Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Western „The Salvation“: Dänen gegen Veteranen
> Weg von der romantischen Archaik, hin zum infernalischen
> Zivilisationsekel: Kristian Levrings „The Salvation“ startet in den
> Kinos.
Bild: Jenseits von Kopenhagen: Mads Mikkelsen als Jon mit seinem ermordeten Soh…
Das europäische Autorenkino entdeckt den Western als historische
Migrationserzählung. Im letzten Jahr schickte Thomas Arslan in „Gold“ eine
Gruppe deutscher Siedler in die Wildnis des amerikanischen Westens. Was sie
dort suchten (außer dem titelgebenden Sehnsuchtsobjekt), versteckte der
Film hinter theaterhaften Gesten, die weder dem Western noch dem Drama
gerecht wurden.
Dogma-Regisseur Kristian Levring geht mit „The Salvation“ um einiges
konsequenter vor. Bei ihm führen die Verfremdungseffekte unmittelbar hinein
in die Mythologie des Westerns, wenn er die Silhouette des Monument Valley
am Computer rekonstruiert. Allerdings hat Levring eine rustikale Variante
des amerikanischen Originals mit den degenerativen Ausläufern des
Spätwesterns im Sinn. Die romantische Archaik von Ford und Hawks bricht
sich im infernalischen Zivilisationsekel von Leone und Eastwood.
Und natürlich ist Mads Mikkelsen viel zu hübsch für die Rolle des
schweigsamen Rächers. Mikkelsen spielt in „The Salvation“ die Vorhut einer
dänischen Kolonie im staubigen Frontland. Jahrelang hat Jon die Ankunft
seiner Familie vorbereitet, nun erwartet er Frau und Kind in der etwas
unbehausten neuen Heimat Amerikas.
Die Familienzusammenführung wird von zwei verwahrlosten Subjekten gestört,
die auf der Fahrt vom Bahnhof übergriffig werden. Als Jon seine Familie zu
beschützen versucht, stoßen sie ihn aus der Kutsche. Levring kommt ohne
Umschweife zur Sache. Jon kann die Flüchtenden zu Fuß verfolgen und
erschießt die Männer kaltblütig. Für seine Frau und seinen Sohn kommt jede
Hilfe zu spät.
Was er nicht weiß: Einer der beiden Cowboys war der Bruder des sadistischen
Bandenchefs Delarue, der mit seiner Posse die Gemeinde von Black Creek
terrorisiert. Und weil der Sheriff, gleichzeitig Prediger des Orts, den
Täter nicht binnen zwei Stunden präsentieren kann, beginnt der frühere
Soldat zur Strafe Einwohner des spärlich besiedelten Nests zu töten.
## Hochartifizielle Videospiel-Ästhetik
Delarue ist keine sonderlich plausible Figur, fügt sich aber nahtlos in
Levrings desolates Bild vom amerikanischen Westen: ein Veteran der
Indianerkriege, der in den sinnlosen Gemetzeln selbst ein bisschen irre
geworden ist und sich wie Marlon Brandos Colonel Kurtz mit seinen
Gefolgsleuten abseits der Zivilisation in einer ausgebrannten Westernstadt
versteckt.
Zu seinem illustren Tross gehört auch die „Prinzessin“, gespielt von einer
wieder mal aufreizend undurchsichtigen Eva Green, der Indianer als Kind die
Zunge herausgeschnitten haben. Man sollte keine Überraschungen erwarten, es
reicht, dass Levring die Mechanik des Genres beherrscht und mit 89 Minuten
den Erzählbogen auch nicht überspannt.
Bemerkenswert ist „The Salvation“ vor allem in visueller Hinsicht. Gedreht
hat Levring in Südafrika, was die afrikanische Steppe an Americana-Flair
vermissen lässt, wurde in der Postproduktion kurzerhand ergänzt. Folglich
wirken die hybriden Bilder von Kameramann Jens Schlosser extrem
kontrastreich, was dem Film stellenweise eine hochartifizielle
Videospiel-Ästhetik verleiht.
Ganz am Rande ist „The Salvation“ aber auch, wie jeder bessere Western, ein
Kommentar auf den hereinbrechenden Kapitalismus. Hier bekommt die
Migrationserzählung eine bittere Pointe. Denn unter dem kargen Land, für
das die Siedler ihre Leben lassen, liegen reiche Ölvorkommen: ein schwarzer
Schleim, der ihr kostbares Grundwasser „verseucht“. Die Schlusseinstellung
liefert ein emblematisches Motiv. In einer langsamen Kamerafahrt wird der
Blick auf die Bohrtürme eines Ölfelds frei. Willkommen in Amerika.
8 Oct 2014
## AUTOREN
Andreas Busche
## TAGS
Film
Texas
Klassik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Filmstart „Nightcrawler“: Dienstleister des Bodensatz-TV
Jake Gyllenhaal spielt in „Nightcrawler“ einen soziopathischen Aasfresser
des Spätkapitalismus, der den Medien Bilder von Unfalltoten liefert.
Unterwegs auf dem Rio Grande: Grenzerkundung per Schlauchboot
Vor 9/11 war es kein Problem, am Rio Grande überzusetzen und die Nachbarn
in Mexiko zu besuchen. Doch seit dem Terroranschlag ist auch dort vieles
anders.
Filmstart „Die geliebten Schwestern“: Das Glück zu dritt
Von Schiller und der Kunst des Briefeschreibens: Es ist ein literarischer
Film, dem man seine Lust am eigenen „Geschriebensein“ anmerkt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.