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# taz.de -- „Podemos“ in Spanien: Eine Bewegung will an die Macht
> Die neue Basisbewegung „Podemos“ mischt die spanische Politik auf. Erste
> Wahlerfolge sind beeindruckend. Jetzt will sie sich zur Partei umformen.
Bild: Der Politikprofessor Pablo Iglesias (Bildmitte) gilt als Kopf der basisde…
MADRID taz | Spanien kennt derzeit nur ein Thema: „Podemos“. Ob in der
Presse, in Talkshows, auf der Arbeit, beim Bäcker oder am Tresen, es geht
um die neue politische Kraft und deren Wortführer, den 35-jährigen
Politikprofessor Pablo Iglesias. Bei den Europawahlen holte Podemos – „Wir
können“ – aus dem Stehgreif 1,2 Millionen Stimmen (8 Prozent) und damit
fünf Abgeordnete. Umfragen sehen die Bewegung bereits gleichauf mit der
sozialistischen PSOE.
„Wir sind angetreten, um zu regieren“, erklärt Iglesias in den unzähligen
Talkshows, zu denen er geladen wird. Doch bis es so weit ist, muss die lose
Bewegung zur Partei werden. Von Mitte September bis Mitte November soll
dies geschehen. „Bürgerversammlung“ wurde das Ganze getauft. „Wenn du ni…
Politik machst, machen sie die Politik für dich“, heißt eines der
Leitmotive der Bewegung. Es geht nicht um die große Revolution, sondern um
„den gesunden Menschenverstand“. Ein Teil der Schulden, der aus der
staatlichen Bankenrettung und aus der Unterstützung großer Firmen stammt,
soll nicht bezahlt werden. Eine öffentliche Schuldenkontrolle soll dies
bewirken.
Und es geht um einen Mindestlohn für alle, um Basisdemokratie und um
Transparenz. „Die Kaste“, wie Podemos all diejenigen nennt, die von der
Politik oder der Nähe zur Macht leben, soll aus den Amtsstuben verjagt,
Korrupte vor den Kadi gestellt, der Einfluss der Banken und Großunternehmen
gebrochen werden. Außerdem will Podemos die „Drehtüren zwischen Politik und
Wirtschaft“ schließen. Denn viele ehemalige Minister und Regierungschefs
enden in Aufsichtsräten der großen spanischen Firmen.
Diese Ideen sind populär in Zeiten der Krise mit Sozialkürzungen, 6
Millionen Arbeitslosen und Hunderttausenden zwangsgeräumten Wohnungen. Über
130.000 Menschen aller Altersgruppen und sozialer Herkunft haben sich
Podemos online angeschlossen. Über 900 offene Basisversammlungen tagen
Woche für Woche auf Plätzen und in Parks. Jetzt soll aus diesem
Sammelsurium eine Partei neuen Stils werden. Gut genug organisiert, um zu
funktionieren, aber lose genug, um basisnah zu bleiben.
## Radikaler Politikwechsel scheint möglich
88 Organisationsentwürfe wurden online gestellt. Wie groß soll die Führung
sein? Welche Mechanismen soll die Basis haben, um Themen zu diskutieren,
Ämter zu besetzen, aber auch um Amtsinhaber abzuwählen? Die Debatte läuft
in den Kreisen und im Netz. Bis zur ersten großen offenen Versammlung am
18. Oktober in Madrid werden die Autorengruppen versuchen, Positionen
einander anzunähern und mehrere Entwürfe zu einem zusammenzufassen, bevor
endgültig online abgestimmt wird.
Die hitzigsten Diskussionen löst ausgerechnet das Thema Wahlbeteiligung
aus. 2015 ist ein Superwahljahr in Spanien. Im Mai 2015 werden die
Gemeinderäte und 13 Regionalregierungen gewählt. Im Herbst stehen die
Parlamentswahlen an. Nach den Europawahlen, bei denen die Partido Popular
(PP) und die sozialistische PSOE zusammen erstmals auf unter 50 Prozent
absackten, sehen Umfragen Podemos auf Platz 3 oder gar Platz 2. Ein
radikaler Politikwechsel scheint möglich.
Die Beteiligung an den Regionalwahlen und den Parlamentswahlen ist
unstrittig. Nicht so bei den Gemeinderatswahlen in den 8.177 Kommunen. „Wir
hätten Schwierigkeiten, überall glaubwürdige Kandidaten, die den Geist von
Podemos repräsentieren, aufzustellen“, heißt es in einem Papier einer
Gruppe rund um Iglesias. Podemos solle nur im Rahmen breiter, offener und
basisdemokratischer Bürgerbündnisse antreten.
„Wir werden keine Listen erstellen, die mit Freunden eines Freundes in Form
von Vetternwirtschaft aufgefüllt werden“, erklärt Íñigo Errejón (31),
Podemos-Gründer und Politikprofessor. Er fürchtet, bei der eigenen
Kandidatur um jeden Preis könnte die „Marke“ Podemos Schaden nehmen“, die
Parteiführung könne die Kontrolle verlieren, Korrupte aus dem Gemeindeleben
sich einschleichen.
So manchem an der Basis möchte dies nicht einleuchten. Nicht zu kandidieren
sei „ein schwerer Fehler, der uns vom Ziel entfernt, die Kaste von der
Macht zu verbannen“, hält der Kreis aus Vallecas, einem Arbeiterviertel in
Madrid, entgegen, und trifft damit eine Stimmung an der Basis. Die Autoren
wollen Mechanismen, die über die Ehrenhaftigkeit von Kandidaten und
Amtsinhabern wachen, anstatt aus Angst vor Korruption auf Kandidaturen zu
verzichten.
16 Oct 2014
## AUTOREN
Reiner Wandler
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