weggebrettert hat? | |
Und wieso sollte man an großen Kreuzungen auch nur einen Reifen breit Luft | |
lassen zwischen rechtem Außenspiegel und Bordsteinkante? Könnte ja ’n | |
Radfahrer durchpassen. | |
Als ich noch klein war und die Mauer noch stand, da ging von den Autos mit | |
Chauffeur eine gewisse Faszination aus. Es gab sie ja nie. Taxis waren die | |
bedrohte Tierart in der Taiga namens Ostberliner Straßenverkehr. Wer Taxi | |
fahren wollte, musste telefonieren. Und zwar nicht mit Warteschleifen oder | |
dem rhythmischen Betätigen der Wahlwiederholungstaste. Die Telefone hatten | |
Wählscheiben. Und nicht jeder hatte Telefon. Und wenn besetzt war, musste | |
man neu wählen. Und besetzt war immer. Zeigefingerhornhaut war gefragt. | |
Bei jeder Familienfeier wurde spätestens zum Abendbrot ein Familienmitglied | |
ans Telefon abkommandiert. So hatten die restlichen Gäste noch genug Zeit, | |
ein paar Schnäpse zu kippen. Oder Stasiwitze zu machen. Oft gingen meine | |
Eltern und ich dann doch einfach so los und versuchten, am Straßenrand ein | |
Taxi anzuhalten. Häufig kamen wir schließlich mit einem Schwarztaxi nach | |
Hause. Ich habe Jahre gebraucht um zu kapieren, dass die nicht deshalb | |
Schwarztaxen hießen, weil sie nicht gelb waren. | |
In heutigen Nächten sind die Taxis die Karnickelplagen der Straße. Manchmal | |
nehme ich mir auch eins. Wenn ich nicht mehr Fahrrad fahren kann. „Hallo, | |
’sch brauch’ ein Taxi für misch un’ mein Fahrrad“, lallte ich in einer | |
kalten Donnerstagnacht vor bald einem Jahr in mein Wischtelefon. Ich hatte | |
irgendwo vorgelesen und mich danach betrunken. Später war ich in Tränen | |
ausgebrochen, denn Liebeskummer hatte ich auch. „’n großes Taxi!“, ergä… | |
ich jetzt und zog den Rotz hoch, „Is ’n großes Fahrrad.“ | |
„Fünf Minuten“, sagte das Fräulein vom Amt. Und dann kam Peter. | |
Normalerweise ist das so mit mir und den Taxifahrern: sie kommen an und | |
freuen sich auf eine fette Fuhre. Dann sehen sie mein Fahrrad. Der Lenker | |
vorne ist hoch und breit, auf dem Gepäckträger thront ein Korb. Es ist kein | |
Bambirad. Die Taxifahrer schimpfen dann leise und klappen die Rückbank | |
ihrer Kleinbusse um. Dann legen sie mein Fahrrad auf der so entstandenen | |
Ladefläche flach auf die Seite. Am nächsten Morgen hab ich immer eine Beule | |
im Schutzblech. Oder es schleift. Oder die Kette ist ab. | |
Peter kam, sah und sagte: „Setz disch ma vorne rinn, Mädschen, ick mach | |
ditt schon!“ Dann öffnete er die Seitentür seines Kleinbusses und stellte | |
mein Fahrrad ins Auto. Peters Taxi ist nämlich das einzige in ganz Berlin, | |
das in der zweiten und dritten Reihe nur je zwei Sitzplätze hat. Deshalb | |
können auch große Fahrräder aufrecht stehen. Ich war sofort verliebt. In | |
Peter. In sein Taxi. Und als Peter sich neben mich setzte, den Motor anließ | |
und fragte: „Willste watt trinken?“, während er das Handschuhfach zwischen | |
uns öffnete: „Ick habe Schnaps, Wasser, Apfelschorle. Oder ’n Schokoriegel? | |
Kost’ nüscht extra“, da wusste ich: Ich will nie wieder einen anderen | |
Taxifahrer anrufen. | |
5 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Lea Streisand | |
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