# taz.de -- Gericht verhandelt zu Protesten bei Ford: Belgische Arbeitskampfkul… | |
> Das Amtsgericht in Köln verhandelt über eine Protestaktion belgischer | |
> Ford-Arbeiter. Sie hatten in der Stadt gegen Schließungen protestiert. | |
Bild: Der Angeklagte Gaby Colebunders spricht auf einer Solidaritätskundgebung… | |
KÖLN taz | Johnny Henneman läuft über den Gerichtsflur und wundert sich. | |
„Was ist nur los bei euch in Deutschland?“, fragt der belgische | |
Ford-Arbeiter. Wie Dutzende andere ist er aus Solidarität mit seinem | |
Exkollegen Gaby Colebunders gekommen, mit dem er vor zwei Jahren in der | |
Domstadt für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstriert hat. Auf belgische | |
Art. „Was wir gemacht haben, war doch ganz normal“, sagt Henneman. Das | |
sieht die Staatsanwaltschaft anders. | |
Am Montag hat vor dem Amtsgericht Köln der erste von insgesamt 13 Prozessen | |
gegen belgische Arbeiter begonnen, die im November 2012 vor der Kölner | |
Europa-Zentrale des Autobauers Ford gegen die Schließung ihres Werks in | |
Genk demonstriert hatten. Die 170 Beschäftigten protestierten, wie es in | |
Belgien üblich ist: Sie verbrannten Reifen vor dem Gebäude und schossen | |
Feuerwerkskörper ab. | |
Außerdem drangen sie auf das Betriebsgelände vor, auf dem gerade der | |
europäische Betriebsrat tagte. Im Direktionsgebäude ging eine | |
Fensterscheibe zu Bruch. Als die Protestierer das Gelände verlassen | |
wollten, standen sie einem massiven Polizeiaufgebot gegenüber und wurden | |
stundenlang eingekesselt. | |
Die Unternehmensleitung von Ford erstattete keine Strafanzeige. Trotzdem | |
hat die Kölner Staatsanwaltschaft 13 Strafbefehle zu 60 Tagessätzen à 30 | |
Euro gegen Demonstranten ausgestellt – wegen Landfriedensbruch, | |
Sachbeschädigung, Verstoß gegen das Vermummungsverbot und Beihilfe zur | |
Nötigung. Alle 13 Beschuldigten haben dagegen Widerspruch eingelegt. Der | |
Prozess gegen Colebunders ist der erste in dieser Sache. | |
## Große Angst vor Arbeitslosigkeit | |
Richter Rolf Krebber ist ein freundlicher Mann, kein Scharfmacher. „Wie ist | |
die allgemeine Stimmung in Genk?“, fragt er den Angeklagten zu Beginn der | |
Verhandlung. „Es gibt eine große Angst vor Arbeitslosigkeit“, sagt Gabriel | |
K. Vor 25 Jahren wurden die Bergwerke in der Region geschlossen. „Wir sind | |
die Kinder von Bergarbeitern; wenn Ford schließt, gibt es für unsere Kinder | |
nichts mehr.“ Der Richter nickt. „Die Situation bei Opel in Bochum ist | |
ähnlich“, sagt Krebber. Am 5. November wird weiterverhandelt. | |
Der erste Verhandlungstag dauert nicht lange. Denn sieben von acht | |
geladenen Zeugen sind verhindert. So sagt nur ein Polizist aus. „Ich meine, | |
er war Rädelsführer“, sagt der Beamte über den Angeklagten aus. | |
Die IG Metall fordert die Einstellung des Verfahrens. Der Gerichtsprozess | |
sei eine „klare Überreaktion“ und führe zur Kriminalisierung von | |
gerechtfertigtem Protest, sagt der Kölner IG-Metall-Chef Witich Roßmann. | |
„Polizei und Staatsanwaltshaft werden in einem vereinigten Europa lernen | |
müssen, konstruktiv und verständnisvoll mit den unterschiedlichen | |
europäischen Protestkulturen umzugehen“, so Roßmann. | |
Johnny Henneman hat keinen Strafbefehl bekommen. Genutzt hat ihm und seinen | |
Kollegen der Protest allerdings auch nichts. Ende des Jahres schließt das | |
Werk in Genk, dann werden 4.300 Leute bei Ford und Tausende bei Zulieferern | |
ihre Arbeit verlieren. Henneman hat keinen neuen Job in Aussicht. „Für mich | |
wird es schwierig, ich bin dann schon 50“, sagt er. „Und wir haben in | |
unserer Region die höchste Arbeitslosenquote in Belgien.“ | |
21 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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