| # taz.de -- Nachruf Mark Bell: Hypnotisch und komplex | |
| > Der britische Technopionier Mark Bell ist gestorben. Für das Label Warp | |
| > schuf er mit seinem Projekt LFO basslastigen Synthesizersound. | |
| Bild: Schöpfer der Bleeps und Clonks: Mark Bell (1971-2014). | |
| In Björks Song „Jogá“ gibt es einen Moment, in dem sich alle Schleusen | |
| öffnen. „You don’t have to speak / I feel … emotional landscapes“ singt | |
| sie, während sich ein verschleppter Beat aus dem Soundgletscher schält – | |
| versunken und hochemotional zugleich. | |
| Diesen Moment hat Mark Bell gezaubert – wie so viele. Der Künstler aus | |
| Leeds hatte gleich mit seiner ersten Veröffentlichung ein Lebenswerk | |
| geschaffen. Sowohl der Titel seiner 1990 erschienenen Maxisingle als auch | |
| der Name von Bells Projekt LFO hießen wie der wichtigste Regler an einem | |
| Synthesizer: Low Frequency Oscillation sorgt für Schwingungen im tiefen | |
| Frequenzbereich. Genau dort, im Bass, entfaltete „LFO“ – die Maxi – ihre | |
| Wirkung. | |
| Synthie-Flächen, das bleepende Leitmotiv, eine Roboterstimme, die „L-F-O“ | |
| wiederholt. Zusammen mit seinem Kollegen Gez Varley montierte Bell diese | |
| Ingredienzien zu einem Track, aus den simpelsten Zutaten wurde so ein | |
| hypnotisch-komplexes Denkmal. Der Bass ist angezerrt, kaum zu hören, aber | |
| fühlbar. Bell und Varley haben ihn auf einem alten Tonband aufgenommen, | |
| damit er dreckiger klingt. „LFO“ war auch die Veröffentlichung, die den | |
| Ruhm des Sheffielder Elektroniklabels Warp als Heimstatt der „Bleeps“ und | |
| „Clonks“ begründete. Jener zwitschernden und pochenden Synthesizer-Töne, | |
| die Signalwirkung hatten. Gemeinsam mit Aphex Twin und Nightmares on Wax | |
| gehört Bell zu den stilprägenden Warp-Künstlern. | |
| LFO waren singulär, besonders weil Bell im Gegensatz zu anderen | |
| Techno-Produzenten nur spärlich in Erscheinung trat: drei Alben und fünf | |
| Maxis in zwölf Jahren. Bei jedem Werk perfektionierte Bell, den Kollegen | |
| als bescheidenen, detailversessenen Arbeiter beschreiben, seine | |
| Klangsignatur: verzerrte Bässe, dazu ein Spiel mit Melodien, die als Loops | |
| so weit moduliert wurden, dass sich in ihrem Zusammenspiel ein Gewebe | |
| voller Schönheit entfaltete. | |
| 1997 verpflichtete Björk den Briten für die Produktion ihres Albums | |
| „Homogenic“. Das Zusammentreffen war ein Glücksfall. Bell unterstützte die | |
| Stimme der Isländerin mit seinen Beats, indem er mit seinen Synthesizern | |
| elektronische Symphonien erschuf – egal ob beim Soundtrack für „Dancer in | |
| the Dark“ oder auf Björks Öko-Album „Biophilia“. Vor wenigen Wochen trat | |
| Mark Bell beim 25. Geburtstagskonzert von Warp noch live auf. Am Montag | |
| wurde bekannt, dass Bell wegen Komplikationen bei einer Operation gestorben | |
| ist. Er wurde 43 Jahre alt. | |
| 15 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Werthschulte | |
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| elektronische Musik | |
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