# taz.de -- Landesparteitag der Berliner Grünen: „Kein einfaches Ja zu Olymp… | |
> Beim Grünen-Landesparteitag will der Kreisverband Kreuzberg ein Nein zu | |
> Olympia erzwingen. Landeschef Wesener lehnt eine so frühe Festlegung ab. | |
Bild: Bis heute in Gebrauch: das Nazi-Olympiastadion von 1936 in Berlin | |
taz: Herr Wesener, die Kreuzberger Grünen wollen am Samstag beim | |
Landesparteitag ein „Nein“ zu Olympischen Spielen durchsetzen, die | |
Abgeordnetenhausfraktion hingegen hat sich einer Bewerbung nicht | |
verschlossen. Was sagen Sie als Landesvorsitzender? | |
Daniel Wesener: Als Grüne haben wir vor allem einen großen Konsens: Wir | |
sind alle ausgesprochen skeptisch, was eine Olympiabewerbung angeht, wir | |
stellen eine ganze Reihe von Bedingungen und haben viele Fragen. Um mal | |
zwei herauszuheben: Ist mit diesem IOC ein demokratisches Olympia möglich? | |
Und: Ist dieser Senat in der Lage, ein Beteiligungs- und | |
Finanzierungskonzept zu erarbeiten, das auch trägt? | |
Der Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg will aber ein „Nein“, bevor diese | |
Fragen beantwortet sind. | |
Stimmt. Genauso wie in der Stadt, die laut Umfragen bei Olympia fifty-fifty | |
gespalten ist, gibt es nicht nur in diesem Kreisverband Grüne, die sagen: | |
Die ganzen Bedingungen sind richtig, aber wir glauben nicht, dass dieses | |
IOC und dieser Senat sie erfüllen können. Sie kommen deshalb schon heute zu | |
dem Schluss, dass eine Olympia-Bewerbung keinen Sinn macht. Andere sagen: | |
Auch wir haben Bedenken, aber lasst uns abwarten, was sich bei der nächsten | |
Sondersitzung des IOC im Dezember tut und wie das Konzept des Senats | |
aussieht. | |
Da spricht Sportsenator Frank Henkel bisher von 2,4 Milliarden Euro. Ist | |
das realistisch? | |
Wir Grüne halten diese Summe nicht für seriös. Das ist doch völlig | |
unrealistisch. | |
Was wäre denn für Sie realistisch? | |
Wir stellen ja fest, dass bei vergangenen Olympischen Spielen die | |
Kostenansätze höher waren und trotzdem bei weitem überschritten worden | |
sind. Und da fällt mir in Berlin natürlich eine Parallele ein: Ein Senat, | |
der nicht in der Lage ist, ein Großprojekt wie den BER fristgerecht und im | |
geplanten Kostenrahmen zu vollenden, der muss sich schon die Frage gefallen | |
lassen: Ist er fähig ein weiteres Großprojekt namens Olympia zu stemmen? | |
Es ist einfach und verspricht Beifall, das IOC wie Ihre Kreuzberger | |
Parteifreunde als „arrogenter machtpolitischer Dinosauerier“ abzukanzeln. | |
Doch wie kann man auf Veränderungen drängen, wenn man sich selbst aus dem | |
Spiel nimmt? | |
Das ist auch für mich ein wichtiges Argument zu sagen: Lasst uns abwarten, | |
ob sich etwas tut. Ich halte allerdings die Kritik am IOC in der Sache für | |
völlig gerechtfertigt. | |
Die Gegner können seit vergangener Woche auch auf Oslo im skibegeisterten | |
Norwegen verweisen, das seine Bewerbung für Olympia 2022 nicht aufrecht | |
hält. Doch wenn alle Bewerber aus westlichen Demokratien zurückziehen, dann | |
darf man sich nicht wundern, wenn die Spiele nur noch in Länder gehen, in | |
denen Ökologie und Menschenrechte eine untergeordnete Rolle spielen. | |
