| # taz.de -- Ausstellung zeigt Inszenierung der Reichen: Habitus am Pool | |
| > Neokolonial sich gebende Neu-Kapitalisten: Die Ausstellung „Fette Beute“ | |
| > in Hamburgs Museum für Kunst und Gewerbe zeigt, wie Reichtum sich in | |
| > Szene setzt. | |
| Bild: Die Hausherrin und ihr Schutzengel: "Evelina" aus Lamia Maria Abillamas S… | |
| HAMBURG taz | Cedric de Neef liebt Champagner. Fast jede Woche lädt der | |
| 18-jährige Belgier ein Bild ins Internet: er selbst mit sündhaft teuren | |
| Flaschen, kübelweise, so groß, dass er sie kaum halten kann, oder ganz | |
| schlicht am riesigen Pool drapiert. „Ich bin nicht antisozial, ich bin | |
| antibullshit“, steht daneben, oder: „#save #water #drink #dompz“. Seit 20… | |
| sammelt das Blog „Rich Kids of Instagram“ solche Fotos, auf denen die | |
| Sprösslinge von Superreichen ihren Reichtum schamlos zur Schau stellen: | |
| Schnappschüsse vom Sushi-Essen im Privatjet, vom Shopping-Ausflug mit dem | |
| Helikopter, von der Party auf Papas Yacht. | |
| ## Unerforschte Exzesse | |
| Es ist diese eigentümliche Mischung aus Produkt und Selbstmarketing, die | |
| Esther Ruelfs, Leiterin der Sammlung Fotografie und neue Medien des Museums | |
| für Kunst und Gewerbe, auf die Idee gebracht hat: eine Ausstellung für die | |
| Darstellung von Reichtum in Fotografie und Massenmedien. „Fette Beute. | |
| Reichtum zeigen“ fragt mit 150 künstlerischen Arbeiten, Reportage-Fotos, | |
| Dokumentarfilmen und Videos, wie Reichtum in unterschiedlichen Ländern | |
| dargestellt wird, welche kulturellen Prägungen und Machtstrukturen sich | |
| dabei zeigen, welchen Habitus die Wohlhabenden annehmen. | |
| Es ist die erste umfangreiche Ausstellung, die das Phänomen und die | |
| Funktion der Fotografie in diesem Bereich in kritischer Absicht beleuchten | |
| will. Denn im Gegensatz zur Armut, deren Ikonografie immer wieder | |
| Gegenstand von Ausstellungen und auch wissenschaftlicher Kritik ist, ist | |
| die exzessive Darstellung von Reichtum ihrer zunehmenden Präsenz in | |
| Massenmedien zum Trotz bislang weitgehend unerforscht geblieben. | |
| Ohne Verweis auf die Tradition sozialdokumentarischer Fotografie, die sich | |
| bis in die 1970er-Jahre fast ausschließlich mit den Opfern sozialer | |
| Missstände befasst hat, kommt aber auch diese Ausstellung nicht aus. Schon | |
| wenn Ruelfs im Katalog mit der US-Amerikanerin Dorothea Lange nicht | |
| zufällig eine Mitbegründerin der Dokumentarfotografie zitiert, die in den | |
| 1930ern Opfer der Großen Depression fotografiert hat: „Niemand hat, so weit | |
| ich weiß, das soziale Phänomen des Reichtums fotografiert.“ | |
| Dass in der Ausstellung vor allem zeitgenössische Arbeiten zu sehen sind, | |
| hat auch damit zu tun, dass die „Opferfotografie“ und der engagierte | |
| Fotojournalismus mit seinem hierarchischen Verhältnis zwischen | |
| Fotografierendem und Fotografierten seit den 1970ern zunehmend kritisiert | |
| wurde. | |
| ## Keine große Klammer | |
| Ausdrücklich zum Thema machen das Verhältnis von Arm und Reich nur zwei | |
| Arbeiten. Zum Auftakt ist etwa Jim Goldbergs Porträtprojekt „Rich and Poor“ | |
| zu sehen, in dem sich der US-Amerikaner zwischen 1977 und 1985 mit einer | |
| wachsenden sozialen Kluft auseinandersetzt – und danach fragt, wie | |
| materieller Besitz die Selbstwahrnehmung beeinflusst. Unter Fotos, auf | |
| denen sie in billigen Absteigen wie verloren wirken, schreiben die | |
| Porträtierten kurze Sätze wie: „Ich warte auf jemanden, der durch die Tür | |
| kommt und mir Geld gibt. Aber niemand wird es je tun.“ | |
| Das Thema systematisch zu erfassen, ist nicht der Anspruch der Ausstellung. | |
| Stattdessen sollen verschiedene thematische Kapitel den Blick auf | |
| verschiedene Aspekte lenken. Dabei zeigen Arbeiten von Edward Reichen und | |
| Regina Relang noch ganz klassische Bilder der „feinen Gesellschaft“ auf den | |
| Pferderennplätzen des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts. Der Holländer | |
| Paolo Woods hingegen widmet sich der Globalisierung des Reichtums und zeigt | |
| in seiner Arbeit „Chinafrica“ chinesische Investoren, die sich etwa in | |
| neokolonialer Manier mit nigerianischen Arbeitern in traditionellen | |
| chinesischen Dieneruniformen fotografieren lassen. | |
| Die libanesische Fotografin Lamia Maria Abillama wiederum hat, inspiriert | |
| durch einen Besuch bei ihrer brasilianischen Großmutter, Frauen der | |
| brasilianischen Oberschicht fotografiert – im Hintergrund stehen dabei wie | |
| Schutzengel ihre afrobrasilianischen Hausmädchen. | |
| So nah kommt den Reichen nicht jeder: Der französische Paparazzo Sébastien | |
| Valiela hat die pompösen Villen kalifornischer Stars deshalb gleich mit | |
| Drohnen fotografiert. Und von diversen börsennotierter Unternehmen kann | |
| auch Giacomo Bianchetto nur Eingangsbereiche zeigen – verriegelt und | |
| abweisend. | |
| ## ■ „Fette Beute. Reichtum zeigen“: bis 11. Januar, Museum für Kunst und | |
| Gewerbe | |
| 20 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Robert Matthies | |
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| Neokolonialismus | |
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