Gegenfrage: Ist es besser, wenn Demokratien Abstriche an demokratischen | |
Standards, an Transparenz und Bürgerrechten machen, um Olympische Spiele | |
austragen zu dürfen? | |
Gefoltert oder weggesperrt würde doch in Berlin auch dann keiner, wenn das | |
IOC das Sagen hat. | |
Mir reicht das nicht. Es steht beispielsweise zu befürchten, dass das IOC | |
der Stadt ein Sicherheitskonzept abverlangt, das in Bürgerrechte eingreift | |
und eine Überwachung des öffentlichen Raums mit sich bringt, die für uns | |
nicht akzeptabel ist. | |
Die Befürworter versprechen sich von Spielen einen Schub für die | |
Infrastruktur, die Kritiker sagen: Wir brauchen jetzt neue Wohnungen und | |
nicht erst 2024 mit einem vormaligen Athletendorf. Aber nach allen | |
Prognosen wird Berlin auch dann noch weiter wachsen und neue Wohnungen | |
brauchen. | |
Berlin braucht sicherlich jetzt und in der Zukunft neue und vor allem | |
günstige Wohnungen. Wenn das ein Aspekt einer Olympiabewerbung wäre, wäre | |
das gut. Aber gleichzeitig will der Senat eine Milliarde für temporäre | |
Sportanlagen ausgeben, die nach den Spielen dann wieder abgerissen werden. | |
Das finde ich falsch, denn dieses Geld wäre im sozialen Wohnungsbau, bei | |
der Bildung oder der Verkehrsinfrastruktur besser investiert. | |
Wäre ein Nein zum jetzigen Zeitpunkt nicht grundsätzlich unlogisch? Die | |
Grünen rufen doch nach Bürgerbeteiligung, würden aber mit einer frühen | |
Absage ihre eigene Beteligung verweigern. | |
Es ist doch bezeichnend, dass die beste Beteiligung bei Olympia gegenwärtig | |
nicht der Senat macht, sondern zivilgesellschaftliche Organisationen wie | |
der BUND und der Landesportbund. Gerade der LSB, als Lobby des Berliner | |
Sports, teilt ja unsere Skepsis in vielen Punkten | |
... und sagt trotzdem klar, dass er einer Bewerbung grundsätzlich positiv | |
gegenüber steht. | |
Auch wir als Grüne müssen irgendwann sagen: Befürworten wir eine Bewerbung | |
oder nicht? Dieser Zeitpunkt ist aber zumindest an diesem Samstag noch | |
nicht gekommen. | |
Um die Abstimmung über den Kreuzberger Antrag kommen Sie aber beim | |
Parteitag nicht herum. Was ist denn Ihre Prognose für den Ausgang? | |
Wir werden sehen. Aber bei einer Sache lege ich mich fest: Ich glaube, dass | |
wir am Samstag sehr deutlich herausarbeiten werden, dass wir Grünen einer | |
Olympia-Bewerbung außerordentlich skeptisch gegenüber stehen. Ein einfaches | |
Ja zu Olympia wird es mit uns ganz bestimmt nicht geben. | |
Olympia scheint ja generell ein Reizthema für die Grünen zu sein. Claudia | |
Roth war als Bundeschefin sogar im Kuratorium der Bewerbung von | |
Garmisch-Partenkirchen, als sich 2010 ein Parteitag gegen Olympische Spiele | |
dort aussprach. | |
Das stimmt, aber ein Reizthema ist Olympia nicht nur für uns Grüne. Gerade | |
in Berlin zeigt sich ja, dass eine solche Bewerbung stellvertretend für | |
viele andere Fragen verhandelt wird: Wie sieht nachhaltige Stadtentwicklung | |
aus? Wie gehen wir mit Großprojekten um? Wie und wo wollen wir in der Stadt | |
investieren? Und letztlich wollen wir doch alle wissen: Was hat Berlin von | |
Olympischen Spielen? | |
10 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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